IX.   Eingriffe nach dem 4. Abschnitt des Tierschutzgesetzes
(soweit nicht bei der Tierhaltung beschrieben)

Nach § 5 Abs. 1 darf an einem Wirbeltier ohne Betäubung ein mit Schmerzen verbundener Eingriff nicht vorgenommen werden. Die Betäubung warmblütiger Wirbeltiere sowie von Amphibien und Reptilien ist von einem Tierarzt vorzunehmen. Nach Absatz 2 ist eine Betäubung nicht erforderlich,

  1. wenn bei vergleichbaren Eingriffen am Menschen eine Betäubung in der Regel unterbleibt oder der mit dem Eingriff verbundene Schmerz geringfügiger ist als die mit einer Betäubung verbundene Beeinträchtigung des Befindens des Tieres oder

  2. wenn die Betäubung im Einzelfall nach tierärztlichem Urteil nicht durchführbar erscheint.

Nach § 5 Abs. 3 Nr. 7 ist eine Betäubung nicht erforderlich für die Kennzeichnung von Schweinen, Schafen, Ziegen und Kaninchen durch Ohrtätowierung, für die Kennzeichnung anderer Säugetiere innerhalb der ersten zwei Lebenswochen durch Ohr- und Schenkeltätowierung sowie die Kennzeichnung landwirtschaftlicher Nutztiere einschließlich von Pferden durch Ohrmarke, Flügelmarke, injizierten Mikrochip, ausgenommen bei Geflügel, durch Schlagstempel beim Schwein und durch Schenkelbrand beim Pferd. Letztere Methode war in den letzten Jahren stark in die Kritik geraten, nachdem mehrere Anzeigen gegen Brandmeister von den Gerichten unterschiedlich bewertet wurden. Neuere Untersuchungen scheinen jedoch zu belegen, daß der ordnungsgemäß durchgeführte Schenkelbrand für das Pferd nicht belastender als andere Kennzeichnungsmethoden, wie zum Beispiel der injizierte Mikrochip, ist. Verboten ist hingegen der Halsbrand.

Zu der Regelung über das betäubungslose Tätowieren von Hundewelpen war es zu unterschiedlichen Auslegungen gekommen. Nachdem zwei unabhängige Gutachter bestätigt hatten, daß eine Betäubung bei Hundewelpen in der Regel nicht erforderlich ist, da der mit der Tätowierung verbundene Schmerz geringer ist als die Beeinträchtigung des Befindens der Welpen durch die Betäubung, hat BML der betäubungslosen Tätowierung von Welpen unter zwölf Wochen in Auslegung des § 5 Abs. 3 Nr. 7 in Verbindung mit § 5 Abs. 2 Nr. 1 Tierschutzgesetz zugestimmt. Dem haben sich die für den Tierschutz zuständigen Referenten der Länder mehrheitlich angeschlossen.

§ 6 des Tierschutzgesetzes regelt das Amputieren von Körperteilen und das vollständige oder teilweise Entnehmen oder Zerstören von Organen oder Geweben eines Wirbeltieres.

Das Amputationsverbot gilt insbesondere nicht, wenn der Eingriff im Einzelfall nach tierärztlicher Indikation geboten ist oder bei jagdlich zu führenden Hunden für die vorgesehene Nutzung des Tieres unerläßlich ist und tierärztliche Bedenken nicht entgegenstehen (vgl. Abschnitt III 2.12).

Darüber hinaus gilt das Amputationsverbot nicht für das Kastrieren von unter vier Wochen alten männlichen Rindern, Schweinen, Schafen und Ziegen, sofern kein von der normalen anatomischen Beschaffenheit abweichender Befund vorliegt, sowie zur Kennzeichnung von Tieren nach § 5 Abs. 3 Nr. 7.

Das Amputationsverbot gilt auch nicht für bestimmte Eingriffe bei landwirtschaftlichen Nutztieren, sofern der Eingriff im Einzelfall für die vorgesehene Nutzung des Tieres zu dessen Schutz oder zum Schutz anderer Tiere unerläßlich ist.

Bei Eingriffen nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 des Tierschutzgesetzes (Entnehmen von Organen oder Geweben zum Zwecke der Transplantation oder des Anlegens von Kulturen oder zur Untersuchung isolierter Organe, Gewebe oder Zellen) sind unter anderem bestimmte personelle Voraussetzungen, bestimmte Aufzeichnungspflichten sowie eine Anzeigepflicht zu beachten (vgl. Abschnitt XV).

Werden Organe oder Gewebe von einem Tier entnommen, das vorbehandelt wurde, handelt es sich um einen Teil eines Tierversuchs im Sinne des § 7 Abs. 1 des Tierschutzgesetzes, wenn die Vorbehandlung der Tiere Versuchszwecken dient und mit Schmerzen, Leiden oder Schäden verbunden sein kann.

Zudem gilt das Amputationsverbot nicht zur Verhinderung der unkontrollierten Fortpflanzung oder - soweit tierärztliche Bedenken nicht entgegenstehen - wenn zur weiteren Nutzung oder Haltung des Tieres eine Unfruchtbarmachung vorgenommen wird (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5). Solche Eingriffe sind von einem Tierarzt vorzunehmen. Es ist hier davon auszugehen, daß der verantwortungsvolle Tierarzt einen entsprechenden Eingriff nur vornimmt, wenn dies aufgrund der Haltungsbedingungen zur Verhinderung der unkontrollierten Fortpflanzung notwendig und erfolgversprechend ist. Hierzu ist in der Regel eine Einzelfallentscheidung erforderlich. Eine generelle Kastrationspflicht ist hiermit wohl nicht vereinbar.

Neu geregelt wurde mit der Novellierung des Tierschutzgesetzes das Schnabelkürzen beim Geflügel. Die bisherige Regelung hatte durch die nicht hinreichend bestimmte Verwendung des Begriffes "Hornteile" zu unterschiedlichen Interpretationen geführt, so daß die Vorschrift einerseits weit ausgelegt und damit vielfach angewendet wurde. Bei einer engen Auslegung war hingegen das in bestimmten Fällen zur Vermeidung von Federpicken und Kannibalismus unerläßliche Schnabelkürzen beim Geflügel rechtskonform nicht durchführbar. Der Eingriff ist daher nun einem Erlaubnisvorbehalt unterworfen.

Das gleiche gilt für das Kürzen des Schwanzes von bis zu drei Monate alten Kälbern, wenn der Eingriff zur Verhütung der Schwanzspitzenentzündung unerläßlich ist. Zur Erlaubniserteilung sind detaillierte Vorgaben in der neugefaßten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Tierschutzgesetzes vorgesehen.


Zusammenfassung
Kapitel I, II, III, IV, V, VI, VII, VIII, IX, X, XI,   XII,
XIII, XIV, XV 1 - 4, XV 5 - 6 und XVI
Anhänge 1, 2, 3, 4, 5, 6-1, 6-2, 6-3, 7
Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis

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