XII. Betäuben, Schlachten und Töten von Tieren
1 Zum Begriff des "vernünftigen Grundes"
Nach seiner Zweckbestimmung in § 1 Satz 1 schützt das Tierschutzgesetz nicht nur das Wohlbefinden des Tieres, sondern auch dessen Leben. Satz 2 verbietet, Tieren ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen. Bei einheitlicher Betrachtungsweise beider Sätze des § 1 des Tierschutzgesetzes ergibt sich, daß ein Tier nur bei Vorliegen eines vernünftigen Grundes getötet werden darf. Verstöße hiergegen können nach § 17 Nr. 1 mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe geahndet werden.
Eine Legaldefinition des Begriffs "vernünftiger Grund" gibt es nicht. Der Gesetzgeber bedient sich hier zur Beschreibung seiner Ziele eines unbestimmten Rechtsbegriffs, da die vielfältigen Vorgänge der Lebenswirklichkeit nicht umfassend und abschließend dargestellt werden können. Zudem kann durch die offene Tatbestandsformulierung das Tierschutzrecht durch Auslegung und Rechtsprechung weiterentwickelt und gesellschaftlichen Gegebenheiten angepaßt werden, ohne daß eine Gesetzesänderung erforderlich wäre.
Ein vernünftiger Grund kann dann gegeben sein, wenn der mit der Tötung verfolgte Zweck, die die Handlung auslösenden Umstände und die Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts die Handlung des Täters erforderlich machen. Diese auf den ersten Blick eher abstrakten Kriterien sind inzwischen durch gerichtliche Entscheidungen und Bearbeitungen in der Literatur konkretisiert worden (siehe als Beispiel zum vernünftigen Grund: Fangen von Fischen, Abschnitt XIII).
Beispielsweise kann ein vernünftiger Grund im Einzelfall dann vorliegen, wenn ein krankes Tier nur durch eine langwierige und schmerzhafte Behandlung überleben würde. Bei erheblichen, nicht zu lindernden Schmerzen oder Leiden kann sogar eine Verpflichtung zur Tötung eines Tieres bestehen, da nach allgemeiner Anschauung der Schutz des Wohlbefindens eines Tieres über den Schutz seines Lebens gestellt wird.
Nach § 16a Nr. 2 des Tierschutzgesetzes kann die zuständige Behörde als Ultima ratio ein einem Halter fortgenommenes Tier unter Vermeidung von Schmerzen töten lassen, wenn das Tier nach dem Urteil des beamteten Tierarztes nur unter nicht behebbaren Schmerzen, Leiden oder Schäden weiterleben kann. Auch hier hat der beamtete Tierarzt eine Güterabwägung vorzunehmen, bei der insbesondere das Vorliegen eines vernünftigen Grundes geprüft werden muß.
Die vielfältigen Umstände, die Anlaß zur Tötung eines Tieres sein können, sind einer allgemeinen Einteilung in rechtswidrige oder rechtmäßige Fälle nicht zugänglich. Nur das Abstellen auf den Einzelfall unter Einbeziehung aller für das Tier und seinen Halter wichtigen Faktoren kann zu einer der Situation des in der Obhut des Menschen lebenden Tieres angemessenen Entscheidung führen.
Auf dem Gebiet der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung stellt sich die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Tötung von Eintagsküken aufgrund ihres Geschlechts. Durch die extreme Spezialisierung in der Hühnerzucht, auf Legelinien einerseits und Mastlinien andererseits, besteht für den ganz überwiegenden Anteil der männlichen Tiere der Legelinien in der Geflügelwirtschaft keine Verwendung; sie werden bisher aus ökonomischen Gründen trotz bestehender ethischer Bedenken als Eintagsküken getötet. Um diese unbefriedigende Situation zu ändern, hat BML ein Forschungsvorhaben in Auftrag gegeben, dessen Ziel die Entwicklung einer praxisreifen Methode zur Früherkennung "männlicher Leger" bereits in Bruteiern ist. Bei diesem Verfahren soll ermöglicht werden, "männlich determinierte Eier" noch vor der Bebrütung auszusortieren. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, daß ein praktikables Verfahren zur Früherkennung "männlicher Leger" in Bruteiern möglich ist.
Der Transport junger Kälber aus Deutschland nach Frankreich zur Erlangung der dort gewährten Verarbeitungsprämie (sogenannte "Herodes-Prämie") führte in der Öffentlichkeit zu erheblichen Protesten.
Die Regelungen für diese Prämie, mit denen ein Beitrag zur Stabilisierung des europäischen Rindfleischmarktes geleistet werden soll, bestehen seit Anfang 1993. Bislang konnten die Mitgliedstaaten entscheiden, ob sie diese Maßnahmen anwenden. In Großbritannien und Portugal ist dies seit längerer Zeit der Fall; Frankreich wendet die Verarbeitungsprämie seit Oktober 1996 an.
Die Kommission hatte vorgeschlagen, die bisher fakultative Zahlung der Prämie in eine obligatorische Maßnahme umzuwandeln. Durch hartnäckigen Widerstand konnte die Bundesregierung zusammen mit anderen Mitgliedstaaten dies im Rat verhindern.
Der Agrarministerrat ist dem Vorschlag der Bundesregierung gefolgt und hat als Alternative eine Frühvermarktungsprämie für Mastkälber beschlossen. Die Mitgliedstaaten haben somit die Möglichkeit, die Verarbeitungsprämie für nüchterne Kälber und / oder eine Frühvermarktungsprämie für Mastkälber zu gewähren.
Nicht zuletzt aus ethischen Gründen hat die Bundesregierung dafür gekämpft, daß die Verarbeitungsprämie in Deutschland nicht angeboten werden muß. Hier kann für die weitere Aufzucht der Kälber die Frühvermarktungsprämie in Anspruch genommen werden.
Bedauerlicherweise besteht jedoch ein ausreichender finanzieller Anreiz zur Lieferung von Kälbern nach Frankreich. Die Bundesregierung hat daher auf eine Änderung der Verordnung gedrängt, damit solche Transporte künftig unterbleiben. Denkbar wäre eine Regelung, wonach nur für die im jeweiligen Mitgliedstaat geborenen Kälber die Verarbeitungsprämie gewährt werden kann. Dies hat die Kommission unter Hinweis auf den einheitlichen Markt abgelehnt.
Die Bundesregierung wird sich weiter dafür einsetzen, daß im Rahmen der Agenda 2000 andere, ethisch eher vertretbare Maßnahmen zur Wiederherstellung des Gleichgewichts auf dem Rindfleischmarkt durchgesetzt werden.
2 Schlachten und Töten von Tieren
In der Bundesrepublik Deutschland wurden 1997 5,0 Millionen Rinder, 38,6 Millionen Schweine, 962.911 Schafe und Ziegen und 18.749 Pferde geschlachtet. Bei Geflügel wird statistisch nur das Schlachtgewicht, welches 643.360 Tonnen betrug, erfaßt.
2.1 Europarat
In der Bundesrepublik Deutschland wurden 1997 5,0 Millionen Rinder, 38,6 Millionen Schweine, 962.911 Schafe und Ziegen und 18.749 Pferde in gewerblichen sowie Hausschlachtungen geschlachtet. Bei Geflügel wird statistisch nur das Schlachtgewicht, welches 643.360 Tonnen betrug, erfaßt.
Das Europäische Übereinkommen vom 10. Mai 1979 über den Schutz von Schlachttieren enthält Grundsätze und Detailbestimmungen, die dem Schutz von Einhufern, Wiederkäuern, Schweinen, Kaninchen und Geflügel, soweit sie als Haustiere gehalten werden, vor vermeidbaren Schmerzen oder Leiden beim Verbringen, Unterbringen, Ruhigstellen, Betäuben und Schlachten dienen. Die Bundesrepublik Deutschland hat das Übereinkommen unterzeichnet und 1983 ratifiziert (Gesetz vom 9. Dezember 1983 - BGBl. 1983 II S. 770), ebenso sind Bosnien-Herzegowina, Dänemark, Finnland, Griechenland, Irland, Italien, Kroatien, Luxemburg, Mazedonien, die Niederlande, Norwegen, Portugal, Schweden, die Schweiz und Slowenien dem Übereinkommen beigetreten; Belgien, Frankreich, das Vereinigte Königreich und Zypern haben es unterzeichnet. Mit Beschluß 88/306/EWG des Rates vom 16. Mai 1988 über den Abschluß des Europäischen Übereinkommens zum Schutz von Schlachttieren (ABl. EG Nr. L 137 S. 25) wurde das Übereinkommen im Namen der Europäischen Union genehmigt. Sobald alle EU-Mitgliedstaaten das Übereinkommen ratifiziert haben, wird die Europäische Union die Genehmigungsurkunde beim Generalsekretär des Europarates hinterlegen.
2.2 Europäische Union
Auf EU-Ebene liegt hierzu die Richtlinie 93/119/EG des Rates vom 22. Dezember 1993 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Schlachtung oder Tötung (ABl. EG Nr. L 340 S. 21) vor, mit der die Richtlinie 74/577/EWG des Rates vom 18. November 1974 über die Betäubung von Tieren vor dem Schlachten (ABl. EG Nr. L 316 S. 10) abgelöst worden ist.
Die Richtlinie enthält Mindestanforderungen hinsichtlich der baulichen und technischen Ausstattung und der Wartung der Anlagen und Geräte, die beim Umgang mit lebenden Schlachttieren in Schlachthöfen verwendet werden, sowie in bezug auf das Entladen, die Unterbringung und Betreuung der Tiere in Schlachthöfen. Für den Regelfall ist vor der Schlachtung eine Betäubung vorgeschrieben, und es sind bestimmte zulässige Betäubungs- und Tötungsverfahren festgelegt. Während sich die meisten Vorschriften der Richtlinie auf das Schlachten von Einhufern, Wiederkäuern, Schweinen, Kaninchen und Geflügel im Schlachthof, bei der Hausschlachtung oder in anderen Schlachtstätten beziehen, gilt der allgemeine Grundsatz, daß die Tiere beim Ruhigstellen, Betäuben, Schlachten und Töten von vermeidbaren Aufregungen, Schmerzen und Leiden verschont bleiben müssen, für alle unter der Obhut des Menschen gehaltenen Tiere, die zur Gewinnung von
Fleisch, Häuten, Pelzen oder sonstigen Erzeugnissen gehalten werden. Für das Töten landwirtschaftlicher Nutztiere zum Zwecke der Seuchenbekämpfung, von Pelztieren sowie Eintagsküken sind darüber hinaus spezifische Anforderungen festgelegt.
2.3 Bundesrepublik Deutschland
§ 4 Abs. 1a des Tierschutzgesetzes unterwirft das berufs- oder gewerbsmäßige Betäuben oder Töten von Wirbeltieren einem Sachkundevorbehalt (siehe auch Abschnitt II 4).
Nach § 4a Abs. 1 des Tierschutzgesetzes sind warmblütige Tiere beim Schlachten vor dem Blutentzug zu betäuben. Ausnahmen sind nach § 4a Abs. 2 des Tierschutzgesetzes nur zulässig
bei Notschlachtungen,
wenn die zuständige Behörde eine Ausnahmegenehmigung für das Schlachten ohne vorherige Betäubung (Schächten) erteilt hat oder
wenn dies als Ausnahme durch Rechtsverordnung nach § 4b Nr. 3 bestimmt ist.
Eine Ausnahmegenehmigung nach § 4a Abs. 2 Nr. 2 darf nur insoweit erteilt werden, als es erforderlich ist, den Bedürfnissen von Angehörigen bestimmter Religionsgemeinschaften im Geltungsbereich des Gesetzes zu entsprechen, denen zwingende Vorschriften ihrer Religionsgemeinschaft das Schächten vorschreiben oder den Genuß von Fleisch nicht geschächteter Tiere untersagen. Diese Regelung trägt dem durch Artikel 4 Abs. 2 des Grundgesetzes geschützten Grundrecht auf freie Religionsausübung Rechnung.
Das Verwaltungsgericht Hamburg hat allerdings 1989 in einem Urteil eine Klage auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für die Durchführung von Schlachtungen nach islamischem Ritus abgewiesen und in der Begründung seine Überzeugung ausgedrückt, "daß in der Islamischen Religionsgemeinschaft keine zwingenden Vorschriften bestehen, die den Angehörigen dieser Religionsgemeinschaft das Schächten vorschreiben oder den Genuß von Fleisch nicht geschächteter Tiere (hier: Rinder und Schafe) untersagen." Die Berufung gegen dieses Urteil hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Rechtsauffassung vertreten, daß die Regelung des § 4a Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Nr. 2 des Tierschutzgesetzes im Hinblick auf Gläubige, die den Verzehr von Fleisch nicht geschächteter Tiere aus religiösen Gründen für verboten hielten, keinen Eingriff in deren Grundrecht auf ungestörte Religionsausübung darstelle. Für diesen Personenkreis sei das Schächten von Tieren nicht Teil der Religionsausübung, sondern lediglich Bedingung für die Gewinnung eines nach ihren religiösen Begriffen einwandfreien - aber verzichtbaren - Nahrungsmittels. Die genannten Regelungen würden auch insoweit nicht mittelbar zu einem Zwang für den einzelnen Gläubigen führen, die religiösen Vorschriften zu mißachten, da zum einen der Import von Fleisch geschächteter Tiere möglich sei und zum anderen Fleisch keinen notwendigen Bestandteil der menschlichen Ernährung darstelle.
Das Berufungsgericht hat darüber hinaus hilfsweise ausgeführt, daß das Grundrecht der ungestörten Religionsausübung zwar nicht unter einem Gesetzesvorbehalt stehe, ein derartiges vorbehaltloses Grundrecht jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes nicht schrankenlos gewährleistet sei. Die Regelung des § 4a Abs. 2 Nr. 2 des Tierschutzgesetzes sei Ausdruck dieser beachtlichen immanenten Grundrechtsschranke, da dem Rechtsgut des Tierschutzes, dem durch das grundsätzliche Verbot des Schächtens Rechnung getragen werde, über Artikel 1 Abs. 1 GG Verfassungsrang zukomme (vgl. dazu Abschnitt II.4). Die aus dieser Grundrechtskonkurrenz resultierende Einschränkung des Grundrechts auf ungestörte Religionsausübung sei auch verhältnismäßig. Nur in den Fällen, in denen die Freiheit der Religionsausübung tangiert werde, trete das Rechtsgut des Tierschutzes zurück, nicht aber bereits dann, wenn das Schächten in bestimmten religiösen Kreisen lediglich eine traditionelle Schlachtmethode darstelle.
Die Revision gegen das Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichtes wurde 1995 vom Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen (BVerwGE 99, 1 ff.;DVBl. 1996, 434 ff.). Das BVerwG hat die Rechtsauffassung der Vorinstanz bestätigt und ausgeführt, daß eine individuelle Glaubensüberzeugung vom Bestehen eines religiösen Verbotes, das Fleisch nicht-geschächteter Tiere zu essen, zur Feststellung einer entsprechenden zwingenden religiösen Vorschrift nicht ausreicht. Vielmehr müsse die Religionsgemeinschaft als solche Anordnungen mit dem Anspruch unbedingter Verbindlichkeit getroffen haben oder von einer ihr übergeordneten Instanz als getroffen ansehen.
Inzwischen wurde in diesem Zusammenhang beim Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde eingereicht.
Wechselwarme Wirbeltiere, also zum Beispiel Fische, dürfen nach § 4 Abs. 1 nur unter Betäubung oder sonst, soweit nach den gegebenen Umständen zumutbar, nur unter Vermeidung von Schmerzen getötet werden.
Auch das Töten von Tieren zur anschließenden Entnahme von Organen oder Geweben im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 4 des Tierschutzgesetzes darf nur unter Betäubung oder sonst unter Vermeidung von Schmerzen von einer sachkundigen Person vorgenommen werden.
In § 13a des Tierschutzgesetzes wird BML ermächtigt, durch Rechtsverordnung Anforderungen an freiwillige Prüfverfahren zu bestimmen, mit denen nachgewiesen wird, daß beim Schlachten verwendete Betäubungsgeräte und -anlagen über die Anforderungen des einschlägigen Tierschutzrechts hinausgehen. Mit der fachlichen Vorbereitung dieser Verordnung wird noch in diesem Jahr begonnen. Nach § 16 Abs. 7 des Tierschutzgesetzes kann die zuständige Behörde unter bestimmten Voraussetzungen eine gutachterliche Stellungnahme über Betäubungsanlagen oder -geräte verlangen, es sei denn, es liegt ein erfolgreicher Abschluß einer freiwilligen Prüfung vor.
Mit der Verordnung zum Schutz von Tieren im Zusammenhang mit der Schlachtung oder Tötung (Tierschutz-Schlachtverordnung) vom 3. März 1997 (BGBl. I S. 405) wird das Schlachten und Töten von Tieren umfassend geregelt. Sie dient der Umsetzung der Richtlinie 93/119/EG in nationales Recht. Gleichzeitig wird das vorkonstitutionelle Schlachtrecht (Gesetz und Verordnungen aus den dreißiger Jahren) abgelöst, wobei dessen Bestimmungen dem aktuellen Erkenntnisstand entsprechend übernommen, angepaßt oder ergänzt werden. Zudem wird dem Europäischen Übereinkommen vom 10. Mai 1979 über den Schutz von Schlachttieren (BGBl. II S. 770) einschließlich der im Rahmen einer Multilateralen Konsultation der Vertragsparteien erarbeiteten Empfehlung zum Schlachten von Tieren Rechnung getragen.
Die Verordnung legt spezifische Anforderungen nicht nur für die Schlachtung oder Tötung von landwirtschaftlichen Nutztieren, sondern auch von anderen Tieren fest, die zur Gewinnung tierischer Erzeugnisse bestimmt sind oder die auf Grund einer behördlichen Veranlassung getötet werden sollen. Dies schließt grundsätzlich Fische und Krustentiere ein. Die Verordnung findet keine Anwendung auf die weidgerechte Ausübung der Jagd.
Neben dem Grundsatz, daß Tiere so zu betreuen, ruhigzustellen, zu betäuben, zu schlachten oder zu töten sind, daß bei ihnen nicht mehr als unvermeidbare Aufregung, Schmerzen, Leiden oder Schäden verursacht werden, legt die Verordnung die zulässigen Betäubungs- oder Tötungsverfahren sowie die zum Schutz der Tiere erforderlichen baulich-technischen und personellen Anforderungen fest.
Auf folgende Bestimmungen wird besonders hingewiesen:
jeder, der ein Tier betreut, ruhigstellt oder schlachtet oder tötet, muß über die hierzu jeweils notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen. Darüber hinaus wird das berufsmäßige Ruhigstellen, Betäuben oder Schlachten von Tieren von einer Sachkundebescheinigung abhängig gemacht;
für Schlachtbetriebe werden die zum Schutz der Tiere notwendigen Bestimmungen im Hinblick auf die bauliche und technische Ausstattung und den Betrieb - einschließlich des Betreuens der Tiere - festgelegt;
die zulässigen Betäubungs- und Tötungsverfahren werden abschließend und im Detail geregelt, wobei der aktuelle Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse sowie praktischer Erfahrungen berücksichtigt werden;
die nach Landesrecht zuständigen Behörden können weitere Betäubungs- oder Tötungsverfahren zum Zwecke ihrer Erprobung zulassen; Voraussetzung ist hier, daß sich diese Verfahren bereits im Rahmen von Tierversuchen als mit den Grundsätzen der Verordnung vereinbar erwiesen haben.
In Abschnitt 1 der Tierschutz-Schlachtverordnung sind die Vorschriften zusammengefaßt, die - soweit anwendbar - unabhängig vom Ort der Betreuung oder Unterbringung oder der Schlachtung oder Tötung für alle von der Verordnung erfaßten Tiere gelten.
Während das Entladen der Tiere von den Transportfahrzeugen in der Tierschutztransportverordnung geregelt wird, legt die Tierschutz-Schlachtverordnung hierzu lediglich die erforderlichen baulichen oder technischen Ausstattungen der Schlachtbetriebe fest.
Im Gegensatz zum Schlachtbetrieb, in dem warmblütige Tiere gewerbsmäßig geschlachtet werden, bezeichnet der Begriff "Schlachtstätte" jeden Ort, an dem ein Tier geschlachtet wird. Die Bestimmungen gelten also beispielsweise auch für das Treiben und Befördern der Tiere in einem landwirtschaftlichen Betrieb im Rahmen der Hausschlachtung.
Zum Schutz der Tiere werden bestimmte Handlungen verboten, die bedauerlicherweise besonders häufig zu verzeichnen sind. Dazu gehört unter anderem das Drehen oder Brechen des Schwanzes. Selbstverständlich sind auch nicht gesondert aufgezählte Handlungen verboten, die zu vermeidbaren Schmerzen, Leiden oder Schäden führen, wie zum Beispiel der mißbräuchliche, grobe Einsatz des Schlagstempels als Treibhilfe. Als geeignete Treibhilfen können bei Schweinen vor allem Treibschilde, bei anderen Tieren elastische Stöcke eingesetzt werden, mit denen die Tiere gelenkt und dabei allenfalls leicht geschlagen werden. Ein solches tierschutzgerechtes Treiben ist in der Praxis durchaus möglich, wenn bei der baulichen Gestaltung der Treibwege auf das Tierverhalten Rücksicht genommen wurde, die betreuenden Personen sachkundig und die Tiere in nicht zu großen Gruppen getrieben werden. Unter diesen Voraussetzungen ist der Einsatz elektrischer Treibhilfen in der Regel nicht erforderlich. Werden sie dennoch eingesetzt, so dürfen nach einer Übergangszeit nur solche Geräte in zurückhaltender Weise verwendet werden, die durch eine automatische Abschaltung des Stromstoßes nach spätestens zwei Sekunden eine unnötig lange Stromeinwirkung auf die Tiere verhindern. Ein Routineeinsatz elektrischer Treibgeräte ist in jedem Fall verboten.
In Abschnitt 2 der Verordnung sind Vorschriften zusammengefaßt, die nur für Schlachtbetriebe, also für Orte, an denen warmblütige Tiere gewerbsmäßig geschlachtet werden, von Bedeutung sind. Sie beziehen sich auf die bauliche und technische Ausstattung und den Ablauf von Schlachtbetrieben einschließlich des Betreuens der Schlachttiere.
In Abschnitt 3 werden die Vorschriften zum Aufbewahren von Fischen und anderen kaltblütigen Tieren aus der vorkonstitutionellen Verordnung über das Schlachten und Aufbewahren von lebenden Fischen und anderen kaltblütigen Tieren in aktualisierter Form übernommen. Um ein Aufbewahren im Sinne der Verordnung handelt es sich, wenn lebende Fische oder Krustentiere nach dem Fang und gegebenenfalls Transport bis zu ihrer Schlachtung oder Tötung gehältert oder, bei Krustentieren, in sonstiger geeigneter Weise gehalten werden. An Endverbraucher, ausgenommen Gaststätten und ähnliche Einrichtungen, dürfen Fische nicht lebend abgegeben werden, um einem möglichen unsachgemäßen Umgang mit den Tieren vorzubeugen.
Beim Betäuben und Schlachten oder Töten handelt es sich um Vorgänge, die in der Regel kaum voneinander zu trennen sind. Eine Betäubung kann innerhalb von Sekundenbruchteilen in den Tod übergehen, während das Schlachten eine besondere Form des Tötens ist. Es unterscheidet sich von anderen Tötungen durch den obligatorisch vorgenommenen Blutentzug und die Zweckbestimmung der Lebensmittelgewinnung. Aus Tierschutzsicht ist eine Betäubung, die unabhängig von einem Entbluten in den Tod übergeht, besonders erstrebenswert. Sie stellt sicher, daß ein zwischenzeitliches Erwachen - und somit Entbluten der Tiere bei Bewußtsein - ausgeschlossen ist. Untersuchungen insbesondere bei Geflügel und Schweinen haben ergeben, daß Betäubungsverfahren, die die Tiere gleichzeitig töten, bei ausreichender Entblutungszeit keine Qualitätseinbußen des Fleisches zur Folge haben. Auch bestehen keine fleischhygienerechtlichen Bedenken, wenn den sonstigen Bestimmungen des Fleischhygienerechts Rechnung getragen wurde.
Nur mit störungsfrei arbeitenden Geräten ist eine tierschutzgerechte Betäubung zu erreichen. So stellen korrodierte oder verschmutzte Elektroden oder feucht gewordene Patronen Risiken für eine ordnungsgemäße Betäubung dar. Daher sind die Betäubungsgeräte und -anlagen arbeitstäglich zu überprüfen und gegebenenfalls zu warten. Bei der Überprüfung der Anlage oder des Gerätes vor der jeweiligen Inbetriebnahme am Schlachttag, die bei nur gelegentlich benutzten Einrichtungen ganz besonders wichtig ist, können solche Fehlerquellen ausgeschaltet werden. Die tägliche Überprüfung der Geräte muß durch eine sachkundige Person vorgenommen werden. Bolzenschußapparate müssen nach den waffenrechtlichen Bestimmungen jeweils nach Ablauf von zwei Jahren, bei wesentlichen Funktionsmängeln jedoch unverzüglich, dem Hersteller oder dessen Beauftragten zur Prüfung vorgelegt werden.
Die Person, die die Betäubung vornimmt, muß Störungen im Betrieb sofort erkennen können und ist für die ordnungsgemäße Reinigung des Gerätes während des Gebrauchs verantwortlich. Mindestens ein Ersatzgerät muß zu jeder Zeit einsatzbereit sein, also auch, wenn eines der Geräte ausgefallen ist oder sich in der Inspektion befindet. Bei Kohlendioxidbetäubungsanlagen muß das Ersatzgerät am Auswurf der Anlage einsatzbereit gehalten werden. Angesichts der geringeren Störanfälligkeit von Wasserbadbetäubungsanlagen wird unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht verlangt, eine zweite Anlage vorrätig zu halten. Für den Fall einer Störung sollten Ersatzteile und Fachleute für eine Reparatur schnell verfügbar sein.
Ausschließlich die in der Anlage 3 der Verordnung für die jeweiligen Tierarten genannten Betäubungs- oder Tötungsverfahren sind zulässig. Es werden nur diejenigen Verfahren zugelassen, mit denen nach den verfügbaren Erkenntnissen bei den jeweiligen Tierkategorien eine tierschutzgerechte Betäubung und Tötung sichergestellt werden kann. Für die Erprobung neuer Verfahren besteht dabei genügend Freiraum, da Tierversuche, soweit andere Anforderungen unerläßlich sind, vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen sind und die zuständige Behörde darüber hinaus Ausnahmen von der Verfahrensbeschränkung zulassen kann, wenn andere Betäubungs- oder Tötungsverfahren erprobt werden sollen.
Tiere sind nach dem Betäuben zu entbluten, solange sie empfindungs- und wahrnehmungsunfähig sind. Um dem Erfordernis des sofortigen Entblutens nach der Betäubung Rechnung tragen zu können, dürfen bei der Schlachtung von Einhufern und Tieren der Gattungen Rind, Schaf, Ziege und Schwein durch nur eine Person die Tiere erst betäubt werden, wenn diese Person den Entblutungsstich beim vorhergehenden Tier vorgenommen hat. Der Entblutungserfolg muß in jedem Fall kontrolliert werden können. Bei der Entblutung mit Hohlmessern kann dies beispielsweise durch den Gebrauch durchsichtiger Schläuche erreicht werden; in großen Betrieben ist auch denkbar, daß die Kontrolle durch automatische Wiegungen der Tiere vor und nach dem Entbluten erfolgt. Nach dem Entblutungsschnitt dürfen weitere Schlachtarbeiten am Tier erst durchgeführt werden, wenn keine Bewegungen des Tieres mehr wahrzunehmen sind.
Zur Vermeidung unbilliger Härten werden für bestimmte Vorschriften Übergangsfristen und ein gestaffeltes Inkrafttreten vorgesehen. Hiermit soll dem Rechtsunterworfenen die Möglichkeit gegeben werden, sich auf die Anforderungen der Verordnung einzustellen.
Darüber hinaus schreibt die nationale Tierschutz-Schlachtverordnung für größere Schlachtbetriebe spezielle Protokollcomputer vor, die die für eine tierschutzgerechte Elektrobetäubung wichtigen Parameter elektronisch aufzeichnen, so daß jederzeit kontrolliert werden kann, ob beispielsweise die erforderliche Mindeststromstärke innerhalb der ersten Sekunde erreicht wurde.
Der Bundesrat hat am 6. November 1998 einer Verordnungsinitiative, die von Baden-Württemberg eingebracht wurde, zugestimmt. Mit dieser Änderungsverordnung sollen die in § 4 der Tierschutz-Schlachtverordnung enthaltene Sachkunderegelung für das berufsmäßige Schlachten von Einhufern, Wiederkäuern, Schweinen, Kaninchen und Geflügel flexibilisiert sowie Fehlverweisungen korrigiert werden.
3 Regulieren von Wirbeltierpopulationen
Von zahlreichen Betroffenen wird die Verminderung bestimmter überhöhter Wirbeltierbestände gefordert, insbesondere wenn diese die Gesundheit des Menschen oder seiner Nutztiere gefährden, wirtschaftliche Schäden verursachen, die Sicherheit von Verkehrsanlagen bedrohen, als Schädlinge oder Lästlinge im Siedlungsbereich auftreten oder Verminderungsmaßnahmen aus Gründen des Artenschutzes für erforderlich gehalten werden, ein vernünftiger Grund für die Tötung also in der Regel vorliegt. In jedem Fall muß die Person, die Wirbeltiere tötet, sachkundig sein. Darüber hinaus bedarf derjenige, der gewerbsmäßig Wirbeltiere als Schädlinge bekämpft, gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe e der Erlaubnis der zuständigen Behörde.
Nach § 13 Abs. 1 des Tierschutzgesetzes ist es verboten, zum Fangen, Fernhalten oder Verscheuchen von Wirbeltieren Vorrichtungen oder Stoffe anzuwenden, wenn damit die Gefahr vermeidbarer Schmerzen, Leiden oder Schäden für Wirbeltiere verbunden ist; dies gilt nicht für die Anwendung von Vorrichtungen oder Stoffen, die aufgrund anderer Rechtsvorschriften zugelassen sind. Vorschriften des Jagd-, Naturschutz-, Pflanzenschutz- und Seuchenrechts bleiben von dieser Bestimmung unberührt. Hierbei wird von der Einheit der Rechtsordnung ausgegangen: was aufgrund der genannten Rechtsvorschriften zugelassen ist, kann nicht generell durch das Tierschutzgesetz verboten werden. Die Belange des Tierschutzes sind jedoch angemessen zu berücksichtigen. Gegebenenfalls müssen bereits zugelassene Methoden oder Verfahren überprüft und geändert werden; dies ist eine Daueraufgabe.
Die Auslegung dieser Vorschrift bei der Planung und Durchführung bestandsvermindernder Maßnahmen gestaltet sich oft schwierig. Denn hier muß im Einzelfall beurteilt werden, ob bei der Durchführung der jeweiligen Maßnahme die Gefahr vermeidbarer Schmerzen, Leiden oder Schäden für Wirbeltiere besteht. Zusätzlich muß geprüft werden, ob hierfür ein vernünftiger Grund vorliegt. Dies wird immer dann zu bejahen sein, wenn wichtige Rechtsgüter gefährdet werden und das Mittel angewandt wird, das den betroffenen Tieren die geringsten Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügt. Zur Klärung strittiger Fragen hat BML das Gutachten über "Maßnahmen zur Verminderung überhandnehmender freilebender Säugetiere und Vögel. Bestandsaufnahme, Berechtigung und tierschutzrechtliche Bewertung" in Auftrag gegeben. Hierin werden diejenigen Tierarten beschrieben, die regelmäßig oder in nennenswertem Umfang von Verminderungsmethoden betroffen sind oder bei denen Verminderungsmaßnahmen erwogen werden. Das Gutachten ist in der Schriftenreihe des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Reihe A: Angewandte Wissenschaft, veröffentlicht (Heft 404: Müssen wir Tiere gleich töten?, Landwirtschaftsverlag, Münster-Hiltrup, 1991).
Nach den Erfahrungen der Länder stellt die tierschutzgerechte Verminderung überhöhter Populationen verwildeter Haustauben und Katzen in Städten ein besonderes Problem dar. Das aus wissenschaftlicher Sicht geeignetste Mittel - ein generelles Fütterungsverbot - sei unter Praxisbedingungen nur schwer durchsetzbar und werde häufig aus falsch verstandener Tierliebe unterlaufen.
Um die vor allem in manchen Großstädten der neuen Bundesländer vorhandene erhebliche Zahl streunender Katzen zu begrenzen, wird insbesondere die Kastration dieser Tiere als notwendig angesehen.
In jüngster Zeit wird der Einsatz von Lasergewehren zum Vergrämen von Kormorankolonien diskutiert. Zur tierschutzrechtlichen Beurteilung dieser Methoden wird derzeit vom Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin eine Untersuchung durchgeführt.
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Anhänge 1, 2, 3, 4, 5, 6-1, 6-2, 6-3, 7 | |||||
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