XIII. Fangen von Fischen
Während die Hochsee- und Küstenfischerei zur konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes gehört, wird die Binnenfischerei - zu der auch die Teichwirtschaft gehört - in den Fischereigesetzen und -verordnungen der Länder geregelt.
Die Fischereigesetze und -verordnungen der Länder enthalten, wenn auch nicht einheitlich, zahlreiche Vorschriften, die auch dem Tierschutz dienen. So ist beispielsweise durchgehend das Angeln unter Zuhilfenahme künstlicher Lichtquellen, die Verwendung explodierender, betäubender oder giftiger Mittel verboten. Der Elektrofischerei wird besondere Aufmerksamkeit entgegengebracht: in den Ländern besteht hier ein Erlaubnisvorbehalt. Die Erlaubnis für den Fang mit Elektrofischereigeräten darf nur unter sehr einschränkenden Voraussetzungen erteilt werden, zum Beispiel wenn sie zur nachhaltigen Bewirtschaftung eines Fischgewässers oder für Zwecke der Forschung erforderlich ist.
Die fischereirechtlichen Landesvorschriften können dazu beitragen, die Bestimmungen des Tierschutzgesetzes zu konkretisieren.
Die Frage, ob und in welchem Umfange Fische Schmerzen empfinden können, ist noch nicht abschließend geklärt. Nach derzeitigem Wissensstand wird angenommen, daß ihr Schmerzsinn nur schwach ausgeprägt ist. Die Leidensfähigkeit von Fischen steht demgegenüber außer Zweifel; sie wird durch zahlreiche verhaltenswissenschaftliche und neurologische Untersuchungen belegt.
Das Fangen von Fischen ist nur dann nicht tierschutzwidrig, wenn hierfür ein vernünftiger Grund vorliegt. Hierzu gehört insbesondere das Fangen zum Zwecke der menschlichen Ernährung oder zum Zwecke der Hege und Bewirtschaftung.
Wettfischveranstaltungen sind grundsätzlich nicht mit dem Tierschutzgesetz vereinbar (vgl. Urteil des AG Hamm vom 18. April 1988 - 9 Ls 48 Js 1693/86 ). Der Verband Deutscher Sportfischer e. V. hat zur Abgrenzung zwischen Wettfischveranstaltungen und dem Gemeinschaftsfischen eine Definition erarbeitet, die der hierzu ergangenen Rechtsprechung Rechnung trägt.
Auch die Praxis, fangreife Fische eigens mit dem Ziel in Angelteiche einzusetzen, um sie kurze Zeit später mittels Handangel wieder herauszufangen, ist mit dem Tierschutzgesetz nicht vereinbar. Da man die Fische bereits nach der Entnahme aus dem Aufzuchtteich zum Zwecke des Verzehrs hätte töten können, liegt kein vernünftiger Grund für das Angeln vor, das Schmerzen, Leiden oder Schäden beim Fisch hervorruft.
Diese Rechtsauffassung wurde 1993 vom Oberlandesgericht Celle bestätigt; das Gericht stellt fest, daß das Angeln von Fischen, die in Angelteiche in ausgemästetem Zustand kurz zuvor eigens zu diesem Zweck ausgesetzt wurden, einen Verstoß gegen § 17 Nr. 2 Buchstabe b des Tierschutzgesetzes darstelle.
Das Aussetzen von Fischen in Angelteiche zum Zwecke der späteren Entnahme kann aus der Sicht des Tierschutzes allenfalls toleriert werden, wenn die Zeitspanne zwischen dem Einsetzen der Fische und dem Herausfangen so bemessen ist, daß ein Zuwachs oder eine deutliche Qualitätsverbesserung erwartet werden kann. Die Länder haben daher ihre Behörden angewiesen, bei der Überprüfung sogenannter Angelteiche entsprechend zu verfahren oder sogar im jeweiligen Landesfischereirecht das Aussetzen von fangfähigen Fischen zum Zweck des alsbaldigen Wiederfanges verboten.
Das Hältern von Fischen in Setzkeschern stellt ein weiteres tierschutzrechtliches Problem dar. Hierbei werden die Fische nach dem Angeln nicht unverzüglich getötet, sondern vom Angelhaken gelöst und lebend aufbewahrt. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat 1993 in einem Beschluß unter anderem festgestellt, daß das Aufbewahren lebender Fische in Setzkeschern zum Zwecke der Frischhaltung keinen vernünftigen Grund dafür darstellt, den Tieren die damit verbundenen Leiden zuzufügen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß für den Verzehr bestimmte Fische sofort nach der Anlandung durch den Angler weidgerecht getötet und gekühlt bis zum Abtransport in einem isolierten Behälter aufbewahrt werden müssen. Die Fische können auch vor Ort ausgenommen werden, wenn die Schlachtabfälle vergraben oder mit nach Hause genommen werden.
Bei der Verwendung lebender Köderfische zum Angeln werden diesen Leiden und Schäden zugefügt, deshalb wurde in den meisten Ländern durch Fischereiverordnung die Verwendung lebender Köderfische verboten, stark eingeschränkt oder von einer Erlaubnis abhängig gemacht. Ein vernünftiger Grund, diese Fangmethode unter bestimmten Umständen einzusetzen, kann bestehen, wenn eine Hege oder Bewirtschaftung die Verwendung lebender Köderfische erfordert; zum Beispiel zur Verringerung eines unerwünscht hohen Raubfischbestandes bei extrem starkem Pflanzenbewuchs oder bei starken Schlammablagerungen. Bei dieser ausnahmsweise zulässigen Verwendung lebender Köderfische ist ganz besonders auch auf deren möglichst schonende Befestigung zu achten. In einer Reihe von Landesfischereivorschriften sind die genannten Probleme inzwischen in einschränkender Weise geregelt.
Nach § 4 des Strafgesetzbuches gilt das Tierschutzgesetz - als Teil des Nebenstrafrechts - unabhängig vom Recht des Tatortes auch für Taten, die auf einem Schiff begangen werden, das berechtigt ist, die Bundesflagge oder das Staatszugehörigkeitszeichen der Bundesrepublik Deutschland zu führen. Daraus ergibt sich, daß beispielsweise auch beim Hochseeangeln von Schiffen aus, die zum Führen der Bundesflagge befugt sind, die deutschen tierschutzrechtlichen Bestimmungen einzuhalten sind.
Die Bundesregierung hatte sich schon frühzeitig für ein Verbot der großflächigen Treibnetzfischerei ausgesprochen, da sie diese Fangmethode für ökologisch nicht vertretbar hält. Sie hat deshalb die entsprechenden Entschließungen der Vereinten Nationen und die darauf gestützte EG-Verordnung aus dem Jahre 1992, die ein Verbot der Anwendung von Treibnetzen über 2,5 km Länge im EU-Meer und für EU-Schiffe auch darüber hinaus vorsieht, mit Nachdruck unterstützt.
Im Laufe der letzten Jahre stellte sich leider heraus, daß trotz des Verbots der großflächigen Treibnetzfischerei nach wie vor immer wieder Netze verwendet wurden, die länger als 2,5 km waren (meistens bis zu 12 km lang), und zwar vor allem im Mittelmeer und in der Biskaya. Es wurde zwar versucht, diesen Verstößen durch verstärkte Kontrollen zu begegnen. Dabei wurde aber deutlich, daß es außerordentlich schwierig und nur unter Aufbietung erheblicher zusätzlicher finanzieller, sächlicher und personeller Ressourcen möglich ist, die Treibnetzfischerei wirksam zu überwachen. Der finanzielle Aufwand einer effizienten Kontrolle würde den Ertrag aus der Fischerei bei weitem übersteigen. Hinzu kamen erhebliche wirtschaftliche Einbußen durch immer wieder aufflammende Boykottaufrufe gegen Thunfischprodukte, die aus der Treibnetzfischerei stammen. Deshalb kamen die Europäische Kommission und die Mehrheit der Mitgliedstaaten (einschließlich Deutschland) zu der Ansicht, daß es letztlich ökonomisch vernünftiger ist, den Thunfischfang auf andere Fischereimethoden umzustellen und die Treibnetze vollständig zu verbieten.
Nach langwierigen Verhandlungen und zum Teil heftigen Auseinandersetzungen zwischen Gegnern und Befürwortern der kleinen Treibnetzfischerei hat der EU-Ministerrat im Juni 1998 ein vollständiges Verbot der Treibnetzfischerei ab 1. Januar 2002 in den EU-Gewässern (mit Ausnahme der Ostsee) für alle Schiffe (also auch für Fahrzeuge aus Drittstaaten) ausgesprochen. Das Verbot gilt für EU-Schiffe auch in internationalen und Drittlandsgewässern. Während der Übergangszeit bis Ende 2001 darf die Treibnetzfischerei von den Fahrzeugen, die sie bisher ausgeübt haben, nur noch sehr eingeschränkt und unter strengen Auflagen und Kontrollbedingungen fortgesetzt werden. Die betroffenen Fischer erhalten finanzielle Hilfen für die Einstellung der Treibnetzfischerei und die mögliche Umstellung auf andere Fangmethoden.
Die Bundesregierung begrüßt diesen Beschluß. Sie hat ihn aktiv unterstützt und sieht in ihm ihre bisherige Haltung und ihr Eintreten für eine ökologisch verträgliche Fischerei bestätigt.
Beifang von Schweinswalen und Seevögeln
In der Nordsee werden jährlich rund 7.000 Schweinswale unbeabsichtigt mitgefangen und getötet, der größte Teil in der dänischen Stellnetzfischerei. Die Bundesregierung tritt mit Nachdruck dafür ein, daß die Europäische Kommission sich dieses Problems annimmt und Maßnahmen zur Vermeidung oder zumindest Minimierung der Beifänge im Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik der EU einleitet. Dabei geht es vor allem darum, die Schweinswale durch geeignete technische Vorkehrungen (zum Beispiel durch optische oder akustische Scheucheinrichtungen) von den Stellnetzen fernzuhalten oder die Fischerei zu bestimmten Zeiten zu untersagen. Auf diesem Gebiet besteht derzeit noch ein erheblicher Forschungsbedarf. Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, daß die Europäische Kommission entsprechende Forschungsprojekte initiiert und finanziell unterstützt.
Ein weiteres Problem besteht in der Langleinenfischerei. Bei dieser an sich sehr selektiven Fangmethode werden erhebliche Mengen an Seevögeln mitgefangen, und zwar dadurch daß sich die Tiere beim Setzen der Leinen in die Köder verbeißen und am Haken hängenbleiben. Genaue Zahlen über die Umstände und den Umfang des Seevögel-Beifangs sowie die Artenzusammensetzung der getöteten Tiere gibt es bislang noch nicht. Die FAO hat sich des Problems kürzlich angenommen und einen Workshop zu diesem Thema veranstaltet. Dabei wurde vereinbart, daß die betroffenen Fischfangnationen einen Aktionsplan verabschieden, der zunächst auf die Erstellung einer Datensammlung und die Durchführung von Forschungsvorhaben abzielt. Die Europäische Kommission wird sich der Angelegenheit innerhalb der EU annehmen und entsprechende Projekte initiieren.
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