(Arbeitsübersetzung)
Die Vertragsparteien des Übereinkommens zum Schutz der für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Wirbeltiere, auf Grund des Artikels 30;
in der Erkenntnis, dass die Bestimmungen dieses Artikels die Überwachung der Umsetzung der Bestimmungen, die Anpassung des Übereinkommens an sich ändernde Bedingungen und neue wissenschaftliche Erkenntnisse sowie die Entwicklung gemeinsamer und koordinierter Programme im Anwendungsbereich des Übereinkommens umfassen;
im Hinblick darauf, dass sich die in Anhang A des Übereinkommens dargelegten "Leitlinien für die Unterbringung und Pflege von Tieren" als sehr nützlich erwiesen haben und breite Anwendung finden;
in dem Bewusstsein jedoch, dass sich die wissenschaftlichen Kenntnisse und Erfahrungen seit 1986 und dem In-Kraft-Treten des Übereinkommens erweitert haben;
bestrebt, die Umsetzung des Übereinkommens unter Berücksichtigung der Entwicklungen der Kenntnisse über die biologischen Bedürfnisse der Tiere, einschließlich ihrer ethologischen Bedürfnisse, zu verbessern;
eingedenk dessen, dass Artikel 5 des Übereinkommens verlangt, dass die Tiere in einer ihrer Gesundheit und ihrem Wohlergehen entsprechenden Weise untergebracht und gepflegt werden;
unter Hinweis darauf, dass die Bestimmungen in Artikel 5 Absatz 1 des Übereinkommens verlangen, dass "die Möglichkeiten eines Tieres, seine physiologischen und ethologischen Bedürfnisse zu befriedigen, nicht mehr als nötig eingeschränkt werden dürfen";
unter Berücksichtigung des Berichts des Internationalen Workshops über den Schutz von Versuchstieren, der im Mai 1993 in Berlin stattgefunden hat (Berlin-Bericht), und der in seinen Schlussfolgerungen dargelegten Empfehlungen;
in Anerkennung, dass die Empfehlungen dieses Berichts den Schutz der Versuchstiere verbessern werden;
in der Erwägung, dass eine Vereinbarung über gemeinsame Grundsätze, die sich auf diese Empfehlungen stützen und die in Anhang A des Übereinkommens dargelegten Leitlinien für die Unterbringung und Pflege von Tieren ergänzen, die Umsetzung des Artikels 5 des Übereinkommens erleichtern und harmonisieren wird;
bestrebt, weitere Forschung im Zusammenhang mit den im Berlin-Bericht aufgeworfenen, aus wissenschaftlicher Sicht noch offenen Fragen zu unterstützen,
verabschieden folgende Entschließung:
Es liegt in der Verantwortung der Einrichtung und Personen, die wissenschaftliche Verfahren an Tieren durchführen, das allgemeine Wohlbefinden der "Tiere" als "Individuen" und als "Gruppe" zu maximieren, mit dem 3R-Prinzip (Replacement, Reduction, Refinement) als ständigem Anliegen und in dem Wissen, dass aussagefähige wissenschaftliche Ergebnisse von hoher Qualität die Anwendung dieses Grundsatzes erleichtern.
Bei der Anreicherung der Umwelt ist den Bedürfnissen der jeweiligen Art besondere Bedeutung beizumessen:
Daher ist bei allen normalerweise in Sozialverbänden lebenden Arten der Gruppenhaltung, selbst der Paarhaltung, Vorzug gegenüber der Einzelhaltung zu geben, solange die Gruppen stabil und harmonisch sind. Ist wegen des Verhaltens der Tiere oder unausweichlicher Erfordernisse eines wissenschaftlichen Versuchsplans die Gruppenhaltung nicht möglich, sollte erwogen werden, Artgenossen so unterzubringen, dass sie einander sehen, hören oder riechen können.
Initiativen, den Tieren geeignete Stimuli und Materialien anzubieten und den Käfigraum so zu strukturieren, dass eine aktivitätsbezogene Nutzung möglich ist, sollen gefördert werden; dabei muss jedoch sorgfältig darauf geachtet werden, dass diese Initiativen keine schädlichen Auswirkungen auf das Wohlbefinden der Tiere haben. Da auch die besonderen Bedürfnisse der jeweiligen Arten und Stämme zu berücksichtigen sind, soll die Anwendung von Leitlinien nie als Ersatz für die genaue Beobachtung der betroffenen Tiere während ihrer gesamten Lebensspanne dienen.
Eine in Bezug auf alle Arten und Stämme erschöpfende Forschung ist schwierig zu realisieren. Diese Tatsache soll jedoch nicht Initiativen vor Ort zur Verbesserung der Haltungsbedingungen hemmen oder verhindern.
Folgende Empfehlungen und Anmerkungen sind in Bezug auf einzelne Arten(gruppen) zu berücksichtigen:
Nager, mit Ausnahme von Meerschweinchen, sollen vorzugsweise in Käfigen, nicht in Boxen6, gehalten werden. Die Käfige sollen aus leicht zu reinigendem Material und so beschaffen sein, dass die Tiere kontrolliert werden können, ohne dass sie unnötigerweise gestört werden.
Die Käfige sollen - mit Ausnahme besonderer Gegebenheiten - anstatt eines Gitterbodens einen festen Boden mit Einstreu haben.
In Sozialverbänden lebende Arten sollen in Gruppen gehalten werden, solange diese stabil und harmonisch sind. Bei männlichen Ratten und Mäusen sowie bei weiblichen Hamstern ist dies schwierig zu erreichen. Ist eine Gruppenhaltung wegen des Versuchsvorhabens oder aus Gründen des Tierschutzes nicht möglich, ist in Erwägung zu ziehen, Artgenossen so unterzubringen, dass sie einander sehen, hören oder riechen können.
Initiativen, den Käfigraum durch Plazierung von Gegenständen wie Plattformen, Röhren, Schachteln etc. zu strukturieren, sollen gefördert werden. Außerdem sollen Bemühungen unternommen werden, die Umwelt der Tiere mit Gegenständen zum Erforschen, Tragen oder "Bearbeiten" anzureichern, es sei denn, dass negative Auswirkungen auf das Wohlbefinden der Tiere oder auf die beabsichtigte wissenschaftliche Verwendung beobachtet werden.
Hohe Hygienestandards sollen gewahrt werden. Es kann jedoch ratsam sein, von den Tieren (in der Einstreu) abgesetzte Duftmarken (bei der Käfigreinigung) nicht vollständig zu entfernen.
Besonders ist darauf zu achten und sicherzustellen, dass die Lichtintensität, vor allem in der obersten Käfigreihe, nicht zu stark ist. Die maximale Lichtintensität soll, bei Messung in Höhe eines Meters über dem Boden, 350 Lux nicht übersteigen. Innerhalb des Käfigs sollen Schattenbereiche vorhanden sein, damit sich die Tiere zurückziehen können.
Junge sowie weibliche Kaninchen sollen in sozial harmonischen Gruppen gehalten werden, es sei denn, dies ist wegen des Versuchsvorhabens oder aus Gründen des Tierschutzes nicht möglich.
Drahtgitterböden ohne eine mit festem Boden versehene Ruhefläche sollen für Kaninchen nicht verwendet werden. Materialien, Gestaltung und Konstruktion der Spalten- oder perforierten Böden sollen so beschaffen sein, dass sie das Wohlbefinden der Tiere nicht beeinträchtigen.
Boxen sowie Käfige sollen Materialien zur Anreicherung der Umwelt wie beispielsweise Rauhfutter, Nagehölzer, Nistmaterial und einen Rückzugsbereich enthalten.
Katzen sollen in sozial harmonischen Gruppen in Boxen gehalten werden, es sei denn, dies ist wegen des Versuchsvorhabens oder aus Gründen des Tierschutzes nicht möglich.
Bei Gruppenhaltung soll die Grundfläche pro Katze nach dem Absetzen (mindestens) 0,8 m2 betragen. Die Boxen sollen eine Mindesthöhe von 1,5 m haben und so ausgestattet sein, dass eine Nutzung aller drei Raumdimensionen möglich ist.
Die Boxen sollen halb geschlossene Rückzugsbereiche, Gegenstände zum Krallenschärfen und zum Spielen sowie ausreichend Plätze zum Fressen, Trinken, Kot- und Urinabsatz sowie zum Hinlegen bieten, damit Konkurrenzverhalten vermieden wird.
Wenn Käfige verwendet werden müssen und auf Grund des Versuchsvorhabens kein Auslauf gewährt werden kann, soll die Käfighöhe dem Tier erlauben, voll ausgestreckt zu stehen.
Hunde sollen in sozial harmonischen Gruppen gehalten werden, es sei denn, dies ist wegen des Versuchsvorhabens oder aus Gründen des Tierschutzes nicht möglich.
Hunde sollen mindestens täglich Auslauf erhalten. Unter keinen Umständen sollen Hunde länger als 14 Tage ohne Auslauf in Käfigen gehalten werden. Vorzugsweise sollen mehrere Hunde gemeinsam Auslauf erhalten.
Hundeboxen sollen den Tieren Rückzugsmöglichkeiten bieten. Sie sollen Spielzeug und Elemente zur Raumstrukturierung, einschließlich erhöhter Plattformen, enthalten.
Hunde sollen auf festen Böden gehalten werden. Material, Gestaltung und Konstruktion von Spalten- und perforierten Böden sollen eine Oberfläche ergeben, die das Wohlbefinden der Tiere nicht beeinträchtigt und ihnen einen Ruheplatz mit festem Boden bietet.
Schweine, mit Ausnahme ausgewachsener Eber, sollen in stabilen, sozial harmonischen Gruppen gehalten werden.
Die Gruppen sollen vorzugsweise in Boxen gehalten werden, es sei denn, dies ist wegen des Versuchsvorhabens oder aus Gründen des Tierschutzes nicht möglich.
Die Umwelt der Tiere soll beispielsweise durch Stroh, Ketten, Bälle etc. angereichert werden.
Das Käfigvolumen (Grundfläche, Höhe) soll den spezifischen Anforderungen der verschiedenen Arten, der sozialen Zusammensetzung der Gruppe, dem Alter der einzelnen Tiere, der Verwendung der Tiere (Zucht, Vorratshaltung, Forschung sowie Art und Dauer des wissenschaftlichen Verfahrens) sowie dem Bedarf an Anreicherung Rechnung tragen.
Primatenkäfige sollen eine angereicherte Umwelt bieten.
Primaten sollen in stabilen sozialen Gruppen verträglicher Tiere gehalten werden, wobei die speziesabhängige Verschiedenheit der sozialen Strukturen zu berücksichtigen sind. Die Haltung in Einzelkäfigen ist mit Ausnahme wissenschaftlich besonders begründeter Fälle zu vermeiden.
Forschung ist in den Bereichen anzuregen und zu unterstützen, wo wissenschaftliche Erkenntnisse über die biologischen Bedürfnisse der Tiere noch ausstehen - hierbei sind auch Veränderungen und Entwicklungen bei der Verwendung von Tieren für wissenschaftliche Zwecke zu berücksichtigen. Um die verfügbaren Ressourcen zur Bestimmung optimaler Haltungsbedingungen für Versuchstiere unter Berücksichtigung von Arten und Stämmen (einerseits) und den derzeitigen und künftigen Bedürfnissen der Forschung (andererseits) bestmöglich zu nutzen, haben folgende Bereiche Vorrang:
die wissenschaftliche Validierung von Mindestkäfiggrößen für Nager, einschließlich des Mindestraumbedarfs für das Einzeltier, unter Berücksichtigung sozialer Strukturen und Rollen (Geschlecht, Alter, Hierarchie ...) sowie der Käfiggestaltung usw.;
die wissenschaftliche Validierung der Bodenflächen und Höhen für Primatenkäfige unter besonderer Berücksichtigung des Haltungszwecks (Zucht, Vorratshaltung, Verwendung im Versuch) und der biologischen und sozialen Unterschiede zwischen den einzelnen Arten;
(die Bewertung der) Auswirkungen auf das Wohlbefinden der Tiere, die sich bei der Gruppenhaltung im Vergleich zur Einzelhaltung ergeben, sowie der Reaktionen der Gruppe, wenn nach einer bestimmten Zeit versuchsbedingt einzelne Tiere aus der Gruppe entfernt werden müssen oder die Gruppe aufgeteilt werden muss;
(die Bewertung der) Auswirkungen, die verschiedene Käfigstrukturen auf das Wohlbefinden von Nagern und Primaten haben;
(die Bewertung der) Auswirkungen, die das Angebot von Objekten und strukturierenden Elementen im Rahmen angereicherter Haltungsbedingungen in Käfigen verursacht;
(die Bewertung des) Raumbedarfs von Hunden und ihrer Bedürfnisse hinsichtlich einer angereicherten Umwelt.
5 Der Begriff "Versuchstiere" bezieht sich in dieser Übersetzung auf alle in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallenden Tiere.
6 Nach Anhang A zum Übereinkommen bezeichnet "Box" eine beispielsweise durch Wände, Stäbe oder Maschendraht abgegrenzte Fläche, auf der ein oder mehrere Tiere gehalten werden; je nach Größe des umgrenzten Bereiches und Belegungsdichte ist die Bewegungsfreiheit der Tiere in der Regel weniger eingeschränkt als in einem Käfig.
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2001]
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