XV. | Tierversuche sowie Ersatz- und Ergänzungsmethoden |
Abschnitte 5 und 6 |
5 | Erforschung, Entwicklung und Anerkennung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden |
Bei der Definition von "Ersatz- und Ergänzungsmethoden" bzw. "Alternativmethoden" wird aufgrund eines breiten internationalen Konsenses das Konzept von Russell und Burch zugrunde gelegt, das auf den drei Postulaten "Replacement, Reduction, Refinement" aufbaut. "Replacement" bezieht sich auf den Ersatz lebender Tiere durch beispielsweise In-vitro-Techniken oder Computersimulationen; "reduction" bedeutet die Reduktion der für einen bestimmten Versuch erforderlichen Tierzahlen; unter "refinement" sind alle Maßnahmen zu verstehen, die zu einer verminderten Belastung bei den Versuchstieren führen. Hierzu gehören Aspekte der Tierhaltung ebenso wie Verbesserungen bei den experimentellen Techniken und Anästhesieverfahren.
5.1 | Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) |
Die gegenseitige Anerkennung von Versuchsergebnissen auf internationaler Ebene setzt voraus, daß die Prüfungen nach anerkannten Methoden durchgeführt wurden. Dieser Grundsatz gilt für Tierversuche ebenso wie für andere Testverfahren.
Die OECD bemüht sich seit Beginn der 80er Jahre erfolgreich um eine internationale Harmonisierung von Prüfmethoden im Bereich der chemischen Toxikologie.
Von besonderer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang:
der Beschluß des Rates der OECD über die gegenseitige Annahme von Daten für die Bewertung chemischer Stoffe, 1981;
die OECD-Grundsätze der Guten Laborpraxis, 1982 (siehe auch Abschnitt XV.4.4);
die OECD-Richtlinie zur Entwicklung neuer Testmethoden "OECD Environment Monographs No. 76 (1993)";
der Abschlußbericht des OECD-Workshops über die Harmonisierung der Validierungs- und Akzeptanzkriterien von alternativen toxikologischen Testmethoden (1996) (Anmerkung 12).
Die OECD-Prüfrichtlinien werden in der Gruppe "Chemikalien" der OECD erarbeitet. 1988 beschloß die Gruppe, alle Prüfrichtlinien - ausgehend von neuen Erkenntnissen - unter besonderer Berücksichtigung von Tierschutzgesichtspunkten regelmäßig zu überprüfen und bei erforderlichen Überarbeitungen die Aufnahme alternativer Methoden zu unterstützen. Die im Entwurf vorliegende Richtlinie "Entwicklung von Alternativmethoden - Möglichkeiten und Grenzen" legt die dazu erforderlichen Rahmenbedingungen fest. So soll die Einstufung von Stoffen, die in einem In-vitro-Testverfahren eine positive Reaktion zeigen, möglich sein. Bei einem negativen Ergebnis darf jedoch nicht, wie beim Tierversuch, auf die weitere Testung verzichtet werden. Nach diesem kombinierten In-vitro- / In-vivo-Prüfschema können Tierversuche mit besonders belastenden Stoffen vermieden werden.
1996 haben sich die zuständigen Experten der OECD auf einem Workshop in Solna, Schweden, auf ein abgestimmtes Konzept zur Validierung tierversuchsfreier toxikologischer Methoden geeinigt. Voraussichtlich wird die OECD auf der Basis dieses Konzeptes in Kürze den ersten In-vitro-Test als Ersatz für einen Tierversuch akzeptieren; es handelt sich hierbei um die Prüfung auf phototoxische Eigenschaften. Gleichzeitig wurden kombinierte Teststrategien für die Prüfung auf haut- und augenreizende Stoffe verabschiedet, bei denen tierversuchsfreie Verfahren den eventuell noch erforderlichen Tierversuchen vorgeschaltet werden.
Mittlerweile wurden zur Prüfung auf akute orale Toxizität die "Fixed-Dose-Procedure" (FDP-Methode) und die "Acute-Toxic-Class-Method" (ATC-Methode) als dem klassischen LD50-Test gleichwertige Verfahren von der OECD anerkannt (siehe auch Abschnitt XV.4.4, 5.5.1). Durch beide Prüfmethoden werden Leiden (FDP-Methode) oder Anzahl der Versuchstiere (ATC-Methode) im Vergleich zum LD50-Test reduziert. Die Europäische Union bemüht sich derzeit um die Abschaffung des klassischen LD50-Tests in den OECD-Richtlinien.
Zur Prüfung auf sensibilisierende Eigenschaften wurde der im Vereinigten Königreich entwickelte isolierte Lymphknoten-Test (isolated lymph node assay - ILNA) von der OECD 1994 akzeptiert, der weniger belastend für die Tiere ist als die bisher üblichen Tierversuche am Meerschweinchen, wie zum Beispiel der Bühler-Test und der Maximierungstest nach Magnusson und Kligmann.
1998 hat die OECD die Klassifizierungskriterien für augenreizende Eigenschaften harmonisiert und auf zwei Reizstufen reduziert. Es gelten deshalb für alle Anwendungsbereiche chemischer Stoffe zur Einstufung und Kennzeichnung der augenreizenden Eigenschaften dieselben Kriterien. Damit wurde eine wesentliche Voraussetzung für die Validierung und Akzeptanz von In-vitro-Methoden zur Einstufung und Kennzeichnung augenreizender Stoffe geschaffen.
5.2 | Internationale Konferenz über Harmonisierung |
Die Internationale Konferenz über Harmonisierung (ICH) hat die Aufgabe übernommen, gemeinsame Empfehlungen für die Regionen USA, Japan und Europa zur Prüfung der Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit von Arzneimitteln zu erarbeiten. Ziel ist die Angleichung unterschiedlicher fachlicher Anforderungen. Aufgrund der derzeit bestehenden Unterschiede sind Unternehmen unter Umständen gezwungen, Prüfungen zu wiederholen oder Daten in unterschiedlichen Formaten vorzulegen, um den Anforderungen der jeweiligen Gesundheitsbehörden gerecht zu werden. Unter Wahrung der Verpflichtung der Gesetzgeber zum Schutz der öffentlichen Gesundheit will die ICH Übereinstimmung über die Erarbeitung von Leitlinien erreichen.
Für den Bereich der Toxikologie steht das Ziel, Unterschiede in den Prüfanforderungen zu vermeiden bzw. auszuräumen, in engem Zusammenhang mit der Reduzierung von Tierversuchen.
Erste Übereinkünfte konnten 1991 bei der ICH-Konferenz in Brüssel erzielt werden (Anmerkung 13). Sie betrafen die Prüfung der Notwendigkeit von Tierversuchen und die Vermeidung von Wiederholungsversuchen. Die Auswirkungen finden zunehmend in den Zulassungsunterlagen Berücksichtigung. Vereinbarungen, die in den nachfolgenden Konferenzen 1993 in Orlando (USA) und 1995 in Yokohama (Japan) getroffen wurden, werden zukünftig zu einer weiteren Reduzierung von Tierversuchen beitragen (Anmerkungen 14 und 15).
Im einzelnen können folgende Bereiche der Harmonisierung toxikologischer Prüfungen im Zusammenhang mit der Reduzierung von Tierversuchen beschrieben werden:
Toxizität nach einmaliger Verabreichung (Akute Toxizität):
In den USA, in Japan und Europa wird im Bereich der präklinischen Arzneimittelprüfung
nicht mehr ausschließlich die experimentelle, sondern auch eine approximative Ermittlung
der LD50 akzeptiert. Hierdurch können 50 bis 75 % der Versuchstiere
eingespart werden.
Toxizität nach mehrmaliger Verabreichung:
Für die Toxizitätsprüfung nach wiederholter Gabe wurde 1991 vereinbart, daß bei
Nagetieren Langzeituntersuchungen generell von zwölf auf sechs Monate reduziert werden
können. Harmonisierungsbedarf besteht dagegen weiterhin für die Prüfung auf chronische
Toxizität beim Nicht-Nager. Die maximale Prüfungsdauer beträgt zwölf Monate in den
USA, in Japan und Europa dagegen sechs Monate.
Kanzerogenitätsstudien:
Die Harmonisierungsbemühungen gliedern sich auf diesem umfangreichen Gebiet in drei
Bereiche:
Zu 1:
In der Vergangenheit gab es weltweit große Unterschiede bei der Festlegung der
Höchstdosis für Kanzerogenitätsstudien. In nicht wenigen Fällen mußten daher
Untersuchungen wiederholt werden. Ende 1994 wurde eine gemeinsame verbindliche
Prüfvorschrift abgefaßt, die eine differenzierte Ermittlung der höchsten Dosis erlaubt.
Die Forderung nach Festlegung der höchsten Dosis anhand der "maximal tolerierbaren
Dosis" (USA) und als das "mindestens 100fache der therapeutischen Dosis"
(Europa und Japan) wurde abgeschafft. Die Wahl der höchsten Dosis kann nach den neuen
Prüfregeln nach toxikologischen, pharmakodynamischen und pharmakokinetischen Endpunkten
sowie anhand der "oberen limitierten Dosis" erfolgen.
Zu 2:
Die unterschiedlichen Anforderungen in den Regionen bezüglich der Notwendigkeit von
Kanzerogenitätsstudien sowie das Bestreben bei der pharmazeutischen Industrie, eine
Versagung der Zulassung auf jeden Fall zu vermeiden, führten teilweise zu unnötigen
Tierversuchen.
Es ist daher zu begrüßen, daß im November 1995 eine gemeinsame Prüfrichtlinie von der ICH-Konferenz verabschiedet wurde. Diese stellt einen Bezug zwischen der Dauer der klinischen Behandlung mit dem potentiellen neuen Arzneimittel und der Notwendigkeit von Kanzerogenitätsstudien her. Des weiteren einigte man sich, eindeutig genotoxische Substanzen (zum Beispiel Zytostatika) zunächst ohne weitere Untersuchungen als Kanzerogene für Tier und Mensch einzustufen. Sind eindeutig genotoxische Substanzen zur Langzeitanwendung beim Menschen vorgesehen, kann das kanzerogene Potential durch eine Prüfung auf chronische Toxizität abgeklärt werden, die weniger Versuchstiere erfordert als eine vollständige Kanzerogenitätsstudie.
Bereits auf Kanzerogenität geprüfte Substanzen, die in abgewandelter Form wie Salze, Säuren, Basen oder Komplexe als Arzneimittel entwickelt werden, sind üblicherweise nicht erneut in Kanzerogenitätsstudien zu testen.
Zu 3: Die Prüfregel "Notwendigkeit / Ersatz der zweiten Tierart" befindet sich in Vorbereitung. Nach dem aktuellen Beratungsstand wird der Verzicht auf Kanzerogenitätsstudien an einer zweiten Tierart und damit eine Reduzierung von Tierversuchen angestrebt.
Reproduktionstoxikologie
Die bereits im September 1993 erarbeitete ICH-Prüfanforderung ist international
akzeptiert. Wiederholungsstudien, die für die einzelnen Regionen aufgrund von
unterschiedlichen Anforderungen zu den sogenannten Segment-1-, -2- und -3-Studien
stattfanden, sind zunehmend seltener.
Genotoxizität
In einer Mitte 1995 von der ICH-Konferenz verabschiedeten Leitlinie zu spezifischen
Aspekten der Genotoxizitätsprüfung wurden Bedingungen für die Akzeptanz von
In-vivo-Prüfungen an verschiedenen Zielorganen (Knochenmark, Leber) niedergelegt. Dadurch
werden unnötige In-vivo-Prüfungen, zum Beispiel mit nicht-resorbierbaren Substanzen,
weitgehend vermieden.
Eine zweite, noch in der Diskussion befindliche Leitlinie zu geeigneten Testkombinationen
wird möglicherweise die Option für eine ausschließliche In-vitro-Prüfung bestimmter
Arzneistoffe öffnen.
Toxikokinetik / Pharmakokinetik
Toxikokinetische Untersuchungen, die begleitend zu toxikologischen Versuchen (zum Beispiel
Kanzerogenitätsstudien) durchgeführt werden, können für diesen spezifischen Bereich
eine erhöhte Anzahl an Tieren erforderlich machen. Jedoch können Ergebnisse aus der
Toxikokinetik beispielsweise bei der Ermittlung geeigneter Dosierungen, bei der Wahl der
Spezies und der Interpretation der toxikologischen Befunde hilfreich sein und so zur
Vermeidung von Tierversuchen beitragen. Die toxikokinetischen und pharmakokinetischen
Prüfregeln wurden 1994 verabschiedet. Da die pharmazeutische Industrie bereits vor
Verabschiedung dieser Prüfregeln von den Behörden aufgefordert wurde, entsprechende
Unterlagen vorzulegen, sind zum derzeitigen Zeitpunkt toxikokinetische Unterlagen
üblicherweise in den Zulassungen enthalten.
Nicht klinische Anforderungen an biotechnologische Produkte
Für die zunehmende Anzahl biotechnologisch hergestellter Arzneimittel ist eine
spezifische Prüfregel in Vorbereitung. Auch hier zeichnet sich eine Reduzierung von
Tierversuchen ab.
5.3 Europarat
Im Rahmen des Europarats werden die Monographien für das Europäische Arzneibuch erarbeitet. Diese werden nach dem Übereinkommen über die Ausarbeitung eines Europäischen Arzneibuchs in nationale Normen überführt.
Technische Fortschritte hinsichtlich der Herstellung sehr reiner Arzneimittel können zum Ersatz von Tierversuchen durch physikalisch-chemische Methoden oder zu deren ersatzloser Streichung führen. Beispielsweise konnten in den Monographien zu Insulin, Humaninsulin und Somatotropin Tierversuche durch chromatographische Verfahren ersetzt werden, weil die Technik zur Reinigung dieser Arzneimittel wesentlich verbessert wurde und biotechnologische Produktionsverfahren (r-DNA-Technik) die Herstellung sehr reiner Arzneimittel ermöglichen. In ähnlich gelagerten Fällen verfährt die Europäische Arzneibuch-Kommission in gleicher Weise.
Beispiele für die ersatzlose Streichung von Tierversuchen in bestimmten Monographien sind die Prüfungen auf anomale Toxizität (siehe auch Abschnitt XV.5.5.1) und auf blutdrucksenkende Substanzen. Auch diese Prüfungen werden zunehmend entbehrlich, weil technische Fortschritte die Herstellung von Arzneimitteln ohne Verunreinigungen erlauben, die anomale Toxizität oder unerwünschte Blutdrucksenkung auslösen. Dennoch müssen die Europäische Arzneibuch-Kommission oder deren zuständige Expertengruppen grundsätzlich in jedem Einzelfall prüfen, ob die Prüfung bei einer bestimmten Substanz oder Zubereitung entfallen kann. Darüber hinaus hat die Kommission aufgrund einer Initiative des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) (Anmerkung 16) im November 1995 einer weiteren weitgehenden Einschränkung dieser Tierversuche zugestimmt.
Folgende Regelungen traten zum 1. Januar 1997 in Kraft:
Abschaffung des Tests auf anomale Toxizität für alle veterinärmedizinischen Impfstoffe und Sera.
Abschaffung des Tests auf anomale Toxizität für alle Immunsera im Bereich der Humanmedizin. Dies betrifft auch sämtliche Immunglobuline.
Im Humanbereich Abschaffung des Tests auf anomale Toxizität für Impfstoffe gegen Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten sowie Kombinationspräparate.
Für alle anderen Impfstoffe im Humanbereich, für die der Test bisher vorgeschrieben war, wird dieser vorerst nicht mehr am Endprodukt durchgeführt, sondern in den Produktionsbereich verlegt. Bleibt eine ausreichende Zahl von aufeinanderfolgenden Chargen ohne Befund, kann der Test auch für diese Präparate wegfallen.
Kontrollbehörden wie das Paul-Ehrlich-Institut müssen den Test grundsätzlich nicht mehr durchführen. Allein in Deutschland führen diese Maßnahmen bei Herstellern und Kontrollbehörden (PEI) voraussichtlich zu einer jährlichen Einsparung von rund 20.000 Mäusen und Meerschweinchen.
In anderen Fällen werden Tierversuche durch In-vitro-Methoden ersetzt. Ein Beispiel hierfür ist der weitgehende Ersatz der "Prüfung auf Pyrogene" an Kaninchen durch die "Prüfung auf Bakterien-Endotoxine", die im Reagenzglas mit Bestandteilen der Blutzellen des Pfeilschwanzkrebses (Limulus polyphemus) durchgeführt wird (LAL-Test). Als biologische Qualitätskontrolle kann der LAL-Test den Pyrogentest am Kaninchen in den meisten Fällen ersetzen. Nur in seltenen Fällen, wenn zum Beispiel die zu prüfenden Arzneimittel mit dem LAL-Test keine ausreichenden Ergebnisse liefern oder wenn auf fiebererregende Verunreinigungen geprüft werden muß, die nicht auf Bakterien-Endotoxine zurückzuführen sind, muß weiterhin der Pyrogentest am Kaninchen durchgeführt werden.
Um international die Bemühungen um den Ersatz von Tierversuchen in den Arzneibüchern zu verstärken, hat die deutsche Delegation in den Sitzungen der Europäischen Arzneibuch-Kommission mit Nachdruck auf die Dringlichkeit dieses Anliegens hingewiesen. Auf der ersten internationalen Konferenz über Harmonisierung der Arzneimittel-Richtlinien, die 1991 in Brüssel gemeinsam mit der EU, der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA und dem japanischen Ministerium für Gesundheit und Soziales veranstaltet wurde, wurde eine internationale Empfehlung zur Harmonisierung der Arzneibuch-Monographien verabschiedet (siehe auch Abschnitt XV.4.2).
5.4 Europäische Union
Die Rechtsharmonisierung innerhalb der EU über die Zulassung und das Inverkehrbringen von Stoffen und Produkten ist im Bereich der Chemikalien, der Arzneispezialitäten, der Pflanzenschutzmittel, der Futtermittel und Futtermittelzusatzstoffe weitgehend abgeschlossen. Für den Bereich der Lebensmittel, einschließlich der Lebensmittelzusatzstoffe, gilt dies erst für Teilbereiche.
Die 7. Änderungsrichtlinie zur Richtlinie 67/548/EWG des Rates vom 27. Juni 1967 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe (ABl. EG Nr. L 196 S. 1) wurde am 30. April 1992 verabschiedet. Sie enthielt jedoch keine Aktualisierung der in Anhang V der Richtlinie 67/548/EWG vorgeschriebenen Tierversuche.
Die EU-Mitgliedstaaten sehen es als dringend notwendig an, die Einstufungssysteme für die verschiedenen Zwecke oder Kategorien innerhalb eines Landes, zwischen verschiedenen Ländern sowie zwischen internationalen Gremien zu harmonisieren. In diesem Bereich ist das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin intensiv tätig. Aufgrund der biometrischen Grundlagen der in Deutschland mit Förderung des BMBF entwickelten ATC-Methode zur akuten oralen Toxizitätsprüfung (siehe Abschnitt XV.4.4) sollen dabei die Tierzahlen bei der akuten dermalen und inhalativen Toxizitätsprüfung in den EG-Richtlinien vermindert werden.
Das Europäische Zentrum zur Validierung von Alternativmethoden (ECVAM) wurde 1992 im europäischen Forschungszentrum JRC (Joint Research Center) in Ispra (Italien) gegründet. ECVAM wird durch einen wissenschaftlichen Beirat unterstützt (Scientific Advisory Committee; ESAC), in dem Sachverständige aus Industrie, Tierschutz und Wissenschaft vertreten sind. Der offizielle Vertreter Deutschlands in diesem Gremium ist der Leiter von ZEBET. ECVAM koordiniert die nationalen Aktivitäten zur Entwicklung und Validierung toxikologischer Prüfmethoden innerhalb der EU und setzt sich für die Anerkennung der neuen Methoden außerhalb der EU ein, insbesondere in den USA und Japan. Unter Federführung von ECVAM wurden in der EU Regeln für die experimentelle Validierung behördlicher, toxikologischer Prüfmethoden erarbeitet und publiziert. Diese Grundsätze (guidelines) für die experimentelle Validierung wurden inzwischen von den Behörden der USA und Japans in ähnlicher Weise übernommen und von der OECD harmonisiert.
ECVAM hat seit 1994 zur Identifizierung des Forschungs- und Entwicklungsbedarfes auf dem Gebiet der Alternativmethoden zu Tierversuchen 38 "Workshops" veranstaltet. Die Empfehlungen dieser Workshops haben bei der Schwerpunktsetzung für die Forschungsförderung seitens des Wissenschaftlichen Beirats höchste Priorität. Die ECVAM Forschungsprojekte werden im Amtsblatt der EG öffentlich ausgeschrieben. Bei den geförderten Projekten wird eine finanzielle Eigenbeteiligung erwartet.
Experimentelle Validierung
Zu Beginn der 90er Jahre gab es keine international verbindlichen Richtlinien zur experimentellen Validierung toxikologischer Prüfmethoden. Deshalb haben ECVAM und ZEBET in Europa maßgeblich die Erarbeitung von Richtlinien zur Validierung behördlich vorgeschriebener toxikologischer Prüfverfahren vorangetrieben und die Diskussion mit Wissenschaftlern der zuständigen Behörden in Japan und den USA in Gang gesetzt. Validierung wird danach nicht nur als die experimentelle Überprüfung der Reproduzierbarkeit eines Tests in verschiedenen Laboratorien definiert, sondern erfordert außerdem den Nachweis der Relevanz des Tests für ein spezielles Gebiet der Toxikologie. Dieser Nachweis wird üblicherweise mit einem biometrisch fundierten Prädiktionsmodell geführt, mit dessen Hilfe die Korrelation der In-vitro-Daten mit den in vivo an Mensch oder Tier beobachteten toxischen Effekten belegt wird. Ein weiteres wesentliches Element der Validierung ist die Phase der Prävalidierung, in der das Testprotokoll und seine Anwendung optimiert werden.
1996 haben sich Experten aller OECD Mitgliedstaaten auf gemeinsame wissenschaftliche Grundsätze zur Validierung und behördlichen Akzeptierung von tierversuchsfreien toxikologischen Testmethoden geeinigt. Nach dem Grundsatz der "mutual acceptance of data" müssen in Zukunft alle OECD Mitgliedstaaten Zulassungsunterlagen von Chemikalien akzeptieren, deren toxikologische Daten mit In-vitro-Methoden erzielt wurden, die nach den Empfehlungen der OECD validiert wurden.
Anerkennung validierter In-vitro-Methoden für behördliche Zwecke
Seit 1997 ist in der EU für die formale Anerkennung experimentell validierter toxikologischer Prüfmethoden der Wissenschaftliche Beirat von ECVAM zuständig. Wenn eine neue Methode von diesem Gremium akzeptiert wurde, muß sie in den EU-Mitgliedstaaten bei sicherheitstoxikologischen Prüfungen grundsätzlich angewendet werden. Allerdings entscheidet die Europäische Kommission aufgrund des Spektrums der in der Validierungsstudie geprüften Stoffe, ob die neue Methode für die Einstufung und Kennzeichnung uneingeschränkt oder nur in Kombination mit anderen Prüfmethoden eingesetzt werden kann. Bisher wurden vom Wissenschaftlichen Beirat von ECVAM In-vitro-Tests für die Phototoxizitätsprüfung und für die Einstufung von Stoffen mit ätzender Wirkung auf der Haut akzeptiert.
5.5 Bundesrepublik Deutschland
5.5.1 BMBF-Förderschwerpunkt "Ersatzmethoden zum Tierversuch"
Zielsetzung
Im Programm "Biotechnologie 2000" werden in dem speziellen Förderschwerpunkt "Ersatzmethoden zum Tierversuch" Forschungsvorhaben gefördert, deren zentrale Zielsetzung es ist, Methoden zum Ersatz und zur Reduktion von Tierversuchen sowie zur Verminderung der versuchsbedingten Belastung der eingesetzten Tiere zu erarbeiten. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung von Ersatzmethoden für gesetzlich vorgeschriebene Tierversuche und internationalen Erfordernissen entsprechenden Validierungen (Nachweis von Relevanz und Reproduzierbarkeit in verschiedenen Labors) bereits erfolgreich entwickelter Alternativmethoden. Die Förderung erfolgt im Sinne des 3-R-Konzeptes: Replacement (Ersatz), Reduction (Reduktion), Refinement (Verringerung der Belastung für die eingesetzten Versuchstiere). Grundlage dieser Förderaktivität ist zur Zeit die Bekanntmachung der Förderrichtlinien "Ersatzmethoden zum Tierversuch" vom 17. Juni 1998 (BAnz. Nr. 117 vom 30. Juni 1998).
Die geförderten Vorhaben nutzen ein breites Spektrum moderner Methoden und Verfahren aus verschiedenen biomedizinischen und mathematisch-naturwissenschaftlichen Disziplinen. Von besonderer Bedeutung ist der Einsatz von Kulturen tierischer und menschlicher Zellen, biochemischer, immunologischer, molekularbiologischer und physiko-chemischer Methoden sowie computergestützter und biometrischer Verfahren.
Der Förderschwerpunkt "Ersatzmethoden zum Tierversuch" ist in seiner Art weltweit einzigartig und die aufwendigste staatliche Fördermaßnahme mit dieser Zielsetzung. Von 1980 bis Ende 1997 wurden vom BMBF 126,8 Millionen DM an Fördermitteln eingesetzt. Insgesamt wurden bis Ende 1998 221 Forschungsvorhaben bewilligt. Für die Jahre 1999 und 2000 stehen pro Jahr etwa 9,5 Millionen DM zur Verfügung (mittelfristige Finanzplanung).
Durch die geförderten Vorhaben wurden bereits auf vielen Gebieten Grundlagen für eine erhebliche Einsparung an Versuchstieren erarbeitet. Es ist zu erwarten, daß sich die positiven Auswirkungen längerfristig durch eine breitere Umsetzung der Ergebnisse noch wesentlich verstärken werden.
Struktur der Förderung
Die Förderung zielt auf eine konkrete Umsetzung der Forschungsergebnisse in die Praxis ab. Deshalb sind Forschungsvorhaben so zu strukturieren, daß deren Ergebnisse bei potentiellen Anwendern insbesondere aus der Industrie eingesetzt werden können und damit zu einer deutlichen Reduktion von Tierversuchen beitragen. Die Vorhaben werden daher in der Regel in Kooperation mit Anwendern aus der Industrie in Form von Verbundvorhaben und, soweit gesetzlich geforderte Tierversuche betroffen sind, in Kooperation oder Abstimmung mit den zuständigen deutschen und internationalen Zulassungsbehörden und anderen relevanten Gremien (zum Beispiel der Arzneibuchkommission) durchgeführt.
Enge Koordination besteht mit den für relevante Rechtsbereiche zuständigen Bundesbehörden sowie mit ZEBET, der Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch. ZEBET arbeitet seinerseits eng mit dem Europäischen Zentrum für die Validierung von Alternativmethoden (ECVAM) zusammen. Diese Maßnahmen zielen darauf ab, den Informationsaustausch national und international zu verbessern und den Transfer der Ergebnisse zu optimieren.
Ergebnisse und Erfolge bisher geförderter BMBF-Projekte
Die bisher durchgeführten Vorhaben lieferten Beiträge zur Entwicklung, Erprobung und Validierung von Ersatzmethoden unter anderem für folgende Einsatzgebiete
pharmakologisch / toxikologisches Wirkstoff-Screening,
Prüfung chemischer Substanzen auf toxische, erbgutverändernde und fruchtschädigende Wirkungen,
Untersuchung des Metabolismus und der Wirkungsmechanismen von Pharmaka,
Wirksamkeitsprüfung und Qualitätskontrolle von Impfstoffen und biologischen Arzneimitteln wie Immunseren,
Herstellung polyklonaler und monoklonaler Antikörper.
Eine entsprechende Anerkennung von Alternativmethoden ist in einigen Fällen bereits erfolgt.
Die Ergebnisse des vom PEI durchgeführten Projekts "Tierschutzaspekte bei der Prüfung von Immunpräparaten", die 1997 in englischer Sprache publiziert wurden, lassen erwarten, daß die aufgezeigten Möglichkeiten für tierschutzrelevante Verbesserungen der entsprechenden Monographien zu einer erheblichen Einsparung von Tierversuchen bzw. einer Belastungsverminderung für die eingesetzten Versuchstiere führen.
Das seit 1992 in zwei Phasen geförderte Kooperationsvorhaben zur Standardisierung und Validierung eines Zellkulturtests als Ersatzmethode zu dem im Wasserhaushaltsgesetz vorgeschriebenen Fischtest nach DIN 38412, Teil 31 konnte abgeschlossen werden. Die wesentlichen Resultate können wie folgt zusammengefaßt werden: Es stellte sich heraus, daß der Zellkulturtest mit der RTG-2-Zellinie (Fischzellen) gegenüber dem Fischtest eine niedrigere Empfindlichkeit aufweist. Tests, die wie der RTG-2-Test eine zu geringe Sensitivität, aber eine sehr hohe Spezifität aufweisen (das heißt in diesem Fall: deutliche Zytotoxizität bedeutete immer Fischtoxizität), sind jedoch allein nicht zum vollständigen Ersatz eines Tierversuches geeignet; sie müßten in Teststrategien eingebaut werden (siehe auch Abschnitt XV.4.1).
Das 1996 angelaufene umfangreiche Verbundvorhaben zur "Nutzung hepatischer Funktionen für In-vitro-Verfahren zur Prüfung von Stoffen mit dem Ziel der Einsparung von Tierversuchen" wird seit März 1998 in einer zweiten Phase gefördert. Die langfristige Zielsetzung ist dabei, in enger Kooperation zwischen Arbeitsgruppen aus nicht industriellen Forschungseinrichtungen und Industrieunternehmen geeignete In-vitro-Systeme, die leberspezifische Funktionen abbilden, im Hinblick auf den industriellen Einsatz zu optimieren, zu standardisieren, für anwendungsbezogene Fragestellungen zu adaptieren und zu validieren. Gegebenenfalls kann damit auch die Basis zur Änderung von Prüfrichtlinien im gesetzlichen Bereich geschaffen werden. Es zeichnet sich schon jetzt ab, daß hierdurch langfristig bei der industriellen Substanzentwicklung und -prüfung eine erhebliche Einsparung von Tierversuchen möglich sein wird.
Die Auswirkungen des Förderschwerpunktes "Ersatzmethoden zum Tierversuch" auf die Reduktion von Tierversuchen bzw. die Verminderung der Belastung von Tieren in Versuchen geht weit über die bei den beteiligten Arbeitsgruppen unmittelbar erzielten Erfolge hinaus, da die Ergebnisse allgemein zugänglich sind und von allen potentiellen Anwendern genutzt werden können. Eine unmittelbare direkte Nutzung ist in den Bereichen möglich, in denen nicht gesetzlich vorgeschriebene Tierversuche betroffen sind, zum Beispiel im pharmakologischen Wirkstoffscreening.
Der Förderschwerpunkt leistet zusätzlich auch dadurch einen wesentlichen Beitrag im Sinne des Tierschutzes, daß er bei den forschenden Institutionen das Bewußtsein für diese Zielsetzung verstärkt und entsprechende Aktivitäten initiiert, auch im internationalen Bereich. Einige Vorhaben leisteten inzwischen bereits wesentliche Anstöße zur Bearbeitung von Validierungsvorhaben und zur Durchführung von Workshops, insbesondere auf europäischer Ebene. In diesem Zusammenhang wurde bereits frühzeitig die Bedeutung biometrischer Verfahren für Ringversuche und Validierungsstudien erkannt und in die Förderung einbezogen.
5.5.2 Förderung aus anderen Mitteln
BMG schreibt seit 1981 jährlich einen Forschungspreis zur Förderung methodischer Arbeiten mit dem Ziel der Einschränkung und des Ersatzes von Tierversuchen aus. Der Preis ist mit 30.000 DM dotiert und wird für wissenschaftliche Arbeiten zur Weiterentwicklung pharmakologisch-toxikologischer Untersuchungsverfahren vergeben, wie zum Beispiel zur Bestimmung der akuten, subchronischen und chronischen Toxizität, der erbgutverändernden, tumorerzeugenden, fruchtbarkeits- und fruchtschädigenden Eigenschaften sowie für solche Arbeiten, die der Verminderung von Tierversuchen dienen.
Forschungspreise mit ähnlichen Zielen wie denjenigen des Forschungspreises des BMG werden in der Bundesrepublik Deutschland von folgenden Institutionen vergeben:
Erna-Graff-Stiftung für Tierschutz,
Felix-Wankel-Stiftung (Vergabe durch das Dekanat der Tierärztlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität in München),
Verband der Niedersächsischen Tierschutzvereine (Ilse-Richter-Preis),
Freunde und Förderer der Veterinärmedizin an der Freien Universität Berlin e. V. (Wilma-von-Düring-Forschungspreis),
Vereinigung "Ärzte gegen Tierversuche e. V.", Frankfurt, und "Bürger gegen Tierversuche Hamburg e. V." (Herbert-Stiller-Preis),
Forschungspreis des Landes Nordrhein-Westfalen (Vergabe durch die Rheinisch-Westfälische Akademie der Wissenschaften),
Hans-Theo-Schreurs-Gedächtnispreis (Industrieverband Körperpflege und Waschmittel e. V. (IKW)),
Tierschutz-Forschungspreis des Deutschen Tierschutzbundes (Deutscher Tierschutzbund).
Ergänzend zu diesen und anderen Aktivitäten hat die Bundesregierung 1986 zusammen mit Verbänden der Industrie und des Tierschutzes die "Stiftung zur Förderung der Erforschung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zur Einschränkung von Tierversuchen (SET)" ins Leben gerufen.
Von den über 100 Anträgen, die bei der Stiftung eingegangen sind, konnten 41 Forschungsvorhaben und andere Projekte wie Kurse, Symposien, Workshops und Doktorandenarbeiten finanziell unterstützt werden. Bei der Vergabe der Mittel setzt die Stiftung ihre Förderung vornehmlich dort an, wo nicht auf öffentliche Mittel zurückgegriffen werden kann.
Ein besonderes Anliegen der Stiftung ist die Verbreitung der Kenntnisse und Anwendung von Alternativmethoden in Labors der Industrie und Wissenschaft. Deshalb unterstützt und ermutigt sie auch derartige Weiterbildungsmaßnahmen, wie zum Beispiel die 1998 mehrfach von der Medizinischen Universitätsklinik in Tübingen angebotenen und durchgeführten Kurse über "Humane Gefäßwandzellen in Mono- und Co-Kulturen für pharmakologische Prescreening-Verfahren in der Arterioskleroseforschung". Auch die Fachzeitschrift ALTEX, die sich auf die Verbreitung von Alternativmethoden konzentriert, wird von der Stiftung nachdrücklich gefördert.
Mit ihren Bemühungen hat die Stiftung maßgeblich dazu beigetragen, daß schon zu Beginn eines in Industrie und Wissenschaft geplanten Forschungsvorhabens die Frage nach der möglichen Vermeidung oder Verringerung von Tierversuchen Berücksichtigung findet.
Die Stiftung hat in den letzten acht Jahren ca. 3,7 Millionen DM für die Förderung der verschiedenen Projekte aufgewendet. Die Mittel wurden im wesentlichen von den Verbänden der Chemischen Industrie, des Verbandes der Forschenden Arzneimittelhersteller, des Industrieverbandes Körperpflege- und Waschmittel und des Verbandes der Agrarindustrie zur Verfügung gestellt.
Über die Vergabe der Mittel entscheidet der Stiftungsrat, der sich paritätisch aus Vertretern des Tierschutzes und der Industrie zusammensetzt.
Der größte Teil der von der Stiftung bereitgestellten Mittel wird für Forschungsvorhaben im universitären Bereich vergeben. Nachdem anfangs kaum Anträge aus den neuen Bundesländern eingingen, steht die Stiftung heute mit den Universitäten aller deutscher Bundesländer gleichermaßen in Verbindung. Hier verfolgt die Stiftung das Ziel, durch neue Ansätze nicht nur im speziellen Einzelfall, sondern generell eine Verminderung von Tierversuchen zu erreichen.
Die Bundesregierung hat mehrfach die erfolgreiche Zusammenarbeit von Industrie und Tierschutzorganisationen in der Stiftung gewürdigt und auf eine verstärkte Bereitstellung von Mitteln durch die Industrie hingewirkt. Ihre Mitarbeit ist durch Vertreter der Bundesministerien für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, für Gesundheit sowie für Bildung und Forschung im Kuratorium der Stiftung gewährleistet. Auch die Bundesländer sind in diesem Gremium durch einen Repräsentanten vertreten.
Die Landesregierung Baden-Württemberg hat 1989 das spezielle Förderprogramm "Entwicklung von Alternativmethoden zur Vermeidung von Tierversuchen" eingerichtet. Seit Bestehen dieses Förderprogrammes wurden 36 Forschungsprojekte mit einer Gesamtsumme von rund 4,5 Millionen DM gefördert. Auch für die kommenden Jahre ist hierfür ein jährlicher Mittelansatz von 500.000 DM vorgesehen.
Unter anderem haben die Ergebnisse von Projekten bereits Eingang in internationale Validierungsvorhaben gefunden. Die Ergebnisse von sechs weiteren Projekten werden auch international zur Reduzierung der Anzahl der eingesetzten Versuchstiere angewandt. Die Ergebnisse anderer Projekte finden bundesweit oder in bestimmten Einrichtungen Anwendung. Alle diese Projekte haben in unterschiedlicher Größenordnung zur Reduzierung der benötigten Versuchstiere geführt. Beispielsweise können durch den Einsatz einer der entwickelten Methoden in einem Großunternehmen der pharmazeutischen Industrie Tausende von Versuchstieren eingespart werden.
Rheinland-Pfalz fördert seit 1992 Forschungsvorhaben zur Entwicklung von Ersatzmethoden zu Tierversuchen. Die Ausschreibung richtet sich an in diesem Bundesland tätige Wissenschaftler.
5.5.3 | Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch (ZEBET) |
Die 1989 gegründete "Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch (ZEBET)" im BgVV hat die behördliche Aufgabe, Ersatz- und Ergänzungsmethoden zu Tierversuchen zu erfassen, zu bewerten und ihre Anerkennung zu erreichen. Darüber hinaus ist ZEBET im Rahmen des Vollzuges des Tierschutzgesetzes als Auskunftsstelle für Ersatz- und Ergänzungsmethoden zu Tierversuchen tätig. Eine weitere Aufgabe ist die wissenschaftliche Validierung tierversuchsfreier Methoden, um ihre Aufnahme in internationale sicherheitstoxikologische Prüfrichtlinien zu erreichen. ZEBET nimmt als staatliche Einrichtung international eine Sonderstellung ein, da ähnliche Institutionen im Ausland nur über Spenden oder von Tierschutzorganisationen der Industrie finanziert werden.
Seit 1994 wird die Arbeit von ZEBET von einer Kommission begleitet, deren Mitglieder vom BMG berufen werden. Die Kommission setzt sich zusammen aus Wissenschaftlern der chemisch-pharmazeutischen Industrie, Vertretern von Tierschutzorganisationen sowie eines Vertreters der Länderbehörden, die für die Genehmigung von Tierversuchsvorhaben zuständig sind.
Die Aufgabe von ZEBET umfaßt die drei Arbeitsgebiete "Dokumentation", "Bewertung / Validierung" und "Forschung". Dem entspricht die Gliederung in die Fachgebiete ZEBET 1, 2 und 3. 1995 wurde das Fachgebiet "Spezielle Fragen des Tierschutzes" ZEBET zugeordnet.
Bei ZEBET 1 (DOKUMENTATION) werden Ersatz- und Ergänzungsmethoden zu Tierversuchen in einer Datenbank dokumentiert. Für den Informationsdienst nutzt ZEBET diese Datenbank und führt über DIMDI Recherchen in internationalen Literatur- und Faktendatenbanken durch. 1996 bis 1998 wurden mit Mitteln des BMG die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß die ZEBET-Datenbank künftig über DIMDI "online" in englischer Sprache angeboten werden kann.
ZEBET 2 (BEWERTUNG und VALIDIERUNG) ist gutachterlich tätig und hat die Aufgabe, Validierungsprojekte international in Kooperation mit ECVAM, dem BMBF-Schwerpunkt "Ersatzmethoden zum Tierversuch" und der "Stiftung zur Förderung der Erforschung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zur Einschränkung von Tierversuchen" (SET), dem Deutschen Tierschutzbund, den zuständigen Bundesministerien und der chemisch-pharmazeutischen Industrie zu initiieren und zu koordinieren. Seit 1992 hat ZEBET erfolgreich in Kooperation mit den europäischen Verbänden der pharmazeutisch-chemischen und kosmetischen Industrie internationale Valdierungsstudien konzipiert und sich experimentell an diesen Studien beteiligt. Dafür wurden von ZEBET 1997 und 1998 wiederum Drittmittel von mehr als 3 Millionen DM eingeworben, von denen ein großer Teil in Form von Unterverträgen an die beteiligten Industrielaboratorien weitergegeben wurde.
ZEBET 3 (FORSCHUNG) verfügt seit 1990 über einen eigenen Etat zur Vergabe von Forschungsmitteln für die wissenschaftliche Erarbeitung von Ersatzmethoden zu Tierversuchen in Deutschland. Die Förderungssumme stieg von 1990 bis 1998 kontinuierlich von 400 TDM / Jahr auf 668 TDM / Jahr an. Bis 1998 wurden 53 Projekte mit recht unterschiedlichen Summen gefördert, von denen mehrere national und international mit Tierschutzforschungspreisen ausgezeichnet wurden.
ZEBET selbst wurde 1997 für die erfolgreiche Entwicklung des Embryonalen Stammzelltests - eines In-vitro-Embryotoxizitätstests - und für den erfolgreichen Abschluß einer internationalen Validierungsstudie von In-vitro-Phototoxizitätstests mit zwei renommierten, internationalen Forschungspreisen ausgezeichnet, dem "Russel and Burch Award" der Humane Society in den USA und dem Europäischen Tierschutzforschungspreis der Internationalen Stiftung zur Abschaffung der Tierversuche, FISEA, in Luxemburg.
5.5.3.1 Dokumentation und Information
Dokumentation
Die ZEBET-Datenbank wird in Abschnitt XV.6 ausführlich beschrieben.
Informationsdienst
Im Rahmen des Vollzuges des Tierschutzgesetzes nimmt ZEBET auf Anfragen von Länderbehörden zu Anträgen auf Genehmigung oder Anzeigen von Versuchsvorhaben gutachterlich Stellung und fertigt auf dem Wege der Amtshilfe in strittigen Fällen Gutachten an. Darüber hinaus beantwortet ZEBET auch Anfragen von Wissenschaftlern, Tierschutzbeauftragten und anderen Interessierten zur Anwendung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zu Tierversuchen. Außerdem ist ZEBET in die wissenschaftliche Begutachtung von nationalen und internationalen Forschungsprojekten und von Tierschutz-Forschungspreisen eingebunden, die die Entwicklung oder Validierung von Alternativmethoden zum Ziel haben. Die Beratung von Behörden bei der Erfüllung tierschutzrechtlicher Vorschriften besitzt für ZEBET die höchste Priorität.
ZEBET nutzt für den Informationsdienst
die eigene ZEBET-Datenbank über Ersatz- und Ergänzungsmethoden (siehe Abschnitt 6),
Berichte, Protokolle und Literatur, über die ZEBET aufgrund der Tätigkeit in nationalen und internationalen Validierungsprojekten, in Normenausschüssen und anderen Arbeitsgruppen verfügt,
Recherchen in nationalen und internationalen biomedizinischen Literatur- und Faktendatenbanken über DIMDI.
In der Zeit von 1990 bis 1998 wurden von ZEBET insgesamt 1.768 Anfragen beantwortet. Die Abbildung zeigt für 1998 die prozentualen Anteile einzelner Institutionen an den insgesamt 448 Anfragen. Die Hälfte der Anfragen kam aus der Industrie, von Universitäten und Forschungszentren, das heißt dem experimentellen Bereich. Die Anzahl der Anfragen von Laboratorien zu methodischen Details, die neue Methoden etablieren möchten, ist angestiegen. Der Grund für diese Entwicklung ist die zunehmende Anzahl von sicherheitstoxikologischen In-vitro-Prüfmethoden, deren experimentelle Validierung von ZEBET im Auftrag der EU koordiniert wurde.
Abbildung
5.5.3.2 Bewertung und Validierung
Empfehlungen zur Anwendung von Alternativmethoden für behördliche Zwecke
ZEBET beteiligt sich innerhalb der Nachfolgeinstitute des BGA bei der Vorbereitung neuer Rechtsvorschriften, bei denen die Tierversuchsproblematik berührt wird, durch Stellungnahmen und koordinierende Tätigkeiten (zum Beispiel Novellierungen der EU-Richtlinien für kosmetische Mittel, für Arzneimittel, für Biozide und beim Tierschutzgesetz).
Auf drei wichtigen Gebieten hat ZEBET in Kooperation mit den jeweils zuständigen Bundesbehörden Gutachten und Empfehlungen zur Anwendung von Alternativmethoden für behördliche Zwecke publiziert, nämlich zur Notwendigkeit von Hundeversuchen bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln (Anmerkung 17) sowie zum Ersatz von Tierversuchen bei sicherheitstoxikologischen Prüfungen von Arzneimitteln und Medizinprodukten.
Von besonderer Bedeutung ist auch die in Kooperation mit dem BfArM und dem PEI erarbeitete und 1998 im Bundesgesundheitsblatt publizierte Empfehlung "Möglichkeiten des Einsatzes von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch bei der Entwicklung und Zulassung von Arzneimitteln" (Anmerkung 18).
Außerdem wurden bei ZEBET im Berichtszeitraum im Rahmen einer Promotion die Möglichkeiten zum Ersatz von Tierversuchen bei der sicherheitstoxikologischen Prüfung von Medizinprodukten untersucht. Tierversuche auf diesem Gebiet sind national in DIN-Normen und international in EN- und ISO-Normen festgeschrieben. Die Ergebnisse der Untersuchung mit Vorschlägen zum Ersatz eines großen Teils der bisher üblichen Tierversuche wurden ebenfalls veröffentlicht (Anmerkung 19).
Beteiligung an nationalen und internationalen Validierungsprojekten zu Alternativmethoden
Im Rahmen der behördlichen Aufgabe, Ersatz- und Ergänzungsmethoden zu Tierversuchen, insbesondere für behördlich vorgeschriebene Tierversuche, zu entwickeln, war ZEBET im Berichtszeitraum wiederum in die Koordinierung nationaler und internationaler Validierungsprojekte eingebunden. Nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Konzept für die Akzeptierung von Ersatzmethoden zu Tierversuchen müssen diese unter Routinebedingungen in verschiedenen Labors dieselben Ergebnisse erbringen. Außerdem müssen die Ergebnisse in ähnlicher Weise wie die bisherigen Tierversuche die toxischen Eigenschaften chemischer Stoffe so erfassen, daß diese behördlich eingestuft und gekennzeichnet werden können. Aufgrund des aktuell geltenden EG-Rechts sollen im Bereich der Entwicklung von Kosmetika vom 01.07.2000 an keine Tierversuche mehr durchgeführt werden. Deswegen steht die Validierung von Ersatzmethoden für lokale Wirkung an Haut und Augen im Vordergrund der Bemühungen um den Ersatz von Tierversuchen in Europa. ZEBET hat seit der Gründung 1989 eng mit der deutschen und europäischen Kosmetikindustrie sowie mit der chemisch-pharmazeutischen Industrie bei der Validierung tierversuchsfreier toxikologischen Prüfmethoden kooperiert. Im Berichtszeitraum hat ZEBET die folgenden Validierungsstudien konzipiert und sich an deren Management und Durchführung beteiligt:
Validierungsprojekt "In-vitro-Phototoxizität"
ZEBET koordiniert seit 1992 für die DG XI der Europäischen Kommission bzw. für ECVAM sowie für den europäischen Kosmetikverband COLIPA eine Validierungsstudie von In-vitro-Methoden zur Erfassung phototoxischer Eigenschaften chemischer Stoffe. In dieser Validierungsstudie zeigte als einziger In-vitro-Phototoxizitätstest der bei ZEBET entwickelte 3T3 NRU PT gute Reproduzierbarkeit und Korrelation mit den in vivo ermittelten bekannten phototoxischen Eigenschaften der 30 Prüfsubstanzen.
Aufgrund dieses positiven Ergebnisses haben am 1. Oktober 1997 ECVAM und sein wissenschaftlicher Beirat empfohlen, daß dieser In-vitro-Phototoxizitätstest zur Prüfung von Stoffen auf ihr phototoxisches Potential uneingeschränkt in EU-Mitgliedstaaten eingesetzt werden kann. Inzwischen haben auch die Dienststellen der Kommission, die für die Zulassung bzw. Vermarktung pharmazeutischer und kosmetischer Präparate sowie für die toxikologische Beurteilung chemischer Stoffe zuständig sind, den 3T3-NRU-PT-Test als offizielle EU-Prüfmethode anerkannt. Voraussetzung hierfür war der erfolgreiche Abschluß einer zusätzlichen Studie mit zehn UV-Filterstoffen, die mit dem neuen Testverfahren auf ihre phototoxischen Eigenschaften zu überprüfen waren (Anmerkung 20).
Die Europäische Kommission hat im September 1998 den Entwurf einer Prüfrichtlinie zur
Prüfung auf phototoxische Eigenschaften bei der OECD eingereicht, die auf dem
3T3-NRU-PT-Test basiert. Wenn die OECD diese Prüfrichtlinie akzeptiert, ist der
3T3-NRU-PT-Test der erste erfolgreich experimentell validierte In-vitro-Toxizitätstest,
der in die offizielle Sammlung der OECD-Prüfrichtlinien aufgenommen und auf diese Weise
weltweit anerkannt wird.
Nach Abschluß des internationalen Prävalidierungsprojekts zur Erfassung ätzender Eigenschaften von chemischen Stoffen und Zubereitungen an der Haut wurde Anfang 1996 eine von ECVAM finanzierte formale Validierungsstudie mit vier Testsystemen begonnen. In dieser Validierungsstudie war ZEBET im Management-Team vertreten und nahm gleichzeitig als sog. "leading laboratory" für den Test mit künstlicher menschlicher Haut teil.
Der experimentelle Teil der Validierungsstudie umfaßte vier In-vitro-Testsysteme, und zwar den "rat skin Transcutaneous Electrical Resistance (TER)"-Test, CORROSITEX, einen Test mit dem künstlichen menschlichen Hautmodell (Skin² ZK 1350) und einen Test mit künstlicher menschlicher Epidermis (EPISKIN). Das Ergebnis der Studie läßt sich wie folgt kurz zusammenfassen: Alle vier In-vitro-Testsysteme zeigten eine ausreichende bis hervorragende Reproduzierbarkeit, jedoch erfüllten nur zwei Testsysteme die Akzeptanzkriterien für die notwendige Korrelation mit den In-vivo-Daten (TER-Test, EPISKIN).
Das ECVAM Scientific Advisory Committee (ESAC) hat sich der positiven Bewertung des TER und EPISKIN als wissenschaftlich validierte Tests angeschlossen und diese für die regulatorische Anwendung empfohlen. Die zuständigen Dienststellen der Kommission haben gleichlautende Stellungnahmen zur Validität der Tests abgegeben.
In einer abschließenden, von ECVAM initiierten Evaluierungsstudie, an der sich ZEBET auch beteiligt hat (Anmerkung 21), wurden alle Informationen über die 60 Stoffe zusammengetragen, die nach dem gegenwärtigen von der OECD verabschiedeten Stufenschema zur Klassifizierung ätzender
Eigenschaften verwendet werden können (Struktur-Wirkungs-Beziehung, pH-Wert, Säure-
und Basenstärke, validierte In-vitro-Tests und schließlich der Test am Kaninchen). Die
Studie ergab, daß der Test am Kaninchen für die Vorhersage ätzender Eigenschaften von
Stoffen nicht mehr nötig ist.
1997 wurde unter der Federführung von ZEBET mit einer von ECVAM finanzierten Studie zur Prävalidierung und Validierung von drei In-vitro-Embryotoxizitätstests begonnen. Bei den Tests handelt es sich um die In-vitro-Kultur ganzer Rattenembryonen (WEC = whole embryo culture), um die Kultur von Zellen aus den Extremitätenknospen von Rattenembryonen (MM = Micromass) und um den embryonalen Stammzelltest (EST), in dem embryonale, totipotente Stammzellen (ES-Zellen) verwendet werden.
ZEBET führte als leitendes Labor den embryonalen Stammzelltest (EST) durch.
Eine Unterscheidung zwischen zytotoxischen und differenzierungsabhängigen Effekten war nur mit diesem Test möglich. Mit Hilfe des Prädiktionsmodells für den EST wurden unter bestimmten Bedingungen alle fünf Substanzen korrekt eingestuft.
Die Studie wird 1998 bis 1999 mit der formalen Validierung der drei Tests fortgesetzt. Hierfür steht ein Etat von 900.000 ECU für einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren zur Verfügung. An der Validierung werden insgesamt zwölf Laboratorien beteiligt sein; es sind jeweils vier Labors für jede Testmethode vorgesehen. Nach Verbesserung der Testprotokolle (SOPs) und Prädiktionsmodelle sollen 20 Testsubstanzen unter blinden Bedingungen getestet werden.
5.5.3.3 Forschung
Die Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch (ZEBET) hat neben der systematischen Erfassung bereits veröffentlichter Methoden die Entwicklung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch zu evaluieren. Hohe Priorität hat der Ersatz von Tierversuchen in behördlichen Anmelde- und Zulassungsverfahren, wie zum Beispiel in OECD-Richtlinien und im Europäischen Arzneibuch, in denen Tierversuche vorgeschrieben sind. Der Einsatz neuer Methoden in der Zell- und Gewebekultur, Immunologie, Analytik oder der Computersimulation wird dabei angestrebt. Es ist das vorrangige Ziel, die In-vitro-Methoden soweit zu entwickeln, daß sie in internationalen Ringversuchen validiert werden können.
1997 und 1998 wurden 15 Forschungsprojekte gefördert sowie zwei Werkverträge im Rahmen der Bewertung von Alternativmethoden vergeben, dafür standen in den beiden Haushaltsjahren jeweils Förderungsmittel in Höhe von 656.000 DM zur Verfügung. Die Vergabe der Forschungsmittel für die wissenschaftliche Erarbeitung von Tierversuchsersatzmethoden berücksichtigt die Forschungsförderung des Europäischen Zentrums für die Validierung von Alternativmethoden (ECVAM), des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), der Stiftung zur Förderung der Erforschung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zur Einschränkung von Tierversuchen (SET) sowie die Mittelvergabe einiger Bundesländer. ZEBET fördert vor allem die Entwicklung neuer In-vitro-Methoden, die den Ersatz behördlich vorgeschriebener Tierversuche versprechen. Die Ausschreibung erfolgt dabei öffentlich. Die Förderung erfolgt durchschnittlich über zwei Jahre, und es werden Projekte bevorzugt, die den Ersatz von stark belastenden Tierversuchen zum Ziel haben. Im Idealfall kann eine Methode durch die ZEBET-Förderung soweit standardisiert werden, daß sie anschließend direkt in einer Validierungsstudie des Bundesforschungsministeriums BMBF oder der EU auf ihre Einsatzmöglichkeit im toxikologischen Routinelabor experimentell geprüft werden kann. Viele der von ZEBET geförderten Projekte waren so erfolgreich, daß sie mit internationalen Preisen ausgezeichnet wurden. Die Publikation der Ergebnisse erfolgt üblicherweise in der einschlägigen wissenschaftlichen Literatur.
ZEBET fördert auch die gutachterliche Bewertung toxikologischer Daten aus Industrie und Zulassungsbehörden, um vielfach geäußerte Vorschläge zum Verzicht auf bestimmte behördlich vorgeschriebene Tierversuche wissenschaftlich zu analysieren, wie zum Beispiel toxikologische Studien an Hunden. Industrie und Behörden sind derzeit auf internationaler Ebene nur bereit, Tierversuche durch tierversuchsfreie Methoden zu ersetzen, wenn mit biostatistischen Methoden die Gleichwertigkeit der neuen Methoden mit Tierversuchen nachgewiesen wird. Zur statistischen Absicherung der Korrelation von In-vitro- und In-vivo-Daten müssen biometrische Verfahren entwickelt und verbessert werden. Deshalb fördert ZEBET bei der Entwicklung und Validierung tierversuchsfreier Methoden insbesondere biometrische Studien, um die behördliche Akzeptierung der neuen Methoden zu beschleunigen.
Im Berichtszeitraum wurden im Gegensatz zu den vorangehenden Jahren erstmals zwei Dienstleistungsverträge zur Anpassung der ZEBET-Datenbank an die formalen Vorgaben von DIMDI (Datenbank des Deutschen Institutes für Medizinische Dokumentation und Information) vergeben. Dazu gehört auch die Erstellung der ZEBET-Methoden in englischer Sprache. Diese Anpassung ist die Voraussetzung dafür, daß die ZEBET-Datenbank in Zukunft weltweit in englischer Sprache online über DIMDI angeboten werden kann.
Entwicklung und Standardisierung des embryonalen Stammzelltests (EST)
Im ZEBET-Forschungslabor wurde ein In-vitro-Embryotoxizitätest entwickelt, in dem der Einfluß von Prüfsubstanzen auf die Differenzierung embryonaler Stammzellen (ES) der Maus geprüft wird. Der embryonale Stammzelltest (EST), in dem eine permanente Zellinie benutzt wird, ist der einzige etablierte In-vitro-Embryotoxizitätstest, bei dem zur Gewinnung der embryonalen Zellen keine trächtigen Tiere getötet werden müssen. Im Jahr 1997 wurde ZEBET für die Entwicklung des EST mit dem Europäischen Tierschutzforschungspreis der FISEA in Luxemburg ausgezeichnet. Aufgrund der vielversprechenden Ergebnisse wird der EST 1998 bis 1999 zusammen mit drei anderen In-vitro-Embryotoxizitätstest in einem ECVAM-Validierungsprojekt auf seine Reproduzierbarkeit unter blinden Bedingungen geprüft.
Entwicklung eines Keimzellgenotoxizitätstests mit embryonalen Stammzellen
Die Wirkung genotoxischer Effekte auf die Stammzellen männlicher und weiblicher Keimzellen kann beim Säugetier bisher nur in sehr aufwendigen Mäusefellfleckentests untersucht werden, die sich über mehrere Generationen erstrecken und den Einsatz von mehr als 1.000 Mäusen erforderlich machen. Aufgrund der Erfahrungen mit der schwierigen In-vitro-Kultur embryonaler Stammzellen (ES) der Maus führt ZEBET seit 1998 mit Unterstützung des BMBF ein Projekt zur Etablierung von ES-Zellinien der Maus mit den Eigenschaften männlicher und weiblicher Keimzellen durch. Die Isolierung, Klonierung und Kultur der ersten ES-Zellinien von Keimzellen ist bereits gelungen. Diese werden jetzt für ihre Eignung zum Einsatz in einem Genotoxizitätstest geprüft.
6 | Datenbanken |
Zu den Möglichkeiten, die Durchführung unnötiger Tierversuche zu vermeiden, zählten neben der Einführung entsprechender Zweitanmelderregelungen in den einschlägigen Rechtsvorschriften (siehe Abschnitt XV.4.2, 4.4, 4.6 und 4.8) der Ausbau und die verbesserte Nutzung vorhandener Datenbanken. Eine besondere Rolle spielt in diesem Zusammenhang das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) in Köln. Das Institut stellt ein umfangreiches Angebot an Literatur- und Faktendatenbanken mit tierschutzrelevanten Informationen bereit. Dieses Informationsangebot steht jedermann im In- und Ausland zur Verfügung.
ZEBET-Datenbank
Die ZEBET-Datenbank, die voraussichtlich ab 1999 über DIMDI online in englischer Sprache angeboten wird, stellt Informationen über Ersatz- und Ergänzungsmethoden und die Möglichkeiten ihrer Anwendung zur Verfügung. Es sind Informationen, die beispielsweise von Wissenschaftlern, Tierschutzbeauftragten und den Vertretern der für die Genehmigung und Anzeige zuständigen Länderbehörden zur Vorbereitung bzw. Begutachtung wissenschaftlicher Versuchsvorhaben genutzt werden können.
Die Voraussetzung für den Online-Anschluß der ZEBET-Datenbank ist die Bereitstellung wissenschaftlich bewerteter Informationen. Das entscheidende Kriterium zur Aufnahme einer Methode in die ZEBET-Datenbank ist dabei, ob durch die Anwendung der Methode das Leiden der Tiere vermindert (Refinement) und die Anzahl der Versuchstiere reduziert (Reduction) wird oder Tierversuche ersetzt (Replacement) werden. Darüber hinaus wird auch der Entwicklungsstand der jeweiligen Methode bewertet. Dazu wird zwischen Entwicklung (Development), Validierung (Validation) und Anerkennung (Acceptance) einer Methode unterschieden. Um Tierversuche entsprechend dem 3R-Konzept von Russel und Burch (1959) zu reduzieren oder zu ersetzen, ist der experimentelle wissenschaftliche Nachweis zu führen, daß die neue Methode tatsächlich in der Lage ist, den bestehenden Versuch zu ersetzen. Dieses als experimentelle Validierung bezeichnete Verfahren wurde für Alternativmethoden in der Toxikologie entwickelt und publiziert. Die ZEBET-Datenbank hat die Kriterien der Validierung in der Toxikologie zur Bewertung des Entwicklungsstandes von Ersatz- und Ergänzungsmethoden auch anderer Fachgebiete übernommen. Mit Hilfe dieser Bewertung werden den Nutzern der ZEBET-Datenbank Informationen über die tatsächlichen Möglichkeiten des Einsatzes von Alternativmethoden zu spezifischen Tierversuchen zur Verfügung gestellt. Die Bewertung der Methoden für die ZEBET-Datenbank erfolgt durch Wissenschaftler anhand der verfügbaren Publikationen zu den Methoden.
Die Informationen der ZEBET-Datenbank betreffen die verschiedensten Fachgebiete, wie zum Beispiel Pharmakologie, Toxikologie, Bakteriologie, Virologie, Parasitologie, Immunologie, Neurologie, Krebsforschung und Tierzucht. Es handelt sich um Ersatz- und Ergänzungsmethoden, die in der Forschung, aber auch im Rahmen des Gesetzesvollzuges verwandt werden. In der ZEBET-Datenbank wird für jede Ersatz- und Ergänzungsmethode ein Dokument in englischer Sprache verwaltet. Die Dokumente enthalten in einzelnen Datenfeldern folgende Informationen:
Bezeichnung
Schlagwörter
Zusammenfassung: Beschreibung des Einsatzgebietes der Methode einschließlich wichtiger Informationen zum gesetzlichen Rahmen und der bisher angewendeten Untersuchungsmethoden; Beschreibung des Prinzips der Methode sowie der Begründung für die nachfolgende Bewertung der Methode;
Bewertung der Methode: Werden durch die Anwendung der Methode Tierversuche ersetzt, die Anzahl der Versuchstiere reduziert und / oder das Leiden der Tiere im Experiment vermindert? Welchen Entwicklungsstand hat eine Methode erreicht? Es wird zwischen der Entwicklung, Validierung oder Akzeptanz einer Methode unterschieden;
Vorschriften zur Anwendung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden: Ist eine Ersatz- und Ergänzungsmethode bereits akzeptiert und ihre Anwendung durch ein Gesetz, eine Verordnung oder Norm vorgeschrieben, wird diese Vorschrift bei ZEBET dokumentiert;
Literatur zur Methode: Zur Anfertigung eines Dokumentes wird die aktuelle wissenschaftliche Literatur zur Methode ausgewertet und dokumentiert.
Die ZEBET-Datenbank enthält Unterlagen zu ca. 300 Ersatz- und Ergänzungsmethoden zu Tierversuchen in der experimentellen Biomedizin.
Für ca. 100 Methoden liegen vollständig bearbeitete Dokumente vor. Die Bearbeitung der restlichen Methoden ist noch nicht abgeschlossen. Teilweise ließ die Bewertung der Unterlagen zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Einschätzung der Methode als Alternativmethode im Sinne der 3R nicht zu. Diese bewertende Arbeit muß kontinuierlich weitergeführt werden.
ZEBET ist beratend tätig für die Informationsprojekte von ECVAM und des Johns Hopkins Center for Alternatives to Animal Testing (CAAT, USA).
Das wissenschaftliche Informationssystem von ECVAM
Das ECVAM-Scientific Information System (SIS) wird zukünftig über Internet folgende Datenbanken anbieten:
Die Datenbank für Validierungsstudien hat die Aufgabe, internationale Validierungsstudien zu unterstützen, die von ECVAM koordiniert werden. Es sollen die zur Validierung erforderlichen Informationen und Daten dokumentiert werden und den Teilnehmern von Validierungsstudien Möglichkeiten der Kommunikation eingerichtet werden. Die INVITTOX Datenbank, die von FRAME und der European Group for Alternatives in Toxicity Testing (ERGATT) aufgebaut wurde, wird von ECVAM in Zusammenarbeit mit FRAME und ERGATT weitergeführt.
AltWeb Site des Johns Hopkins Center for Alternatives to Animal Testing (CAAT)
Johns Hopkins University, USA
Seit 1997 bietet das US-amerikanische Zentrum für Alternativmethoden (CAAT) auf seiner Web Site Informationen zum Thema Alternativmethoden über Internet an. Es handelt sich dabei um Informationen über relevante Publikationen, aktuelle Entwicklungen des Tierschutzgesetzes, Meetings, Preise, wichtige Datenbanken oder andere Web Sites. Gleichzeitig ist die Web Site ein Diskussionsforum für Wissenschaftler in den USA. AltWeb richtet sich vor allem an Wissenschaftler, die experimentell an Universitäten oder in Forschungseinrichtungen der Industrie tätig sind. Zu seinen Nutzern zählen aber auch Tierschutzorganisationen, Lehrer, Studenten und Privatpersonen.
AltWeb bemüht sich sehr intensiv um eine Zusammenarbeit mit ECVAM und ZEBET.
Spezielle Datenbanken zur Vermeidung von Doppel- und Wiederholungsversuchen
In der Vergangenheit wurde immer wieder gefordert, eine spezielle Datenbank zur Vermeidung von Doppel- und Wiederholungsversuchen einzurichten. Hierzu sollten Daten über alle den zuständigen Behörden angezeigten oder von diesen genehmigten Versuchsvorhaben bundesweit erfaßt werden. Eine solche Zusammenstellung kann allerdings nur dann zum Ziel führen, wenn die Daten über die einzelnen Versuchsvorhaben sehr detailliert erfaßt und darüber hinaus kontinuierlich aktualisiert werden. In intensiven Beratungen ist man zu der Auffassung gelangt, daß der zu erwartende Erfolg unverhältnismäßig ist, da hiermit - gemessen an der Gesamtzahl der Tierversuche - Einspareffekte nur in äußerst geringem Umfang erzielt werden können. Rechtliche Probleme ergäben sich zudem aus der Tatsache, daß in solch einer Datenbank Versuchsergebnisse mit dem Zweck der Weitergabe an Dritte gespeichert werden müßten. Hiermit wäre eine weitgehende Entwertung des Patentschutzes für Erfindungen verbunden, denen Tierversuche zugrunde liegen. Da sich wissenschaftliche Forschung zudem in internationalem Rahmen abspielt, ist das Konzept einer Erfassung nationaler Daten nicht mehr zeitgemäß. Dies belegen auch die obigen Ausführungen zu Datenbanken über Ersatz- und Ergänzungsmethoden.
Zusammenfassung | |||||
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Anhänge 1, 2, 3, 4, 5, 6-1, 6-2, 6-3, 7 | |||||
Inhaltsverzeichnis | Abkürzungsverzeichnis |
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