Wer ist betroffen?
Eierstockkrebs ist ein seltener Tumor. Das Risiko, an Eierstockkrebs zu erkranken, steigt jedoch mit zunehmendem Alter. Betroffen sind vor allem Frauen zwischen dem 70. und dem 85. Lebensjahr. „Besonders nach den Wechseljahren ist es daher wichtig, eventuelle Eierstockzysten abklären zu lassen“, betont Prof. Sara Brucker, Ärztliche Direktorin der Frauenklinik. Bei Frauen unter 50 Jahren tritt diese Krebsart dagegen seltener auf. Eierstockkrebs kann aber auch erblich bedingt sein und in einer Familie gehäuft auftreten. Nicht jede Veränderung an den Eierstöcken muss jedoch Krebs sein. Häufig sind vor allem auch Zysten oder andere gutartige Veränderungen.
Warum wird der Krebs oft so spät bemerkt?
Die beiden Eierstöcke, auch Ovarien genannt, gehören wie die Gebärmutter, die Eileiter und die Scheide zu den inneren weiblichen Geschlechtsorganen. Sie liegen zwischen Harnblase und Enddarm zu beiden Seiten der Gebärmutter im Becken und enthalten die Eizellen, die sie an die Eileiter abgeben. Durch ihre Lage im Bauchraum haben Eierstock-Tumoren viel Platz, unbemerkt zu wachsen, ohne dass die Patientin Beschwerden hat. Verdachtsmomente jedoch können Blutungen außerhalb der Monatsregel oder nach den Wechseljahren sein, eine Zunahme des Bauchumfangs ohne Gewichtszunahme, aber auch ungewohnte Verdauungsbeschwerden, verbunden mit einer Verschlechterung des Allgemeinzustands.
Wie entwickelt sich der Krebs?
Die meisten Eierstocktumoren wachsen zunächst im kleinen Becken, sie können sich aber auch über den erkrankten Eierstock und den Eileiter ausdehnen und in die Gebärmutter oder den Darm eindringen. Der Krebs kann sich im ganzen Bauchraum ausbreiten und Metastasen am Bauchfell bilden (Peritonealkarzinose). Das führt dazu, dass sich häufig viel Flüssigkeit im Bauchraum ansammelt, die sogenannte Bauchwassersucht. Darüber hinaus breitet sich der Krebs über die Lymphbahnen aus und bildet Metastasen in den Lymphknoten. Eher selten kommt es zu Metastasen in der Lunge, der Leber oder in den Knochen.
Im ersten Schritt werden die Patientinnen, bei denen ein Verdacht auf Eierstockkrebs besteht, in der Sprechstunde des zertifizierten Zentrums für Gynäkoonkologie umfassend untersucht. Das Tumorboard, eine Gruppe von Spezialisten aller Fachrichtungen, gibt dann aufgrund der Untersuchungsergebnisse eine Behandlungsempfehlung ab. Innerhalb von ein bis zwei Wochen wird die Patientin dann stationär aufgenommen und operiert.
Was passiert bei einer Operation?
Bei der Operation werden der gesamte Bauchraum und alle darin liegenden Organe sorgfältig untersucht. „Dazu öffnen wir den Bauch mit einem Längsschnitt vom Schambein bis zum unteren Rand des Brustbeins. Ziel ist es, den Tumor komplett mit allen seinen Absiedlungen zu entnehmen“, erklärt Brucker. Je nach Ausdehnung des Tumors müssen neben den Eierstöcken und Eileitern die Gebärmutter, das Netz, das den Bauchraum auskleidet sowie Teile des Bauchfells, des Darms, der Blase und befallene Lymphknoten entfernt werden. Bereits während der Operation wird das entnommene Gewebe von der Pathologie auf Tumorzellen untersucht, um die Diagnose zu sichern.
Rund 80 dieser sechs- bis zehnstündigen Operationen werden am Uniklinikum jedes Jahr durchgeführt. „Das A und O für den Behandlungserfolg ist eine Operation, die wirklich alle Teile des Tumors entfernt“, erläutert der Gynäkologe Prof. Diethelm Wallwiener. In der Uniklinik stehen dabei neben den Spezialistinnen und Spezialisten für gynäkologische Operationen auch erfahrene Chirurginnen und Chirurgen aus der Bauchchirurgie und der Urologie zur Verfügung, falls Teile des Darms oder der Blase entfernt werden müssen. „Diese geballte Expertise kann nur ein großes Zentrum wie zum Beispiel eine Universitätsklinik bieten“, betont Brucker.
Wann kommt eine Chemotherapie zum Einsatz?
Auch wenn der Tumor operiert ist, verbleiben bei Eierstockkrebs oftmals bösartige Zellen, die zwar nicht sichtbar sind, aber Ausgangspunkt für einen Rückfall, ein sogenanntes Rezidiv, sein können. Prof. Andreas Hartkopf, Oberarzt und Leiter der Sektion für Translationale und Systemische Gynäkoonkologie, erklärt: „Am Zentrum für Gynäkologische Onkologie ist im Anschluss an die Operation fast immer eine Chemotherapie notwendig. Da Eierstockkrebs in der Regel gut auf eine Chemotherapie anspricht, verringert diese das Rückfallrisiko erheblich.“ In manchen Fällen ist der Krebs bereits bei der Diagnose so ausgedehnt, dass eine primäre Operation nicht möglich ist und daher als erstes mit der Chemotherapie begonnen wird.
Außerdem wurden – zusätzlich zur klassischen Chemotherapie – in den letzten Jahren eine Reihe von sehr effektiven tumorspezifischen Medikamenten entwickelt, die eine maßgeschneiderte, d.h. individualisierte Tumortherapie, ermöglichen. Mit speziellen Antikörpern (sogenannten Angiogenese-Inhibitoren) kann zum Beispiel die Gefäßneubildung in Tumoren verhindert werden. Die Krebszellen werden dann nicht mehr mit Blut versorgt und „verhungern“. Andere Medikamente (sogenannte PARP-Inhibitoren) verhindern, dass Krebszellen ihr Erbgut reparieren können, wodurch Fehler im Erbgut der Tumorzellen entstehen und diese nicht mehr überleben können. PARP-Inhibitoren sind unter anderem bei Frauen mit erblichem Eierstockkrebs hoch wirksam. Auch die Immuntherapie, bei der die Stärke der körpereigenen Abwehr zur Bekämpfung von Krebs genutzt wird, kommt mittlerweile im Rahmen von klinischen Studien bei Eierstockkrebs zum Einsatz.