V. Gewerblicher Rechtsschutz biotechnologischer Erfindungen

 

Tiere werden zwar nicht als Sachen, sondern als Mitgeschöpfe angesehen, dennoch sind die für Sachen geltenden Vorschriften auch auf Tiere anzuwenden. Das Patent gewährt dem Inhaber ein ausschließliches Nutzungsrecht an der geschützten Sache oder dem geschützten Verfahren. Da es der allgemeinen gesellschaftlichen Auffassung entspricht, dass es legitim ist, Tiere zu besitzen, mit ihnen zu handeln oder sie zu bestimmten Zwecken zu nutzen, wird ein gewerblicher Rechtsschutz für Tiere - bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen - als mit dem Grundsatz des Tierschutzgesetzes (Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf) vereinbar angesehen. Allerdings muss sichergestellt sein, dass eine ethische Abwägung zwischen den Interessen des Menschen und dem Tierschutzanliegen bei der Prüfung auf Erteilung des gewerblichen Rechtsschutzes in jedem Einzelfall stattfindet.

Die rasanten Fortschritte in der Biotechnologie haben dazu geführt, dass der Patentschutz auch bei biotechnologischen Erfindungen eine zentrale Bedeutung erlangt hat. Um Auslegungsfragen beim Schutz für biotechnologische Erfindungen im Patentrecht zu harmonisieren, wurde die Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen (Biopatentrichtlinie ) im Juni 1998 nach zehnjährigen Beratungen gestützt auf Art. 95 EGV verabschiedet. Sie ist mit Veröffentlichung im Amtsblatt am 6. Juli 1998 in Kraft getreten und sieht eine zweijährige Frist für die Umsetzung in nationales Recht (30. Juli 2000) vor.
Die Niederlande haben 1998 eine Nichtigkeitsklage beim EuGH erhoben, Italien hat sich der Klage angeschlossen. In dem Klageverfahren soll unter anderem die Frage der Rechtmäßigkeit des Zustandekommens der Biopatentrichtlinie überprüft werden. Diese Klage hat gemäß Artikel 242 EGV keine aufschiebende Wirkung und berührt die bestehende Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur pünktlichen Umsetzung der Richtlinie nicht.

Die Richtlinie enthält zahlreiche Patentverbote. So sind im Tierbereich Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität von Tieren, die geeignet sind, Leiden dieser Tiere ohne wesentlichen medizinischen Nutzen für den Menschen oder das Tier zu verursachen, nicht patentierbar. Weiterhin sind Tierrassen und im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Tieren nicht patentierbar. Dabei gilt ein Verfahren als im Wesentlichen biologisch, wenn es vollständig auf natürlichen Phänomenen wie Kreuzung oder Selektion beruht.

Patentierbar sind aber Erfindungen, deren Gegenstand Tiere sind, wenn die Auswirkungen der Erfindung nicht auf eine bestimmte Tierrasse beschränkt ist. Dies wird zur Folge haben, dass Tierrassen, in die diese Erfindung Eingang findet, insoweit auch dem Patentschutz unterliegen. (Entsprechendes gilt für Pflanzensorten, siehe Entscheidungen der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes (EPA) vom 20. Dezember 1999 (Novartis-Patent) sowie vom 3. April 2000 (Monsanto-Patent)).

Hinsichtlich der zuvor noch nicht abschließend geregelten Frage der grundsätzlichen Patentierbarkeit von "biologischem Material" legt die Richtlinie fest, dass Erfindungen, die die allgemeinen Patentierungsvoraussetzungen erfüllen (Neuheit, Beruhen auf einer erfinderischen Tätigkeit, gewerbliche Anwendbarkeit), auch dann patentierbar sind, wenn sie sich auf biologisches Material oder ein Verfahren, mit dem biologisches Material hergestellt, bearbeitet oder verwendet wird, beziehen.
Anders als ansonsten im Patentrecht, das jede Benutzungshandlung bezüglich eines patentierten Verfahrens oder Gegenstandes einer Erlaubnis durch den Patentinhaber unterwirft, beinhaltet das In-Verkehr-Bringen von patentiertem Zuchtvieh an einen Landwirt auch die Befugnis des Landwirtes, das geschützte Vieh zu landwirtschaftlichen Zwecken zu verwenden (sog. Landwirteprivileg).

Bezüglich der Reichweite von Patenten auf biologisches Material gilt Folgendes:
Der Patentschutz für Verfahren erstreckt sich auch auf die damit erzeugten Tiere und alle zu Züchtungszwecken erzeugten Folgegenerationen dieser Tiere, nicht aber auf deren Vermehrung zur Erzeugung von Schlachttieren.
Patente auf biologisches Material, das aus genetischer Information (Gene, Genkonstrukte) besteht, erstrecken sich auch auf alle Folgegenerationen von Pflanzen und Tieren, in die dieses Material Eingang findet und in denen es zum Ausdruck kommt.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der Richtlinie über den rechtlichen Schutz biologischer Erfindungen (Bundesratsdrucksache 655/00 vom 20. Oktober 2000) sieht vor, die Bestimmungen der Richtlinie möglichst wörtlich umzusetzen. Begründet wird dies damit, dass sämtliche Bestimmungen der Richtlinie das Ergebnis langer und intensiver Beratungen zwischen Europäischem Parlament und Rat sind. Die zur Umsetzung der Richtlinie notwendigen Vorschriften sollen nicht in einem besonderen Kapitel des Patentgesetzes zusammengeführt, sondern im jeweiligen Sachzusammenhang geregelt werden. Damit soll verdeutlicht werden, dass es nicht um die Schaffung eines besonderen Rechts für biotechnologische Erfindungen geht, sondern um eine Anpassung und Fortentwicklung des geltenden Patentrechts in bestimmten Punkten für Erfindungen auf dem Gebiet der belebten Natur. Neben dem Patentgesetz sollen mit dem Gesetzentwurf in Form eines Artikelgesetzes das Gebrauchsmustergesetz und das Sortenschutzgesetz geändert werden. Der Bundesrat hat zu dem Gesetzentwurf Stellung genommen und das Gesetzgebungsvorhaben zur Umsetzung der EG-Richtlinie begrüßt, die Bundesregierung aber auch gebeten, einen Änderungsprozess auf europäischer Ebene zu initiieren und für erforderliche Verbesserungen und Präzisierungen der bestehenden Rechtsquellen einzutreten (Bundesratsdrucksache 655/00 (Beschluss) vom 1. Dezember 2000).

 

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