Auf dem Gebiet der Tierschutzforschung engagiert sich die Bundesregierung auf verschiedenen Ebenen:
BMVEL hat im Forschungsrahmenplan 1997-2000 im Bereich Ökosysteme/Ressourcen unter den Sachgebieten "System Tier/Tierhaltung" und im Bereich Qualitätsorientierte und umweltverträgliche Agrarproduktion im Sachgebiet "Tiergerechte Nutztierhaltung, intensive, extensive und automatische Verfahren der Tierproduktion, Tierschutz bei Haltung, Transport, Schlachtung und Tötung" den Bedarf an Forschung zur Politikberatung zum Bereich Tierschutz definiert. Im Berichtszeitraum 1999/2000 führten Institute der ressorteigenen Forschungsanstalten insgesamt 37 den Tierschutz betreffende Vorhaben bzw. Teilprojekte durch (http:www.dainet.de - Pfad: Datenbanken; Informationsarten; Projekte; Agrarforschungsprojekte; Stichwort "Tierschutz").
Die Bundesregierung hat auf der Basis der Koalitionsvereinbarung das Rahmenkonzept für die Bundesforschungsanstalten im Geschäftsbereich des BMVEL auch dahingehend überprüft, wie der tierschutzrelevanten Forschung zukünftig ein größerer Stellenwert eingeräumt werden kann. Dabei wurde entschieden, unter dem Dach der FAL ein Institut für Tierschutz und Tierhaltung einzurichten, dass sich künftig verstärkt diesen Belangen widmen und dem BMVEL wissenschaftliche Entscheidungshilfen zur Politikberatung geben soll. Von der Vorschlagskommission bei der FAL ist das Verfahren zur Berufung der Institutsleitung eingeleitet. Die Forschungskonzeption wird derzeit entwickelt.
Der vordringliche Entscheidungsbedarf liegt bei wissenschaftlich fundierten Aussagen zur tiergerechten Haltung von Nutztieren. Dabei sollen folgende Arbeitsschwerpunkte im Vordergrund stehen:
- Weiterentwicklung und Anwendung objektivierbarer ethologischer Indikatoren zur Bewertung der Tiergerechtheit unter Berücksichtigung physiologischer und pathologischer Kriterien.
- Weiterentwicklung und Bewertung von Haltungsverfahren bei landwirtschaftlichen Nutztieren unter den Gesichtspunkten Tierverhalten und Tiergesundheit sowie Prüfung von Verfahren zur Verbesserung der Tierhygiene.
- Bewertung von Transportbedingungen unter dem Aspekt der Tiergerechtheit.
- Bewertung von Schlachtverfahren einschließlich der Vorbereitung zum Schlachten unter Aspekten des Tierschutzes und des Tierverhaltens, soweit nicht bereits die Bundesanstalt für Fleischforschung zuständig ist.
Gleichfalls wird der Forschungsrahmenplan des BMVEL überarbeitet und den aktuellen Bedürfnissen der Politikberatung insbesondere auch im Bereich der Tierschutzforschung angepasst.
Im Folgenden werden beispielhaft ausgewählte Projekte der FAL aufgeführt:
Entwicklung von Parametern
Die Möglichkeit zur Anwendung von "online"-Analysen der Lautäußerungen bei Geflügel, Schweinen und Rindern zur Bewertung des Befindens der verschiedenen Tierarten werden intensiv untersucht. Für die Untersuchungen der Lautäußerungen beim Rind existiert bereits ein umfassender Akustikkatalog nach jeweils gewählten ethologischen Situationsmomenten. Auf der Basis dieser Daten erfolgt die Lautanalyse. Das Ziel der Analyse besteht in einer Managementhilfe mit besonderem Schwergewicht auf der Mutter-Kalb-Beziehung.Im Zusammenhang mit § 13a TierSchG waren Wissenschaftler der FAL an der Erarbeitung von Anforderungen bezüglich der Prüfung auf Tiergerechtheit im Rahmen von freiwilligen Prüfungen beteiligt.
Wechselwirkungen zwischen "Tier und Technik" sowie "Tier und Umwelt"
In der Geflügelhaltung haben Haltungseinrichtungen, die eine größere Bewegung und Laufaktivität der Tiere zulassen, einen positiven Einfluss auf deren Kondition und die Knochenentwicklung. Bei Puten ließen sich Unterschiede zwischen Schlachtkörpern auf das Angebot von Strukturelementen im Haltungsbereich zurückführen, wenn auch keine signifikante Beeinflussung von Brust- und Oberschenkelfleisch festgestellt werden konnte. Hochliegende Sitzflächen werden von Puten sehr gut zum Ruhen angenommen. Dabei wird die Brustblasenbildung vermieden, die bei Sitzstangen auftritt. Eine geringere Besatzdichte beeinflusst die Schlachtkörperqualität positiv.Im Rahmen eines EU-Projektes mit fünf Partnern werden die genetischen sowie umweltbedingten Faktoren erforscht, die zur Tibialen Dyschondroplasie führen. Tibiale Dyschondroplasie ist die Hauptform von Beinschäden in kommerziellen Putenbeständen. Schwere Putenherkünfte zeigen einen höheren Anteil von Tibialer Dyschondroplasie, für den die Selektion auf schnelles Wachstum ursächlich sein könnte. Zudem soll geprüft werden, ob der Anteil solcher Beinschäden sinkt, wenn die Tieraktivität mittels einer Anreicherung der Haltungsumwelt durch erhöhte Ebenen und Auslauf stimuliert wird. Für die Verbesserung der Haltungssysteme für Puten werden Teilbereiche neu konzipiert und in Praxisbetrieben erprobt. Dazu gehört ein überdachter Außenklimabereich und die Erhöhung des Reizangebotes durch Anreicherung von Strukturelementen in der Haltungsumwelt.
Für die Masthühnerhaltung werden im Rahmen eines Verbundprojektes drei Haltungssysteme (intensive Haltung; Auslaufhaltung; ökologische Haltung) einer umfassenden Analyse unterzogen.
Zur Schweinehaltung wurden verschiedene Untersuchungen durchgeführt. Bei der Mastschweinehaltung haben Untersuchungen gezeigt, dass so genannte "Außenklimaställe" auch aus Tierschutzsicht eine Alternative zu herkömmlichen Verfahren darstellen. Die Anforderungen an das Management sind jedoch deutlich höher. Die Haltung von Mastschweinen in Großgruppen ist günstig, weil die Tiere in Anlehnung an die Funktionskreise des Verhaltens den Raum strukturiert nutzen können. Darüber hinaus werden höhere Tierleistungen erzielt, wobei die Schadgasemission reduziert ist. Die aus Sicht der Umwelt positiv zu bewertende Reduzierung der Luftrate führt jedoch zu einer deutlichen Verschlechterung der Luftqualität im Stall. Diese wiederum scheint im Wesentlichen für eine Beeinträchtigung der Tiergesundheit verantwortlich zu sein.
In Abferkelbuchten, die den Sauen freie Bewegung erlauben, treten im Vergleich zu konventionellen Kastenständen deutlich höhere Ferkelverluste auf.
In einer Reihe von Teilprojekten wurden die Einflüsse der Haltungsbedingungen während der Säugeperiode auf das Verhalten und die Entwicklung der Ferkel vor und nach dem Absetzen untersucht. Es wurden die Ferkel aus Einzelabferkelungssystemen, die in der Säugeperiode nur Kontakt zu ihrer Mutter und ihren Wurfgeschwistern hatten, und die Ferkel aus Gruppenabferkelungssystem, die Kontakt zu ihrer Mutter, zu anderen Sauen sowie zu Ferkeln aus sieben weiteren Würfen hatten, in verschiedenen Tests verglichen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Ferkel aus dem Gruppenabferkelungssystem eine bessere Körperentwicklung (Körpergewicht) und ein deutlich besseres Sozialverhalten als ihre Artgenossen aus konventionellen Abferkelsystemen aufweisen. So zeigen die Ferkel aus einem Gruppenabferkelungssystem bei Umstallungen deutlich weniger aggressives Verhalten.
Ein Versuch zur Erprobung der neuen Fütterungstechnik Brei-Nuckel, die ganztägig eine freie Futteraufnahme zulässt, ergab, dass bis zu einem Tier/Fressplatzverhältnis von 18:1 eine Futteraufnahme entsprechend dem natürlichen Tagesrhythmus möglich ist.
Bei der Rinderhaltung wurde der Einsatz eines so genannten "Weelink"-Fressgitters zur Grundfutterversorgung von Milchkühen erprobt. Ein zu anderen Fütterungssystemen vergleichbares Tierverhalten wurde beobachtet. Der Einsatz eines solchen Fressgitters erlaubt ein Tier/Fressplatzverhältnis von 2:1.
Im Zusammenhang mit der Erprobung automatischer Melkverfahren werden zum Beispiel auch Fragestellungen aus Tierschutzsicht bearbeitet.
Zur Ermittlung von objektiven und geeigneten Parametern für die Überprüfung der Belastung bei Ferntransporten und die Optimierung solcher Transporte wurden Untersuchungen an Kälbern und tragenden Färsen durchgeführt. Die telemetrischen Messungen der Herzfrequenz und einiger Hormonwerte im Blut weisen darauf hin, dass die Kälber aus Gruppenaufzuchten mit viel Kontakt mit Menschen beim Transport erheblich weniger aufgeregt sind als Kälber mit wenig Kontakt mit Artgenossen und Menschen. Des Weiteren wurde ermittelt, dass die lymphozytäre Hormonsekretion als ein sehr empfindlicher Parameter zur Ermittlung der Transportbelastung (Stress) angesehen werden kann.
Untersuchungen zum Training von Sportpferden bestätigten, dass mit den Merkmalen Laktat und Herzfrequenz sich am ehesten eine Aussage über die Belastung von Pferden treffen lässt. Laufende Untersuchungen beschäftigen sich mit der Frage, in wie weit diese Merkmale zur tierindividuell angepassten Trainingsgestaltung für Pferde eingesetzt werden können.
Außerhalb der Ressortforschung wurden im Berichtszeitraum 1999/2000 vier HS-Projekte im Bereich der angewandten Forschung gefördert, die den Tierschutz betreffen:
Grundsätzlich werden HS-Projekte vom BMVEL zur Entscheidungshilfe bei Rechtsetzungsvorhaben in Auftrag gegeben.
BMVEL fördert mit jährlich 3 Millionen DM FuE-Vorhaben, die den Schutz der Umwelt, die Schonung der natürlichen Ressourcen und die Verringerung der Belastungen der Tiere zum Ziel haben. Grundlage ist die "Richtlinie zur Förderung von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben im Agrarbereich für Umweltschutz" vom 23. Dezember 1996 (FER-BML). Im Rahmen dieser Förderung wurden ab 1996 verstärkt Innovationen bei Haltungsverfahren und beim Tiertransport unter den Aspekten der Verbesserung des Tierschutzes untersucht. BMVEL gewährte Zuschüsse für neun solcher Vorhaben mit einem Förderumfang von insgesamt rund 2,5 Mio. DM:
Erprobung automatischer Melksysteme unter den Gesichtspunkten ökonomischer und ökologischer Aspekte, des Tierschutzes sowie struktureller Auswirkungen auf die Rinderhaltung (zwei Vorhaben),
Entwicklung neuer umweltfreundlicher Verfahren in der Bodenhaltung von Legehennen,
Erprobung eines Schweinemaststalles auf Flüssigmistbasis als Außenklimastall mit Teilspaltenboden und Ruhekisten,
Erprobung eines Trampolinbodens (schwebender Boden) in einem Louisianastall in der Hähnchenmast,
Optimierung von Auslaufflächen für Hühner in ökologisch wirtschaftenden Betrieben,
Einsatz eines Außenklimabereiches in der Putenmast als Möglichkeit der Strukturierung der Haltungsumwelt zur Verbesserung der Tiergesundheit, des Wohlbefindens und der Ökonomie,
Entwicklung und Erprobung eines Verfahrens der integrierten Tierschutz- und Qualitätssicherung bei Schlachtschweinen für die gesamte Verfahrenskette vom Stall bis zur Verarbeitung,
Einrichtung eines variabel gestalteten Zutriebs zur Betäubung von Schlachtschweinen und sein Einfluss auf Belastungsreaktionen der Tiere und die Fleischbeschaffenheit der Schlachtkörper.
Im Rahmen der BMVEL-Modellvorhaben für dringend erforderlichen Erkenntnisgewinn aus neuartigen Verfahren werden derzeit ethologische Untersuchungen von Legehennen in vier Typen unterschiedlich ausgestalteter Käfige gefördert. In sieben Betrieben wird in zwei Durchgängen die Anordnung der Strukturelemente (Nest, Sitzstange, Staubbad und Krallenabrieb) geprüft (siehe auch Abschnitt III Nr. 2.2).
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2001]
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