Nach § 5 Abs. 1 TierSchG darf an einem Wirbeltier ohne Betäubung ein mit Schmerzen verbundener Eingriff nicht vorgenommen werden. Die Betäubung warmblütiger Wirbeltiere sowie von Amphibien und Reptilien ist von einem Tierarzt vorzunehmen. Eine Betäubung ist nach Absatz 2 nicht erforderlich,
wenn bei vergleichbaren Eingriffen am Menschen eine Betäubung in der Regel unterbleibt oder der mit dem Eingriff verbundene Schmerz geringfügiger ist als die mit einer Betäubung verbundene Beeinträchtigung des Befindens des Tieres oder
wenn die Betäubung im Einzelfall nach tierärztlichem Urteil nicht durchführbar erscheint.
Für die Kennzeichnung von Schweinen, Schafen, Ziegen und Kaninchen durch Ohrtätowierung, die Kennzeichnung anderer Säugetiere innerhalb der ersten zwei Lebenswochen durch Ohr- und Schenkeltätowierung sowie die Kennzeichnung landwirtschaftlicher Nutztiere einschließlich von Pferden durch Ohrmarke, Flügelmarke, injizierten Mikrochip, ausgenommen bei Geflügel, durch Schlagstempel beim Schwein und durch Schenkelbrand beim Pferd ist nach § 5 Abs. 3 Nr. 7 TierSchG eine Betäubung nicht erforderlich. Verboten ist hingegen der Halsbrand.
§ 6 TierSchG regelt das Amputieren von Körperteilen und das vollständige oder teilweise Entnehmen oder Zerstören von Organen oder Geweben eines Wirbeltieres. Das Amputationsverbot gilt insbesondere nicht, wenn der Eingriff im Einzelfall nach tierärztlicher Indikation geboten ist oder bei jagdlich zu führenden Hunden für die vorgesehene Nutzung des Tieres unerlässlich ist und tierärztliche Bedenken nicht entgegenstehen (vgl. Abschnitt III.2.10).
Darüber hinaus gilt das Amputationsverbot nicht für das Kastrieren von unter vier Wochen alten männlichen Rindern, Schweinen, Schafen und Ziegen, sofern kein von der normalen anatomischen Beschaffenheit abweichender Befund vorliegt, sowie zur Kennzeichnung von Tieren nach § 5 Abs. 3 Nr. 7 TierSchG.
Die betäubungslose Kastration männlicher Ferkel, die zur Mast bestimmt sind, ist in der jüngsten Vergangenheit erneut in die öffentliche Diskussion geraten. Der Eingriff wird in der Regel in den ersten Lebenstagen ohne Betäubung durchgeführt, um den nach der Geschlechtsreife auftretenden Ebergeruch im Fleisch zu vermeiden. Es handelt sich um einen schmerzhaften Eingriff, der jedoch bei sachgerechter Durchführung - d. h. unter Einhaltung der bei chirurgischen Eingriffen erforderlichen hygienischen Voraussetzungen und Nachsorge sowie Vermeidung von Quetschungen des oder Zug am Gewebe mit kurzzeitigen Belastungen verbunden ist. Der Gesetzgeber hat im Rahmen der Novellierung des Tierschutzgesetzes 1998 die Altersgrenze für das betäubungslose Kastrieren von Ferkeln auf vier Wochen herabgesetzt und damit EG-Recht umgesetzt. Bei der Entscheidung wurde zwischen der Belastung der Tiere einerseits und der Verbrauchererwartung andererseits abgewogen, wobei entscheidend war, dass es keine praxistaugliche Alternative zum Kastrieren gab. Nunmehr soll geprüft werden, welche Alternativen zum Kastrieren derzeit bestehen. Dabei bleiben auch die Beratungen über den Vorschlag der Kommission zur Schweinehaltung (siehe Abschnitt III Nr. 2.4) abzuwarten, wonach das betäubungslose Kastrieren bei männlichen Ferkeln bis zu einem Alter von 7 Tagen erlaubt sein soll.
Das Amputationsverbot gilt auch nicht für bestimmte Eingriffe bei landwirtschaftlichen Nutztieren, sofern der Eingriff im Einzelfall für die vorgesehene Nutzung des Tieres zu dessen Schutz oder zum Schutz anderer Tiere unerlässlich ist.
Bei Eingriffen nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TierSchG (Entnehmen von Organen oder Geweben zum Zwecke der Transplantation oder des Anlegens von Kulturen oder zur Untersuchung isolierter Organe, Gewebe oder Zellen) sind unter anderem bestimmte personelle Voraussetzungen, bestimmte Aufzeichnungspflichten sowie eine Anzeigepflicht zu beachten (vgl. Abschnitt XIV).
Werden Organe oder Gewebe von einem Tier entnommen, das vorbehandelt wurde, handelt es sich um einen Teil eines Tierversuchs im Sinne des § 7 Abs. 1 TierSchG, wenn die Vorbehandlung der Tiere Versuchszwecken dient und mit Schmerzen, Leiden oder Schäden verbunden sein kann.
Zudem gilt das Amputationsverbot nicht zur Verhinderung der unkontrollierten Fortpflanzung oder - soweit tierärztliche Bedenken nicht entgegenstehen - wenn zur weiteren Nutzung oder Haltung des Tieres eine Unfruchtbarmachung vorgenommen wird (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 TierSchG). Solche Eingriffe sind von einem Tierarzt vorzunehmen, wobei in der Regel eine Einzelfallentscheidung erforderlich ist. Eine generelle Kastrationspflicht ist hiermit wohl nicht vereinbar. Dies gilt auch bei Maßnahmen der Länder gegen gefährliche Hunde. Ergänzend zu den polizeirechtlichen Maßnahmen hat die zuständige Behörde jedoch die Möglichkeit, gestützt auf § 11b Abs. 3 TierSchG, die Unfruchtbarmachung eines als gefährlich erkannten Hundes anzuordnen. Auch wenn nicht alle Fälle von Aggressivität erblich bedingt sind, so ist nie auszuschließen, dass diese unerwünschte Eigenschaft des Tieres im konkreten Fall auch auf eine erbliche Komponente zurückzuführen ist.
Neu geregelt wurde mit der Novellierung des Tierschutzgesetzes das Schnabelkürzen beim Geflügel sowie das Kürzen des Schwanzes von bis zu drei Monate alten Kälbern, wenn der Eingriff zur Verhütung der Schwanzspitzenentzündung unerlässlich ist. Zur Erlaubniserteilung sind detaillierte Vorgaben in der AVV enthalten.
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2001]
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