Universitätsklinikum Tübingen PULS
Neue Technik, besseres Essen

Warum das Essen am Uniklinikum Tübingen so gut schmeckt

Knusprige Brötchen zum Frühstück, optimal temperierte Speisen und ein weltweit einzigartiges System: Am Universitätsklinikum Tübingen sorgt das neue Speisenverteilsystem dafür, dass Patientinnen und Patienten bestens versorgt werden. Hinter dem innovativen Konzept steckt Hightech, jahrelange Entwicklungsarbeit – und viel Herzblut.
14.11.2024
Stephan Gokeler
5 Minuten
Warum das Essen am Uniklinikum Tübingen so gut schmeckt

Frühmorgens auf einer Station den Crona-Kliniken: In einem Raum stehen Speisecontainer nebeneinander in Andockstationen. Nach und nach werden sie von Mitarbeitenden der Hauswirtschaft abgeholt und in die Flure vor den Zimmern der Patientinnen und Patienten geschoben. Die 24 Frühstückstabletts im Inneren jedes Wagens sind individuell zusammengestellt und für alle stationären Patientinnen und Patienten mit einer Namenskarte versehen.

Was recht spröde „Speisenverteilsystem 2.0“ heißt, ist ein ausgeklügeltes und höchst komplexes Zusammenspiel vieler Elemente. Es stellt sicher, dass nahezu 75.000 stationäre Patientinnen und Patienten jedes Jahr am Tübinger Universitätsklinikum mit frischem und leckerem Essen versorgt werden. Eine gute Ernährung ist auch ein Beitrag dazu, dass Menschen wieder gesund werden können.

System ist weltweit einmalig

Das in mehreren Phasen seit April 2023 eingeführte Verfahren biete dafür die besten Voraussetzungen, ist René Heuschkel überzeugt. Er ist Geschäftsbereichsleiter Catering bei der Dienstleistungstochter UDO des Universitätsklinikums und hat mit seinen Mitarbeitenden, verschiedenen Abteilungen des Klinikums und Herstellerfirmen dreieinhalb Jahre an dem individualisierten System getüftelt. Für die Entwicklung und Einführung hat das Universitätsklinikum rund 6,5 Millionen Euro in die Hand genommen. Sämtliche Abläufe standen dafür auf dem Prüfstand. Das führte zu neuen technischen Lösungen, die weltweit einmalig sind. Nun gibt es beispielsweise neue Tabletts, Geschirrteile oder eine spezielle Isolierhaube, die Suppen länger warmhält.

Eher ein Nebenprodukt des Gesamtprojekts, das aber bei den Patientinnen und Patienten besonders gut ankommt, sind die knusprigen Brötchen zum Frühstück. Während die Speisecontainer mit ihrer Andockeinheit auf der jeweiligen Station verbunden sind, erhalten sie ihre krosse Oberflä- che. Eine ganz besondere Kombination aus Geschirr und eigens entwickeltem Deckel ist das Geheimnis, das hinter dieser Innovation steckt. Um knusprige Brötchen zu erhalten, wird die bei der Endgarung entstehende Feuchtigkeit mithilfe eines Kamineffekts aus dem Deckel in den Innenraum des Speisecontainers abgeleitet. Dazu waren lange Versuchsreihen nötig, erzählt René Heuschkel und zeigt auf die verschiedenen Entwicklungsstufen des Brötchendeckels, die in seinem Büro aufgereiht stehen.

Energiesparender durch Induktion

Die Porzellanteller auf den Tabletts haben an der Unterseite eine millimeterdünne Folie. Wer sein Geschirr nicht umdreht, bemerkt sie gar nicht. Aber sie leitet Induktionsstrom, der sehr genau dosiert werden kann. Das sorgt für die optimale Endgarung der Speisenkomponenten. Die Andockstation erkennt über das Geschirr und vorprogrammierte Einstellungen, wie viel Energie sie in das jeweilige Geschirrteil leiten muss, um das Produkt auf dem Teller optimal zu temperieren.

Die Speisecontainer werden in die Andockstationen geschoben. Diese erkennt über das Geschirr, wie viel Energie per Induktion in das jeweilige Geschirrteil geleitet werden muss.

Die Endgarung der Lebensmittel findet ausschließlich auf diesem Weg statt, die Speisecontainer selbst werden nicht mehr beheizt. „Fehler durch eine falsche Platzierung von Tellern oder Schüsseln auf den Tabletts, die früher zu gekochtem Salat oder kalten Nudeln geführt hätten, sind jetzt ausgeschlossen“, erklärt die Leiterin des Patientenservices, Carmen Renz. Sie hat das neue Speisenverteilsystem mitentwickelt. Für Patientinnen und Patienten mit Schluckproblemen wurde außerdem eine zweigeteilte Induktionsporzellanschale entwickelt. Dank dieser Neuheit passt eine große Auswahl an flüssigen oder pürierten Menübestandteilen aufs Tablett, bisher notwendige Kompromisse bei der Speisenauswahl gehören der Vergangenheit an.

Weiteres Angebot: Zukünftig warmes Abendessen

Durch die Induktion werden die Tabletts nur an den Stellen warm, wo Speisen stehen, die fertig gegart werden müssen. An den Rändern bleiben sie kalt, die Verbrennungsgefahr ist gebannt. Bald wird es ein Angebot geben, das es mit dem alten Speisenverteilsystem nicht gab: warmes Abendessen.

Ein finales Element ist derzeit noch in der Probephase: Mit einer neuen Software wird in Kürze die gesamte Technik zentral gesteuert und überwacht. „Bei der Entwicklung des neuen Speisenverteilsystem sind beeindruckende Innovationen herausgekommen. Wir sind an die Grenzen des technisch Machbaren gegangen“, sagt René Heuschkel. Am wichtigsten ist ihm, dass davon die Patientinnen und Patienten profitieren. Die positiven Rückmeldungen von den Stationen geben ihm recht.

Von Weilheim ans Patientenbett

Täglich werden 4.000 Essen, verteilt auf drei Mahlzeiten, in der klinikumseigenen Großküche in Weilheim gekocht. Die Speisen werden zu 90 Prozent fertiggegart, binnen 90 Minuten auf drei Grad gekühlt und individuell portioniert. Die Tabletts werden in Speisecontainer eingeladen und per Lkw zum Uniklinikum gebracht. In die Kliniken, die auf dem Schnarrenberg liegen, gelangen die Speisecontainer per unterirdischer, automatischer Warentransportanlage. Auf den Stationen entnimmt die Hauswirtschaft die Container und schiebt sie in die Andockstationen. Per Induktion werden die letzten zehn Prozent der Gerichte fertiggegart. Der Patientenservice bringt die Tabletts an die Betten der Patientinnen und Patienten.