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An Knochenmetastasen leiden viele Patienten

Bei rund 500 000 Menschen wird allein in Deutschland jedes Jahr ein Tumor diagnostiziert. Viele dieser Patienten entwickeln im Verlauf ihrer Krebserkrankung Tumorabsiedlungen im Knochen, so genannte Knochenmetastasen. Wir sprachen mit Prof. Arnulf Stenzl, Ärztlicher Direktor der Tübinger Universitätsklinik für Urologie darüber, wie es zur Schwächung der Knochen kommt, welche Folgen dies für die Betroffenen haben und was die moderne Medizin dagegen tun kann.

Röntgenbild von Füßen
(Bildquelle: Fotolia/Bergringfoto)
Ganz gleich unter welcher Krebserkrankung der Patient leidet, immer kann es zu Metastasen in den Knochen kommen. Was bedeutet das für die Betroffenen?

Die Knochen verlieren ihre Stabilität, weil die komplexe Mikroarchitektur durch die Tumorzellen zerstört wird. Dadurch kommt es zu starken Schmerzen und auch zu spontanen Knochenbrüchen bis hin zur Immobilität. Diese Knochenkomplikationen sind unabhängig vom Tumorgeschehen lebensverkürzend. Knochenmetastasen beeinträchtigen die Lebensqualität der Betroffenen erheblich.

Gibt es Tumorarten, die besonders häufig Knochenmetastasen verursachen?

Ja, Prostatakrebs und Brustkrebs treten häufig auf und sind die beiden Tumorarten, die einen Großteil der Knochenmetastasen verursachen. Zusätzlich werden Patienten mit diesen Tumorarten in fortgeschrittenem Stadium mit Medikamenten behandelt, die in den Sexualhormonstoffwechsel eingreifen. Die hierbei unterdrückten Hormone sind für den Knochenstoffwechsel wichtig. Ihre Hemmung kann zu einer Knochenarmut, auch Osteoporose genannt, führen. Diese, durch die medikamentöse Tumortherapie geförderte Osteoporose, sorgt für ein weiter erhöhtes Frakturrisiko. Häufig können entweder die Knochenbrüche oder aber der wachsende Tumor auch zu einer Schädigung des Rückenmarks führen. Für die Patienten kann dies verheerende Folgen bis hin zu einer kompletten Lähmung haben.


Inwiefern haben sich die medizinischen Möglichkeiten verbessert?

Zahlreiche Studien der vergangenen zehn Jahre haben gezeigt, dass Medikamente, die den Knochenabbau hemmen, die Gefahr für Knochenbrüche und andere Komplikationen deutlich reduzieren. Diese so genannten Antiresorptiva, zu denen unter anderen die Bisphosphonate gehören, werden schon seit langem erfolgreich in der Therapie der Osteoporose eingesetzt und gehören inzwischen bei Patienten mit Knochenmetastasen zur Standardtherapie. Auch die operative Versorgung von Knochenmetastasen, unter anderem mit minimalinvasiven Eingriffen im Bereich der Wirbelsäule, und eine gezielte und hochmoderne Strahlentechnik führen zu deutlich verbesserten Therapiemöglichkeiten.


Und was zeigen ganz aktuelle Entwicklungen?

Es gibt zunehmend Hinweise, dass Zellen, die den Auf- und Abbau von Knochenmasse regulieren, gezielt von den Tumorzellen "missbraucht" werden, um sich einen Überlebensvorteil im Knochen zu schaffen. Für den normalen Knochenumsatz benötigte Proteine scheinen Tumorzellen so zu stimulieren, dass diese sich ungehindert vermehren können und den Knochen weiter zerstören. Medikamente, die in diesen Teufelskreis eingreifen, werden aktuell in großen klinischen Studien untersucht und sind teilweise schon für die Therapie von Knochenmetastasen zugelassen. Auch könnte eine Beeinflussung des Knochenstoffwechsels das Auftreten von Knochenmetastasen verhindern. Die Identifikation von Molekülen, die sich hier besonders für eine gezielte Hemmung eignen, wird in den nächsten Jahren entscheidend für die Verbesserung der Behandlung von Knochenmetastasen sein.


Hat die Ernährung einen Einfluss?

Beim Prostatakrebs scheint die Ernährung eine wichtige Rolle zu spielen. Studien deuten auf Zusammenhänge zwischen dem Verzehr bestimmter Nahrungsstoffe und dem Auftreten der Erkrankung hin. Insbesondere den zwei Pflanzeninhaltsstoffen Genistein und Quercetin wird hier große Aufmerksamkeit geschenkt. Diese kommen typischerweise in Sojaprodukten sowie Schalen von Gemüse und Obst vor.

Die Universitätsklinik für Urologie wendet in der aktuell laufenden QuerGen-Studie diese zwei Stoffe in Form von hoch konzentrierten Nahrungsergänzungsmitteln an, um deren antitumorale Wirkung auf die Entwicklung sowie die Prävention von Prostatakrebs zu untersuchen.


Wie unterstützt die Tübinger Urologie ihre Patienten?

Die Klinik für Urologie hat eine Beratungsstelle für männliche Patienten mit Knochenmetastasen eingerichtet. Sie soll die interdisziplinäre Versorgung der Patienten koordinieren.


Gibt es noch andere Angebote am Uniklinikum?

Die Universitäts-Frauenklinik bietet eine intensive Versorgung von Patientinnen mit Knochenmetastasen und Osteoporose an. Auch bei Brustkrebspatientinnen führt die antihormonelle Behandlung zu einer reduzierten Knochendichte. Wissenschaftlich ist die Frauenklinik sehr aktiv, so wird dort aktuell der Einfluss verschiedener onkologischer Therapien auf den Knochenstoffwechsel bei Frauen mit Mammakarzinom untersucht. Hierbei soll vor allem evaluiert werden, in welcher Weise die unterschiedlichen Therapieformen den Knochenstoffwechsel beeinflussen können und ob auch innerhalb der Therapieklassen eventuell Unterschiede bestehen.

Letzte Änderung: 28.06.2012

Im Interview:

Prof. Arnulf Stenzl

Ärztlicher Direktor
Universitätsklinik für Urologie

Einrichtung: Universitätsklinik für Urologie

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