Chromosomenstörungen und Chromosonenanalyse
Cytogenetik am Institut für Medizinische Genetik und Angewandte Genomik Tübingen

Cytogenetik

Chromosomenstörungen und Chromosonenanalyse

Was ist Cytogenetik?

Die Cytogenetik beschäftigt sich mit der Analyse der Chromosomen (aus dem Griechischen: chroma = Farbe, soma = Körperchen, also „Farbkörperchen”). Chromosomen sind die Träger der Erbanlagen (Gene). Nach einer Kultivierung und Aufarbeitung von Zellen kann man die Chromosomen mittels spezieller Färbetechniken sichtbar machen, so dass sie am Lichtmikroskop ausgewertet werden können.

Der Mensch besitzt insgesamt 46 Chromosomen: 22 Autosomenpaare und zwei Geschlechtschromosomen. Dabei stammt immer eines der Chromosomen vom Vater und das andere Chromosom von der Mutter. Ein wie in den Abbildungen dargestellter sortierter Chromosomensatz wird auch Karyotyp genannt.

Abbildung weiblicher Chromosomensatz
Chromosomensatz einer Frau: 46,XX
Abbildung männlicher Chromosomensatz
Chromosomensatz eines Mannes: 46,XY
Eine Veränderung der Zahl und/oder der Struktur der Chromosomen kann Ursache für viele Probleme sein:
  • angeborene Entwicklungsstörungen (geistige und/oder körperliche Behinderungen)
  • unerfüllter Kinderwunsch (Sterilität)
  • gehäufte Fehlgeburten
  • somatische Chromosomenstörungen in Tumorzellen
Häufigkeit von Chromosomenstörungen:

Fehlgeburtsmaterial: 

50%
Totgeburt:  
 5%
Kinder mit angeborenen Fehlbildungen
Kinder mit angeborenen Fehlbildungen
Bei Neugeborenen:  
a. 0,5%
Häufigkeit von Chromosomenstörungen bei ungewollter Kinderlosigkeit (Sterilität):



Männer: 6-12%
Frauen: 2-6%
Häufigkeit von Chromosomenstörungen bei wiederholten Aborten:
5-7% bei einem der Partner (ab der 3. Fehlgeburt)

Wir beraten Sie in unserer Klinisch-genetische Sprechstunde

In nahezu allen Gebieten der Medizin treten Erkrankungen auf, welche durch genetische Veränderungen (mit-)verursacht werden. Im Rahmen der humangenetischen Beratung informieren wir Sie über Möglichkeiten und Grenzen genetischer Untersuchungen sowie deren Bedeutung für die Lebens- und Familienplanung, um Ihnen so eine persönliche Entscheidung im Umgang mit genetischen Untersuchungen zu ermöglichen.

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Was ist eine Chromosomenanalyse?

Eine klassische Chromosomenanalyse gehört auch heute noch zu den wichtigen Basisuntersuchungen einer genetischen Analyse.

Durch eine Chromosomenanalyse wird an einer größeren Anzahl von Mitosen (mindestens 10-15) eine numerische und strukturelle Beurteilung der einzelnen Chromosomen vorgenommen. Das Ergebnis einer solchen Chromosomenanalyse gibt eine hohe, aber keine absolute Sicherheit. Mittels Chromosomenanalyse können nur solche Veränderungen nachgewiesen werden, die im Lichtmikroskop sichtbar sind. Kleinere strukturelle Aberrationen (z.B. Mikrodeletionen), geringgradige Mosaike (das gleichzeitige Vorhandensein von Zellen mit normalem Chromosomensatz und Zellen mit auffälligem Chromosomensatz in einem Individuum) oder Genmutationen lassen sich mit den in der Routinediagnostik angewandten Methoden nicht nachweisen.

In den letzten Jahren sind die Analysemethoden verfeinert und erweitert worden. So kann es in manchen Fällen sinnvoll sein, auch bei unauffälligem Vorbefund eine Chromosomenanalyse zu wiederholen und gegebenenfalls um spezifische Techniken zu erweitern (molekular-cytogenetische Untersuchungen oder spezifische molekulargenetische Analysen). Dies kann besonders dann zutreffen, wenn der Vorbefund schon längere Zeit zurück liegt oder sich die Fragestellung geändert bzw. präzisiert hat.

Postnatal erfolgt die Analyse aus kultivierten Blutlymphocyten oder Abortgewebe, bei speziellen Fragestellungen (z.B. Mosaikabklärung) z.B. auch aus einer Hautbiopsie. Pränatal erfolgt die Analyse aus Chorionzotten, Amnionzellen und Nabelschnurblut. Bei vielen Indikationen kann es sinnvoll sein, die Analyse mit einer genetischen Beratung zu kombinieren.

Durch die Chromosomenanalyse können numerische Chromosomenstörungen, wie z.B. ein Down-Syndrom diagnostiziert werden. Außerdem können strukturelle chromosomale Veränderungen festgestellt werden (z.B. unbalanciert bei auffälligen Individuen oder balanciert bei gesunden Personen mit unerfülltem Kinderwunsch, gehäuften Aborten oder einem Angehörigen mit einer Chromosomenstörung). Zusätzliche Techniken, wie die Fluoreszenz-in situ-Hybridisierung (FISH), ermöglichen die gezielte Analyse kleiner Anomalien im submikroskopischen Bereich. Zur Gruppe dieser Anomalien gehören zum Beispiel Mikrodeletionssyndrome. Besteht z.B. der klinische Verdacht auf ein Prader-Willi- oder DiGeorge-Syndrom, kann gezielt eine FISH-Sonde (fluoreszenzmarkierte DNA-Sonde) auf ein Chromosomenpräparat hybridisiert werden, um die entsprechende Mikrodeletion nachzuweisen oder auszuschließen.

Neben anderen Anwendungen ist ein wichtiges Einsatzgebiet spezifischer FISH-Sonden der pränatale Schnelltest. Innerhalb eines Arbeitstages kann aus unkultivierten Fruchtwasserzellen festgestellt werden, ob eine numerische Störung der Chromosomen 13, 18, 21 (lebensfähige Trisomien) bzw. der Geschlechtschromosomen vorliegt.


Die FISH ermöglicht die Detektion von lichtmikroskopisch nicht erkennbaren Mikrodeletionen oder -duplikationen, kann  z. B. komplexere chromosomale Umbauten bestätigen und pränatal innerhalb weniger Tage i.R. des pränatalen Schnelltests eine Verdachtsdiagnose (z.B. auf ein Down-Syndrom) bestätigen oder ausräumen.