IV. Zucht von Tieren, Handel mit Tieren
Der siebte Abschnitt des Tierschutzgesetzes enthält Bestimmungen zur Zucht von Tieren und zum Handel mit Tieren. Der behördlichen Erlaubnis bedarf nach § 11 des Tierschutzgesetzes, wer
Wirbeltiere zu Versuchszwecken oder anderen wissenschaftlichen Zwecken wie Eingriffe zur Organentnahme bzw. Ausbildung oder für die Tötung zu wissenschaftlichen Zwecken züchten oder halten,
Tierbörsen zum Zwecke des Tausches oder Verkaufes von Tieren durch Dritte durchführen,
gewerbsmäßig Wirbeltiere, außer landwirtschaftliche Nutztiere, züchten oder halten oder mit Wirbeltieren handeln
will.
Um den bundeseinheitlichen Vollzug dieser Bestimmungen zu erreichen, sind weitere Einzelheiten in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Tierschutzgesetzes festgelegt worden; die aufgrund der Novellierung des Tierschutzgesetzes notwendig gewordene Neufassung dieser Vorschrift soll in Kürze dem Bundesrat zur Zustimmung zugeleitet werden.
Die behördliche Erlaubnis wird nur erteilt, wenn
die erforderliche Sachkunde und
Zuverlässigkeit der für die Tätigkeit verantwortlichen Person sowie
die für eine tierschutzgerechte Ernährung, Pflege und Unterbringung erforderlichen Räume und Einrichtungen
vorhanden sind.
Im Berichtszeitraum waren wiederholt bei Tierbörsen massive Verstöße gegen das Tierschutzgesetz bekanntgeworden. Besonders aufgefallen waren solche Veranstaltungen, die sich aus traditionellen Vogel- oder Taubenmärkten entwickelt hatten. Aber auch einige Reptilienbörsen fielen negativ auf. Nicht zuletzt dank dem Engagement der Fachverbände sowie der Tierschutzorganisationen konnten in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden die schlimmsten Auswüchse durch entsprechende Auflagen in Form von Börsenordnungen ausgeräumt werden. Es bleibt zu hoffen, daß die neue Vorschrift in § 11 des Tierschutzgesetzes, wonach Tierbörsen zum Zwecke des Tausches oder Verkaufes von Tieren durch Dritte erlaubnispflichtig sind, dauerhaft solche Mißstände verhindern kann. Derzeit erarbeitet eine Sachverständigengruppe im Auftrag des Landes Baden-Württemberg entsprechende Vorschläge, die zu gegebener Zeit von den anderen Ländern übernommen werden sollen. Auch die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz bereitet eine Checkliste für die Überwachung an Tierbörsen vor.
Im Tierschutzgesetz werden Zucht und Handel von Versuchstieren besonders geregelt. Durch die Aufzeichnungs- und Kennzeichnungspflicht nach § 11a des Tierschutzgesetzes soll sichergestellt werden, daß Tiere nur dann zu Tierversuchen verwendet werden, wenn sie hierfür gezüchtet worden sind. Die Aufzeichnungspflicht ermöglicht der zuständigen Behörde, Herkunft und Verbleib gezüchteter, gehaltener oder gehandelter Versuchstiere zu überwachen. Anhand ihrer Kennzeichnung lassen sich die Versuchstiere identifizieren.
Im einzelnen werden Art und Umfang der Aufzeichnungen sowie die Kennzeichnung von Hunden und Katzen in der Verordnung über Aufzeichnungen über Versuchstiere und deren Kennzeichnung vom 20. Mai 1988 (BGBl. I S. 639) festgelegt.
Der Vollzug dieser Verordnung hat zu keinen nennenswerten Schwierigkeiten geführt.
Dagegen ist die Anwendung des § 11b (Verbot von Qualzuchten) weiterhin problematisch. Das liegt an der sehr kontrovers diskutierten Frage, wann die Grenze zur Qualzucht erreicht oder sogar überschritten ist.
Auf der Ebene des Europarats wurde die Qualzuchtproblematik im Rahmen des Europäischen Übereinkommens zum Schutz von Heimtieren behandelt. Sie war ein Schwerpunktthema der multilateralen Konsultation der Vertragsparteien, die im März 1995 stattfand. Hiermit wurde eine Diskussion mit internationalen Hunde- und Katzenzuchtverbänden mit dem Ziel initiiert, eine Änderung tierschutzrelevanter Zuchtstandards oder der entsprechenden Auslegung der Standards oder, wo dies nötig ist, insgesamt eine Abkehr von bestimmten Rassen zu erreichen. Es wurde eine Resolution gefaßt, die die Vertragsparteien auffordert, die Diskussion mit den Verbänden zu intensivieren und Aufklärungsarbeit zu leisten. Die Bundesregierung erwartet, daß diese Diskussion auch in den anderen europäischen Staaten verstärkt geführt wird. Es ist deutlich, daß es auch in der Heimtierzucht einen europäischen Wettbewerb gibt, der eine Angleichung auf möglichst hohem Tierschutzniveau erforderlich macht.
Auch wenn sich die Diskussion zunächst auf die Katzen- und Hundezucht konzentriert hat, müssen andere Bereiche ebenso kritisch hinterfragt werden.
Nachdem es bisher nicht gelungen ist, durch Appelle an die Verbände zu erreichen, daß diese tierschutzwidrige Rassestandards überdenken und Übertypisierungen vermeiden, und in einer Einzelfallentscheidung das Amtsgericht Kassel eine Katzenzüchterin wegen vorsätzlicher Qualzüchtung zur Zahlung einer Geldbuße verurteilt hat, hat BML zu dem gesamten Themenkomplex der Heimtierzucht eine Sachverständigengruppe um die Erstellung eines Gutachtens gebeten, das sowohl den Züchtern als auch den Behörden als Leitlinie dienen soll. Dies soll nach langwierigen Diskussionen in Kürze abgeschlossen und veröffentlicht werden.
Auch eine einseitige Ausrichtung auf maximale Mastleistungen kann Folgen für die Tiere nach sich ziehen, die die Grenzen des Vertretbaren erreichen und in manchen Fällen überschreiten. So sollten auch beim Mastgeflügel gesundheitliche Aspekte in der Züchtung stärkeres Gewicht erhalten. BML hat die verantwortlichen Zuchtunternehmen hierauf bereits hingewiesen. Sowohl im Bereich der Zucht von Masthähnchen als auch von Puten wurden entsprechende Bemühungen zugesagt.
Die Zucht von Rindern, Schweinen, Schafen, Ziegen und Pferden wird durch das Tierzuchtgesetz geregelt. Eines der Ziele dieses Gesetzes ist es, die Züchtung der Tiere so zu fördern, daß "die Leistungsfähigkeit der Tiere unter Berücksichtigung der Vitalität erhalten und verbessert wird". Die behördliche Anerkennung der Zuchtorganisationen durch die Länder beinhaltet auch eine Prüfung des Zuchtprogramms im Hinblick auf dieses genannte Ziel.
Auf dem Gebiet der landwirtschaftlichen Tierzucht bestimmen in erster Linie wirtschaftliche Überlegungen den notwendigen Handlungsbedarf. Weil die angestrebte Leistungsfähigkeit nur von gesunden und widerstandsfähigen Tieren erzielt werden kann, stimmen wirtschaftliche und tierschutzethische Ziele weitgehend überein. In der landwirtschaftlichen Nutztierzucht wird dementsprechend niemals ausschließlich nach Leistungskriterien selektiert. Vielmehr werden gleichzeitig immer auch Merkmale wie Fruchtbarkeit und Exterieur berücksichtigt.
Erbfehler, die das Fehlen oder die Veränderung von Körperteilen oder Organen nach sich ziehen, sind in der Regel züchterisch unerwünscht, und ihnen wird nach Möglichkeit züchterisch entgegengewirkt. Bei Schweinen sind nach der Verordnung über die Leistungsprüfungen und die Zuchtwertfeststellung bei Schweinen Erbmängel in der Zuchtleistungsprüfung zu erfassen. Bei Rindern wird derzeit eine Änderung der Verordnung über die Leistungsprüfungen und die Zuchtwertfeststellung vorbereitet, die unter anderem notwendig geworden ist, um Bestimmungen der EG zur Berücksichtigung von Erbfehlern beim Rind umzusetzen.
Im Spannungsfeld zwischen Ansprüchen von Wirtschaftlichkeit und Tiergerechtheit müssen mögliche Problembereiche der Nutztierzucht sorgfältig beobachtet werden. Außer der geschilderten möglichen staatlichen Einflußnahme im Rahmen der Anerkennung von Zuchtorganisationen nehmen auch die Tierzuchtorganisationen ihre Selbstverantwortung wahr.
Unabhängig hiervon hat BML die Deutsche Gesellschaft für Züchtungskunde gebeten, eine Arbeitsgruppe aus Vertretern der Zuchtorganisationen und der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz e. V. einzusetzen mit dem Ziel, Vorschläge für den Bereich der landwirtschaftlichen Nutztierzucht zu erarbeiten.
Zusammenfassung | |||||
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Anhänge 1, 2, 3, 4, 5, 6-1, 6-2, 6-3, 7 | |||||
Inhaltsverzeichnis | Abkürzungsverzeichnis |
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