Lebertransplantationen bei Säuglingen sind eine Herausforderung für Chirurginnen und Chirurgen. Die Gefäße von Säuglingen und Kleinkindern sind mikroskopisch klein – vergleichbar mit dem Durchmesser einer Kugelschreibermine – und somit eine große operativ-technische Herausforderung. Darüber hinaus benötigen Säuglinge und Kleinkinder oft Organe von kleinen oder jungen Spendern. Diese sind allerdings seltener verfügbar, die Wartezeiten sind teilweise lang. Um dieses Problem zu umgehen, wird meist die Split-Leber-Methode eingesetzt: Die Leber eines Organspenders wird in zwei Teile geteilt – ein Teil für das Kind und der andere für einen Erwachsenen. Dadurch ist die Operation allerdings technisch komplexer und risikoreicher.
Während sich die Erfolgsrate bei Lebertransplantationen bei Erwachsenen in den vergangenen Jahrzehnten deutlich verbessert hat, liegt die Überlebensrate von Säuglingen, die eine Leber von einem verstorbenen Organspender erhalten, weltweit nur zwischen 67 und 79 Prozent. Am Universitätsklinikum Tübingen sind die Zahlen allerdings deutlich besser. Das geht aus einer Langzeitstudie hervor, die wir durchgeführt haben. Hierfür haben wir die Überlebensraten und die chirurgischen Komplikationen bei Kindern analysiert, die zwischen 2005 und 2020 eine Lebend-Lebertransplantationen erhalten haben und weniger als zehn Kilogramm wogen. Das Ergebnis: Ein Jahr nach der jeweiligen Transplantation leben alle operierten Säuglinge, nach zehn Jahren sind es 92 Prozent. Damit gehören wir nicht nur in Europa zu den besten, sondern auch weltweit sind wir unter den besten Zentren zu finden.
Für die hohe Erfolgsrate gibt es mehrere Gründe. Ein perfekt aufeinander eingespieltes, interdisziplinäres Team aller beteiligten Fachbereiche zeichnet die hohe Erfolgsquote bei Transplantationen am Uniklinikum Tübingen aus. Diese Expertise in allen Bereichen habe ich an keiner anderen Klinik bisher erlebt. Ich vergleiche diese Arbeit gerne mit einem präzisen Schweizer Uhrwerk – alle Rädchen greifen auch bei uns perfekt ineinander.
Vor der Transplantation prüfen wir sehr genau, ob ein Organ für das Kind wirklich geeignet ist. Wenn wir das Organ dann transplantieren, folgen wir einem genauen Fahrplan. Für jede Situation, die auftreten kann, gibt es strenge Protokolle. Jeder Chirurg, jede Anästhesistin, jeder Operationsassistent weiß, was er machen muss. Nichts passiert unerwartet. Um Gefäßkomplikationen zu vermeiden, verwenden wir besondere mikrochirurgische Techniken, die jeder Chirurg und jede Chirurgin hervorragend beherrscht. Auch eine maßgeschneiderte Nachsorge ist entscheidend für den Erfolg der Transplantation. In regelmäßigen Ultraschalluntersuchungen und Laborkontrollen würden wir frühzeitig Komplikationen erkennen. Um Abstoßungsreaktionen zu vermeiden, werden Immunsuppressiva individuell dosiert, ohne das Risiko für Infektionen zu erhöhen. Und: Wer einmal ein Organ bei uns transplantiert bekommen hat, dem bieten wir eine lebenslange Nachsorge an.