Der Tierschutz hat in unserer Gesellschaft einen hohen Stellenwert. Dieser kommt im Tierschutzgesetz (TierSchG) zum Ausdruck, dessen Zweck es ist, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Das Gesetz wurde 1998 zum zweiten Mal umfassend novelliert.
Trotz des erreichten Standes bleibt der gesellschaftspolitische Auftrag aktuell, den Tierschutz weiter zu entwickeln. Dies geschieht auf verschiedenen Ebenen: Zum einen im Rahmen inter- und supranationaler Organisationen (Europarat und Europäische Union (EU)), zum anderen auf nationaler Ebene. Als Instrumente kommen verschiedene Rechtsakte, Empfehlungen sowie Vereinbarungen zum Tragen.
Die Bundesregierung legt dem Deutschen Bundestag hiermit den Siebenten Bericht über den Stand der Entwicklung des Tierschutzes vor. Inhaltliche Schwerpunkte des Berichtes sind die Darstellung der in den Zuständigkeitsbereich der Bundesregierung fallenden nationalen und der unter ihrer Mitwirkung betriebenen inter- und supranationalen Rechtsetzungsvorhaben sowie die jetzt für die Jahre 1991 bis 1999 vorliegenden Angaben über die verwendeten Versuchstiere.
Zu Beginn dieser Legislaturperiode haben SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Koalitionsvereinbarung Folgendes festgehalten:
"Die neue Bundesregierung wird eine Initiative zur Aufnahme des Tierschutzes in das Grundgesetz (GG) und zur Verbesserung der gesetzlichen Grundlagen auch auf europäischer Ebene ergreifen. Sie wird die Tiertransportzeiten nachhaltig verkürzen und die Tierhaltungsverordnungen im Sinne artgerechter Tierhaltung verbessern."
Ferner wurde festgehalten, dass im Bereich der Forschungsförderung und Ressortforschung die Bereiche umwelt- und tiergerechte Erzeugung verstärkt werden sollen.
Für den Schutz landwirtschaftlich genutzter Tiere kommt der Ausformulierung des Europäischen Landwirtschaftsmodells, wie es im Zuge der Beratungen zur AGENDA 2000 entwickelt wurde, besondere Bedeutung zu.
Ziel der AGENDA 2000 ist unter anderem die Sicherung der europäischen Landwirtschaft als multifunktionaler, nachhaltiger und wettbewerbsfähiger Wirtschaftsfaktor (Europäischer Rat 1997, Echternach). Unter dem Eindruck der WTO (World Trade Organization)-Verhandlungen bedarf dieses Modell der weiteren Konkretisierung. Der Agrarrat hat im Dezember 1999 das Europäische Landwirtschaftsmodell wie folgt definiert:
"Die europäische Landwirtschaft muss als Wirtschaftszweig multifunktional, nachhaltig und wettbewerbsfähig sein und sich über den gesamten europäischen Raum verteilen, einschließlich der Regionen mit besonderen Schwierigkeiten. Sie muss zur Landschaftspflege, zur Erhaltung der Naturräume und zur Verbesserung der Vitalität des ländlichen Raumes beitragen und sie muss den Anliegen und Anforderungen der Verbraucher in Bezug auf die Qualität und die Sicherung der Lebensmittel, dem Umweltschutz und dem Tierschutz gerecht werden."
Die neuen Aufgaben der Agrarpolitik mit der Benennung des Tierschutzes als Teil der Multifunktionalität der Landwirtschaft schaffen für die Diskussion über Tierschutz in der landwirtschaftlichen Tierhaltung klare Vorgaben: Die Tierhaltung muss in Einklang mit der Nachhaltigkeit der Wirtschaftsweise und den Verbraucherwünschen gebracht werden.
Nachdem der Tierschutz bei landwirtschaftlichen Nutztieren von der Generaldirektion Landwirtschaft in die Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz umressortiert wurde, vertritt die Kommission der Europäischen Gemeinschaft (EG) die Auffassung, dass Tierschutzfragen in den Bereich der Lebensmittelpolitik integriert werden müssen. Zu den Aufgaben einer Europäischen Lebensmittelüberwachungsbehörde solle auch der Tierschutz gehören, soweit er Tiere, die der Lebensmittelgewinnung dienen, betrifft. Hier wird deutlich, dass der Tierschutz auch auf europäischer Ebene an Beachtung gewinnt.
Im Berichtszeitraum wurde mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 6. Juli 1999 zur Legehennenhaltung eine wichtige tierschutzrechtliche Entscheidung getroffen.
Mit seinem Urteil vom 6. Juli 1999 hat das Bundesverfassungsgericht die Hennenhaltungsverordnung vom 10. Dezember 1987 für nichtig erklärt. Dabei hat es grundlegende Ausführungen zur Ausgestaltung des Tierschutzrechts durch den Verordnungsgeber gemacht. Das Gericht führt Folgendes aus:
Mindestanforderungen im Tierschutz dürfen nicht als ein tierschutzrechtliches Minimalprogramm verstanden werden.
Die Käfighaltung von Legehennen hält das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich für zulässig.
Der Verordnungsgeber muss einen Interessenausgleich zwischen dem ethisch begründeten Tierschutz und den berechtigten Interessen der Tierhalter schaffen. Dabei ist der ethisch begründete Tierschutz zu fördern, ohne die Rechte der Tierhalter unverhältnismäßig einzuschränken.
Die Empfehlungen des Ständigen Ausschusses des Europäischen Übereinkommens zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlichen Tierhaltungen sind für Deutschland als Vertragspartei verbindlich.
Im Übrigen stellt das Gericht fest, dass das Tierschutzgesetz selbst zusammen mit den Empfehlungen des Europarates ein ausreichendes Vollzugsprogramm für die Behörden darstellt. Es sieht es also nicht als zwingend an, den Tierschutz durch Rechtsverordnungen zu fördern; die Entscheidung über sein Tätigwerden zur Sicherung des Tierschutzes hat der Verordnungsgeber selbst zu treffen.
Auf die materiellen Auswirkungen des Urteils auf das Tierschutzrecht bei der Hennenhaltung wird im Abschnitt III Nr. 2.2 eingegangen.
Nachdem mehrere Fraktionen im Deutschen Bundestag sowie der Bundesrat zu Beginn der laufenden Legislaturperiode verschiedene Vorschläge zur Verankerung des Tierschutzes im Grundgesetz eingebracht hatten, verzichtete die Bundesregierung auf einen eigenen Vorschlag. Sie hat sich trotzdem aktiv für das Anliegen eingesetzt und ihre Rolle in der Entwicklung eines konsensfähigen, möglichst fraktionsübergreifenden Vorschlags wahrgenommen.
Im Ergebnis der gemeinsamen Bemühungen wurde am 13. April 2000 im Deutschen Bundestag über einen Antrag der Fraktionen der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der F.D.P., der von der PDS-Fraktion unterstützt wurde, abgestimmt. Hiernach sollte Artikel 20a GG - das Staatsziel "Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen" - so ergänzt werden, dass der individuelle Tierschutz ausdrücklich genannt wird.
Der vorgeschlagene Text des neuen Artikels 20a GG lautete wie folgt:
"Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung."
Mit dieser Änderung des Grundgesetzes würde das Ziel, den Tierschutz zum Staatsziel zu erheben, erreicht. Die Wirkung eines solchen Staatszieles ist nicht zu unterschätzen, zumal es nach wie vor Bedenken gibt, ob das Tierschutzgesetz, wie es jetzt vorliegt, ausreichend grundgesetzlich abgesichert ist. Dies gilt insbesondere für die Regelungen über das Schächten (freie Religionsausübung) und über Tierversuche (Freiheit der Forschung) sowie über Eingriffe in der Ausbildung (Freiheit der Lehre). Die angestrebte Änderung des Artikels 20a GG würde diese tierschutzrechtlichen Regelungen, die von niemandem ernsthaft in Frage gestellt werden, absichern, ohne die genannten Grundrechte zu beeinträchtigen.
Weitere Ausführungen finden sich in Abschnitt II Nr. 1.1.
Bedauerlicherweise ist dieser erneute Versuch, den Tierschutz grundrechtlich abzusichern, vorerst an der ablehnenden Haltung der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag gescheitert. Dem Gesetzentwurf stimmten nur 392 Abgeordnete zu, so dass die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit von mindestens 446 Stimmen nicht erreicht wurde.
Zur weiteren Entwicklung des Europäischen Agrarmodells gehört auch die Sicherung des Tierschutzes. Es ist von daher selbstverständlich, dass er Eingang in die europäische Rechtsetzung findet. Auch aus nationaler Sicht ist es sinnvoll, europäische Lösungen zu suchen. Durch die weitgehende Harmonisierung der Tierhaltungsvorschriften und unter Berücksichtigung der Wettbewerbssituation in der EU sollten heute verbesserte Haltungsvorschriften grundsätzlich auf europäischer Ebene erreicht werden.
Die Bundesregierung hat daher die deutsche Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 1999 genutzt, um EU-weit eine Verbesserung des Tierschutzes in der Legehennenhaltung zu erreichen. Der gefundene Kompromiss stellt einen beachtlichen Fortschritt für den Tierschutz in Europa dar. Als wichtigstes Ergebnis ist darauf hinzuweisen, dass ab Januar 2012 herkömmliche Käfige EU-weit verboten werden. Ab 2003 dürfen keine herkömmlichen Käfige mehr neu in Betrieb genommen werden und gleichzeitig wird die Mindestfläche je Henne erhöht. Es werden Mindestanforderungen an die ausgestalteten Käfige mit Nest, Sitzstange und Scharrbereich festgelegt sowie tierschutzrechtliche Mindestanforderungen für alternative Haltungssysteme wie die Boden- und Freilandhaltung bestimmt.
Der gefundene Kompromiss berücksichtigt auch die Wettbewerbsfähigkeit der Erzeugung in der EU: Kommission und Rat stellen in einer Protokollerklärung fest, dass es bei den anstehenden WTO-Verhandlungen im Rahmen der Milleniumrunde ein wichtiges Verhandlungsziel ist, Tierschutzstandards anzuerkennen.
Weitere Ausführungen finden sich in Abschnitt III Nr. 2.2.
Nicht zuletzt auf Initiative Deutschlands ist es gelungen, erstmals experimentell validierte Ersatzmethoden zum Tierversuch in internationale Regelwerke aufzunehmen. Zwei ECVAM (European Centre for the Validation of Alternative Methods)-Validierungsstudien haben dazu geführt, dass die EU im Anhang der Richtlinie 67/548/EWG die 'B.40 Prüfung auf hautätzende Eigenschaften' und den 'B.41 Phototoxizität - In vitro 3T3 NRU Phototoxizitätstest' als Prüfrichtlinien aufgenommen hat. Damit ist ein wichtiger Schritt gelungen, die Zahl der Versuchstiere weiter zu reduzieren. Auch bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) steht die Aufnahme von Ersatzmethoden zum Tierversuch in die Regelwerke über Chemikalienprüfungen kurz bevor (siehe auch Abschnitt XIV Nr. 5).
Nach der Novellierung des Tierschutzgesetzes im Jahre 1998 wurde die Versuchstiermeldeverordnung aus dem Jahr 1988 mit dem Ziel neugefasst, eine möglichst transparente Dokumentation über Verwendungszwecke und Umfang der aktuell für wissenschaftliche Zwecke im weitesten Sinne benötigten Wirbeltiere zu erreichen. Die Verordnung ist am 1. Januar 2000 in Kraft getreten. Damit werden Mitte 2001 vollständige Daten über die Verwendung von Wirbeltieren in Wissenschaft, Forschung und Lehre vorliegen (siehe auch Abschnitt XIV Nr. 3).
In Folge der Novellierung des Tierschutzgesetzes wurde eine Anpassung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift (AVV) zur Durchführung des Tierschutzgesetzes aus dem Jahr 1988 erforderlich. Dabei wurde der Anwendungsbereich erweitert. So wurde zu § 2 TierSchG (die so genannte Tierhalternorm) ein Hinweis auf die Empfehlungen des Europarates zum Halten landwirtschaftlicher Nutztiere aufgenommen. Diese wurden in der deutschen Übersetzung am 7. Februar 2000 erstmals im Bundesanzeiger veröffentlicht und sind somit für jedermann zugänglich. In der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift findet sich eine Definition landwirtschaftlicher Nutztiere im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe a TierSchG. Hiernach gehören Pferde zu den landwirtschaftlichen Nutztieren, nicht jedoch Pelztiere und Straußenvögel. Auch wurden Ausführungen zu den Voraussetzungen für Tötungsanordnungen nach § 16a Nr. 2, 3. Halbsatz TierSchG durch die Behörden gemacht.
Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift ist am 1. März 2000 in Kraft getreten.
Mit der ersten Änderungsverordnung der Tierschutztransportverordnung wurde das EG-Recht vollständig in nationales Recht umgesetzt. Es ist nun sichergestellt, dass der Tiertransport in Deutschland lückenlos überwacht werden kann. Dennoch bedarf das Tiertransportrecht auf europäischer Ebene der Weiterentwicklung im Sinne des Tierschutzes (siehe auch Abschnitt IX).
Nach jahrelangen Bemühungen ist es nun endlich gelungen, die aus dem Jahr 1974 stammende Verordnung über das Halten von Hunden im Freien durch eine moderne Verordnung abzulösen. Der Anwendungsbereich dieser Verordnung wurde um die Bereiche Zucht und Ausstellung von Hunden erweitert. Es bleibt zu hoffen, dass durch verbesserte Haltungsbedingungen problematische Situationen mit Hunden reduziert werden. Die Verordnung tritt drei Monate nach Verkündung in Kraft. Die Verkündung wird nach dem In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Bekämpfung gefährlicher Hunde erfolgen (siehe auch Abschnitt III Nr. 2.10).
Mit dem Gesetz zur Bekämpfung gefährlicher Hunde wird auch das Tierschutzgesetz in einigen Punkten geändert. So soll die Zucht gefährlicher Hunderassen und das Verbringen erbdefekter Tiere - einschließlich übersteigert aggressiver Hunde - ins Inland verboten werden können. Im Zuge des vom Bundesrat beantragten Vermittlungsverfahrens wurde darüber hinaus folgende Ermächtigung geschaffen: Forderung nach einem Sachkundenachweis für alle Tierhalter, Kennzeichnungsvorschriften für alle Tiere sowie Forderung nach Prüfung und Zulassung von Stalleinrichtungen und Betäubungsanlagen. Das Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft. Die Verkündung ist für März 2001 vorgesehen.
Neben der Rechtsetzung spielen Gutachten und Leitlinien eine wichtige Rolle für den Vollzug und die Auslegung des Tierschutzgesetzes. Im Berichtszeitraum wurden das Gutachten zur Auslegung des § 11b TierSchG bei der Heimtierzucht sowie das Gutachten über Mindestanforderungen bei der Haltung von Zierfischen abgeschlossen. Die Leitlinien zur Zirkustierhaltung aus dem Jahr 1990 wurden grundlegend überarbeitet (siehe auch Abschnitte III und IV).
Nachdem in Niedersachsen freiwillige Vereinbarungen zwischen Tierhaltern und Behörden über Haltungsanforderungen für Mastputen und Masthühner auf den Weg gebracht worden sind, hat die Bundesregierung diese Initiative aufgegriffen und bundeseinheitliche Eckwerte mit den betroffenen Verbänden und den Ländern unter Beteiligung von Tierschutzorganisationen ausgehandelt. Diese Eckwerte stellen naturgemäß einen Kompromiss dar. Dennoch ist hiermit ein wichtiger Schritt zur Verbesserung des Tierschutzes bei diesen landwirtschaftlich genutzten Tieren getan worden. Auf der Basis dieser Eckwerte werden nunmehr in den Ländern Vereinbarungen mit den Verbänden sowie mit den einzelnen Tierhaltern abgeschlossen (siehe auch Abschnitt III Nr. 2.3).
Die Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL) hat begonnen, im Rahmen eines von der Europäischen Kommission geförderten Projektes bei Mastputen die Ursachen für Beinschäden zu untersuchen, strukturierte Außenklimaställe zu erproben und deren Wirkung auf das Wohlbefinden zu bestimmen. Diese Forschungsprojekte unterstützen die Anstrengungen der Bundesregierung, die Haltungsbedingungen für Mastgeflügel nachhaltig zu verbessern.
Im Berichtszeitraum wurde der Öffentlichkeitsarbeit große Bedeutung zugemessen. Zahlreiche Bürgerbriefe wurden beantwortet und die Broschüre "Tierschutz geht uns alle an" in überarbeiteter Fassung neu aufgelegt. Die Homepage des BMVEL ("www.bml.de") wurde unter dem Stichwort "Tierschutz" neu gestaltet und enthält aktualisierte wichtige Informationen zur Tierschutzpolitik der Bundesregierung.
Nachdem immer wieder Anfragen von Schulen und Lehrern zum Thema Tierschutz an das BMVEL gerichtet wurden, hat sich BMVEL an der Erarbeitung einer entsprechenden Schüler/Lehrermappe beteiligt. Die Mappe soll Anregungen zur Bearbeitung einzelner Felder im Tierschutz geben und enthält eine Fülle von Informationsquellen1.
Von BMBF wurde zusammen mit BMG, BMU und BMVEL eine Broschüre zum Thema Ersatz- und Ergänzungsmethoden für Tierversuche herausgegeben, in der unter anderem das entsprechende Förderprogramm des BMBF sowie beispielhafte Projekte dargestellt sind2.
Die Bundesregierung setzt sich weiterhin dafür ein, die in der Koalitionsvereinbarung festgelegten Ziele zu erreichen. Dazu gehört die Aufnahme des Tierschutzes ins Grundgesetz.
In nächster Zukunft soll die Richtlinie 98/58/EG zum Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere in nationales Recht umgesetzt werden. Dabei soll die bereits verabschiedete Verordnung zum Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere in nationales Recht umgesetzt werden. Dabei soll die bereits verabschiedete Verordnung zum Schutz von Kälbern in die neue Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung übernommen werden. Dadurch wird die Rechtszersplitterung im Bereich der Tierschutzvorschriften über landwirtschaftlich genutzte Tiere überwunden. Die Verabschiedung der Verordnung wird noch im 1. Halbjahr 2001 angestrebt.
Die Regelungen zur Schweinehaltung und zur Hennenhaltung sollen in die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung integriert werden. Eine neue Schweinehaltungsverordnung kann aus rechtlichen Gründen erst erlassen werden, wenn die Beratungen über den aktuellen Kommissionsvorschlag zur Änderung der entsprechenden Richtlinie abgeschlossen oder zumindest weit fortgeschritten sind.
Als weiteres wichtiges Vorhaben ist die Verabschiedung der neuen Hennenhaltungsverordnung zu nennen. Diese soll unter Beachtung des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes vom 6. Juli 1999 die Richtlinie 1999/74/EG zum Schutz von Legehennen umsetzen. Mit Verkündung dieser Verordnung ist im 1. Halbjahr 2001 zu rechnen. In der Hennenhaltungsverordnung sollen die Anforderungen an Boden- und Freilandhaltung festgelegt werden. Für die bestehenden Käfighaltungsanlagen werden ausreichend lange Übergangszeiten vorgesehen. Neue Käfigbatterien, auch wenn sie Legenest, Sitzstangen und Einstreu beinhalten, soll es in Deutschland nicht mehr geben.
Bei der Weiterentwicklung des Tierschutzes setzt die Bundesregierung weiterhin auf europäische Lösungen. Im Vordergrund steht dabei der Tiertransport. Nachdem die EG-Kommission nun ihren Bericht über die Erfahrungen der Mitgliedstaaten mit der Umsetzung der Tiertransportrichtlinie vorgelegt hat, wird ein entsprechender Vorschlag der Kommission zur Änderung der Tiertransportrichtlinie dringend erwartet.
In den Beratungen wird sich die Bundesregierung für die Weiterentwicklung der Gemeinschaftsvorschriften im Sinne einer Verbesserung des Tierschutzes einsetzen. Im Zentrum der Bemühungen wird die weitere Verkürzung der Transportzeiten, insbesondere für Schlachttiere, sowie die weitere Harmonisierung stehen. So werden präzisere Gemeinschaftsvorgaben für den Schiffs- und Bahntransport benötigt, damit tierschutzwidrige Transporte mit diesen Transportmitteln vermieden werden. Auch werden neue Regelungen einschließlich des Verzichts auf eine Entladung bei Langstreckentransporten von Zuchtrindern gefordert, da diese nach wissenschaftlichen Untersuchungen der Tierärztlichen Hochschule Hannover und der FAL dadurch weniger belastend gestaltet werden können.
Solange auf Langstreckentransporte von Tieren, insbesondere von Zuchttieren, nicht verzichtet werden kann, wird die Bundesregierung alles in ihrer Möglichkeit Stehende tun, um tierschutzwidrige Zustände zu verhindern. Dazu gehört auch eine Intensivierung der Kontrollen in Drittstaaten im Rahmen der Kommissionsverordnung 615/98/EG über die Ausfuhrerstattung bei Rindern.
Auch bei den Tierhaltungsvorschriften sind Verbesserungen auf europäischer Ebene dringend erforderlich. Dies gilt insbesondere für die Schweinehaltung. Die Kommission hat bereits im September 2000 Bericht und Vorschlag einer Ratsrichtlinie zur Änderung der Richtlinie 91/630/EWG angekündigt. Beides wurde am 16. Januar 2001 vorgelegt. Wegen der nach der so genannten Info-Richtlinie über technische Normen einzuhaltenden Stillhaltefrist, in diesem Fall von zwölf Monaten, ist eine Änderung der nationalen Schweinehaltungsverordnung kurzfristig aus rechtlichen Gründen nicht möglich. Daher setzt sich die Bundesregierung dafür ein, den Vorschlag der Kommission zügig zu beraten. Es wird erwartet, dass die schwedische Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2001 dieses Anliegen unterstützt. Die Schwerpunkte des Vorschlages entsprechen den Bereichen, die auch aus Sicht der Bundesregierung einer dringenden Überarbeitung bedürfen. Sie betreffen in erster Linie die Sauenhaltung, die Bodengestaltung in den Schweineställen, das Angebot von Beschäftigungsmaterial und die Einschränkung der routinemäßigen Verstümmelungen von Schweinen. In diesem Kontext wird auch über Alternativen zum Kastrieren männlicher Ferkel für die Mast beraten werden.
Die deutsche Position soll von einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter Beteiligung der Verbände sowie der Tierschutzkommission vorbereitet werden.
Des Weiteren hat die Kommission einen Vorschlag zur Haltung von Masthühnern angekündigt, nachdem der Wissenschaftliche Ausschuss für Tiergesundheit und Tierschutz seinen Bericht hierzu bereits im März 2000 vorgelegt hat.
Sobald der Wissenschaftliche Ausschuss für Tiergesundheit und Tierschutz seinen Bericht über die Haltung von Pelztieren vorlegen wird, erwartet die Bundesregierung auch für diesen Bereich EU-weite Regelungen. Die Bundesregierung behält sich vor, nach Vorlage des Berichts des Wissenschaftlichen Ausschusses für Tiergesundheit und Tierschutz der Kommission nationale Maßnahmen in diesem Bereich zu ergreifen.
Die Vorgaben zur Haltung von Versuchstieren im Anhang A des Europäischen Übereinkommens zum Schutz der Versuchstiere müssen im Sinne des Beschlusses der Multilateralen Konsultation von 1997 (siehe Abschnitt III Nr. 2.8) geändert werden. Dies ist Aufgabe der nächsten Multilateralen Konsultation. An den Vorarbeiten beteiligt sich die Bundesregierung aktiv unter Einbeziehung der Verbände. Ziel muss sein, möglichst einheitliche Vorgaben europaweit zu schaffen, um den Bedürfnissen der Tiere besser gerecht zu werden. Die Tatsache, dass mehrere Organisationen aus Nordamerika einen Beobachterstatus beim Europarat für diese Multilaterale Konsultation beantragt haben, zeigt die weltweite Bedeutung dieses Tierschutzgebietes.
Angesichts der fortschreitenden Liberalisierung des Welthandels ist es besonders wichtig, im Rahmen der Fortsetzungsverhandlungen zum WTO-Agrarabkommen Vorschläge für die internationale Absicherung des Tierschutzes aufzunehmen. Die Bundesregierung wird jede sich bietende Chance nutzen, einen geeigneten internationalen Rahmen für die bestehenden Tierschutzstandards zu schaffen. Darüber hinaus unterstützt sie die EU in ihrem Bemühen, in den WTO-Verhandlungen den Tierschutz angemessen zu berücksichtigen.
Neben der Rechtsetzung will die Bundesregierung künftig in erster Linie das Bewusstsein für den Tierschutz stärker in den Köpfen aller verankern. Hierzu sollen die Informationen über Haltungsansprüche und tiergerechte Unterbringung der verschiedenen Tierarten noch stärker verbreitet werden. Die Fachverbände sollen ermuntert werden, die Qualifikation ihrer Mitglieder im Sinne des Tierschutzes zu verbessern.
In diesem Zusammenhang sind die Beratungen mit den Verbänden zur Umsetzung der Vorgaben des Gutachtens über die Heimtierzucht zu sehen. Diese werden im Jahr 2001 fortgesetzt mit dem Ziel, Vereinbarungen zu treffen, die Vorbildcharakter für die Zuchtstrategie und -planung auch der nicht organisierten Züchter haben soll. Auch mit den landwirtschaftlichen Zuchtorganisationen und -unternehmen werden die Gespräche aufgenommen, nachdem die Deutsche Gesellschaft für Züchtungskunde (DGfZ) ihre Vorschläge vorgelegt hat (siehe Abschnitt IV).
Um Probleme in der Heimtierhaltung, vordringlich in Bezug auf Hunde, zu lösen, soll eine Arbeitsgruppe eingerichtet werden, die die Vorschläge verschiedener Verbände (unter anderem Deutscher Tierschutzbund, Bundestierärztekammer, Bundesverband Praktischer Tierärzte) beraten soll mit dem Ziel, wo dies notwendig ist, auf das Tierschutzgesetz gestützte Regelungen zu treffen. In der Arbeitsgruppe sollen Vertreter der Verbände und der Länder unter Leitung des BMVEL mitarbeiten.
Darüber hinaus wird eine Sachverständigengruppe von BMVEL einberufen, die Ausbildungsziele und -methoden bei Hunden bewerten soll. Dabei soll auch der Einsatz von Elektroreizgeräten Gegenstand der Beratungen sein.
Die Ergebnisse dieser beiden Arbeitsgruppen könnten zu gegebener Zeit in die Tierschutz-Hundeverordnung einfließen.
Die Bundesregierung ist überzeugt, dass nachhaltige Verbesserungen beim Tierschutz nicht allein durch Rechtsvorschriften erreicht werden können. Vielmehr ist es notwendig, ein allgemeines Bewusstsein für den Tierschutz zu schaffen. Wenn es für jedermann selbstverständlich ist, Tiere zu achten, wird für den Tierschutz mehr erreicht sein, als es mit den besten Vorschriften, die nur im Gesetzblatt stehen, möglich sein wird. Hierzu ist umfassende Aufklärung aller Beteiligten notwendig. Dieser Appell richtet sich allerdings nicht nur an die Tierhalter, sondern auch an Verbraucherinnen und Verbraucher. Erst wenn diese bereit sind, ihre Verantwortung für den Tierschutz zu tragen - das heißt auch höhere Preise für Lebensmittel zu zahlen -, werden die Tierhalter, die ihren Tieren ein Mehr an Tiergerechtheit zukommen lassen, eine Chance am Markt haben. Das Verbraucherinnen und Verbraucher hierzu bereit sind, hat sich in den letzten Wochen im Zusammenhang mit der BSE (Bovine Spongiforme Enzephalopathie)-Krise gezeigt. Die Bundesregierung unterstützt entsprechende Bestrebungen nachdrücklich auch im Zusammenhang mit der Neuorientierung der Landwirtschaft.
1 Achtung vor dem Tier, Unterrichtsmappe zum Schülerheft für Lehrer/innen 2/2000, Herausgeber: in-skript - Die Unit für Bildung und Information der Kohtes Klewes Bonn GmbH, Kaiserstr. 33, 53113 Bonn, in Zusammenarbeit mit BML, April 2000
2 Hightech für Tiere - Ersatz- und Ergänzungsmethoden zu Tierversuchen; Grundlagen, Ergebnisse - Perspektiven
[Inhaltsverzeichnis]
[weiter im Tierschutzbericht
2001]
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