Universitätsklinikum Tübingen PULS
Wenn Zucker die Nieren belastet

Warum Diabetes und Nierenerkrankungen untrennbar verbunden sind

Diabetes ist die häufigste Ursache für Nierenversagen – und umgekehrt erhöht eine Nierentransplantation das Risiko für Diabetes. Wie eng Stoffwechsel und Nierenfunktion zusammenhängen, zeigt sich besonders deutlich bei Transplantationen. Ein frühzeitiges Erkennen und Vorbeugen kann Leben retten. Dr. Martina Guthoff, Transplantationsexpertin am Uniklinikum Tübingen, erklärt, worauf man achten sollte.
13.10.2020
Paula Wagner
10 Minuten
Warum Diabetes und Nierenerkrankungen untrennbar verbunden sind

Die Niere spielt eine wichtige Rolle im Zuckerstoffwechsel, etwa bei der Zuckerneubildung sowie beim Abbau von Insulin. Ein hoher Blutzucker, beispielweise durch Diabetes, wiederum schädigt die Filterfunktion der Niere – die Poren des lebenswichtigen Filters werden geschädigt. Die Zuckerkrankheit Diabetes mellitus ist die häufigste Ursache dafür, dass Patientinnen und Patienten nierenkrank sind, dass sie an die Dialyse müssen oder eine neue Niere benötigen. Mehr als die Hälfte der Menschen mit einer transplantierten Niere wiederum entwickeln eine Störung im Zuckerstoffwechsel, ein Teil davon leidet schließlich an einem Diabetes, der behandelt werden muss und oft Folgekrankheiten nach sich zieht.

Das kommt auf die Schwere der Erkrankung an. Diabetes ist eine komplexe Erkrankung, die den ganzen Körper betrifft. Wenn viele Organe in Mitleidenschaft gezogen sind, kann es sein, dass eine Transplantation nicht möglich ist. Das liegt vor, wenn die Patientin oder der Patient beispielsweise zusätzlich einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall hatte und zu krank ist, um von einer Transplantation zu profitieren.

Viele Patientinnen und Patienten, die auf der Warteliste für eine Nierentransplantation stehen, leiden an einer Vorstufe von Diabetes, dem sogenannten Prädiabetes. Ist der Glukosestoffwechsel gestört, die Kriterien für einen manifesten Diabetes aber noch nicht erfüllt, spricht man von Prädiabetes. Dieser bleibt leider oft unerkannt. Darauf muss geachtet werden. Einer Transplantation selbst steht das nicht im Weg, ist aber ein Risikofaktor für das Auftreten eines Diabetes nach einer Transplantation.

Ein sorgfältiges Screening ist sehr wichtig, damit man noch rechtzeitig eingreifen kann. Hierfür gibt es verschiedene Verfahren, zum Beispiel die Bestimmung der Nüchternglukose und des HbA1c („Langzeitzucker“) oder den oralen Glukosetoleranztest. Letzteren kennt jede schwangere Frau. Dabei wird eine Zuckerlösung getrunken und nach zwei Stunden lässt sich der Blutzucker ermitteln. 

Nicht immer, aber oft. Drei Jahre nach einer Nierentransplantation ist knapp ein Viertel der Patientinnen und Patienten zuckerkrank. Damit nach einer Transplantation das neue Organ nicht abgestoßen wird, müssen nach dem Eingriff Medikamente, sogenannte Immunsuppressiva, eingenommen werden, die das Immunsystem unterdrücken. Diese greifen über viele verschiedene Mechanismen in den Zuckerstoffwechsel ein, etwa indem sie die insulinproduzierenden Zellen des Körpers schädigen. Leber, Muskeln, Fettgewebe und andere Organe werden weniger empfindlich für Insulin.

Zudem werden transplantierte Patientinnen und Patienten häufig übergewichtig. Wenn ein Patient zuvor lange an der Dialyse war, hat er zumeist abgenommen, da die Dialyse viel Energie zieht. Ohne Dialyse haben die Patienten wieder einen normalen Stoffwechsel und mehr Appetit. Nach der Operation nehmen sie demnach schnell wieder zu und Übergewicht ist ein wesentlicher Risikofaktor für Diabetes.

Durch das erhöhte Risiko für kardiovaskuläre Folgeerkrankungen steigt auch die Sterblichkeitsrate. Beispielsweise wird die Gefahr für einen Herzinfarkt größer. Der Empfänger kann daran sterben – trotz funktionierender Niere. Studien zeigen, dass mehr als die Hälfte der transplantierten Patientinnen und Patienten im Laufe der Zeit Diabetes oder die Vorstufe dazu entwickeln. Das gilt es unbedingt zu verhindern durch regelmäßige Kontrollen und entsprechendes Vorbeugen.

Patientinnen und Patienten müssen ihren Lebensstil dauerhaft ändern. Sie müssen sich bewegen, auf ihre Ernährung achten und keinesfalls rauchen. Mit einer Ernährungsumstellung kann man das Diabetes-Risiko enorm reduzieren. Dies gilt auch für Patientinnen und Patienten mit Prädiabetes, die auf der Warteliste für ein neues Organ stehen. Denn wer sich bereits vor der Transplantation einen gesunden Lebensstil angewöhnt, kann verhindern, nach der Transplantation zuckerkrank zu werden.

Empfängerinnen und Empfänger von Nieren werden im Langzeitverlauf alle drei Monate vom niedergelassenen Nephrologen kontrolliert, natürlich nicht nur im Hinblick auf Blutzuckerwerte. Einmal im Jahr haben Patientinnen und Patienten einen Termin in der Transplantationsambulanz am Uniklinikum, wo wir besonders auf den Stoffwechsel achten. Das ist nicht überall so. Weil es oft nicht bewusst ist, wie wichtig dieses Thema für die Transplantation ist. 

Diabetes und Nierenversagen – warum sollte man beide Erkrankungen zusammendenken?

Die Niere spielt eine wichtige Rolle im Zuckerstoffwechsel, etwa bei der Zuckerneubildung sowie beim Abbau von Insulin. Ein hoher Blutzucker, beispielweise durch Diabetes, wiederum schädigt die Filterfunktion der Niere – die Poren des lebenswichtigen Filters werden geschädigt. 

Die Zuckerkrankheit Diabetes mellitus ist die häufigste Ursache dafür, dass Patientinnen und Patienten nierenkrank sind, dass sie an die Dialyse müssen oder eine neue Niere benötigen. Mehr als die Hälfte der Menschen mit einer transplantierten Niere wiederum entwickeln eine Störung im Zuckerstoffwechsel, ein Teil davon leidet schließlich an einem Diabetes, der behandelt werden muss und oft Folgekrankheiten nach sich zieht.

Schließt eine Diabetes-Erkrankung eine Nierentransplantation aus? 

Das kommt auf die Schwere der Erkrankung an. Diabetes ist eine komplexe Erkrankung, die den ganzen Körper betrifft. Wenn viele Organe in Mitleidenschaft gezogen sind, kann es sein, dass eine Transplantation nicht möglich ist. Das liegt vor, wenn die Patientin oder der Patient beispielsweise zusätzlich einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall hatte und zu krank ist, um von einer Transplantation zu profitieren.

Gilt das auch für Prädiabetes, die Vorstufe von Diabetes?

Viele Patientinnen und Patienten, die auf der Warteliste für eine Nierentransplantation stehen, leiden an einer Vorstufe von Diabetes, dem sogenannten Prädiabetes. Ist der Glukosestoffwechsel gestört, die Kriterien für einen manifesten Diabetes aber noch nicht erfüllt, spricht man von Prädiabetes. Dieser bleibt leider oft unerkannt. Darauf muss geachtet werden. Einer Transplantation selbst steht das nicht im Weg, ist aber ein Risikofaktor für das Auftreten eines Diabetes nach einer Transplantation.

Wie kann man Prädiabetes erkennen?

Ein sorgfältiges Screening ist sehr wichtig, damit man noch rechtzeitig eingreifen kann. Hierfür gibt es verschiedene Verfahren, zum Beispiel die Bestimmung der Nüchternglukose und des HbA1c („Langzeitzucker“) oder den oralen Glukosetoleranztest. Letzteren kennt jede schwangere Frau. Dabei wird eine Zuckerlösung getrunken und nach zwei Stunden lässt sich der Blutzucker ermitteln. 

Entwickelt sich nach einer Transplantation immer ein Diabetes?

Nicht immer, aber oft. Drei Jahre nach einer Nierentransplantation ist knapp ein Viertel der Patientinnen und Patienten zuckerkrank. Damit nach einer Transplantation das neue Organ nicht abgestoßen wird, müssen nach dem Eingriff Medikamente, sogenannte Immunsuppressiva, eingenommen werden, die das Immunsystem unterdrücken. Diese greifen über viele verschiedene Mechanismen in den Zuckerstoffwechsel ein, etwa indem sie die insulinproduzierenden Zellen des Körpers schädigen. Leber, Muskeln, Fettgewebe und andere Organe werden weniger empfindlich für Insulin. Zudem werden transplantierte Patientinnen und Patienten häufig übergewichtig. Wenn ein Patient zuvor lange an der Dialyse war, hat er zumeist abgenommen, da die Dialyse viel Energie zieht. Ohne Dialyse haben die Patienten wieder einen normalen Stoffwechsel und mehr Appetit. Nach der Operation nehmen sie demnach schnell wieder zu und Übergewicht ist ein wesentlicher Risikofaktor für Diabetes.

Was hat die Niere mit dem Blutzucker zu tun?

Kohlenhydrate werden bei der Verdauung unter anderem in Glukose (Traubenzucker) zerlegt. Mit dem Blut gelangt die Glukose in die Organe und liefern Energie. Steigt der Blutzuckerspiegel, wird von der Bauchspeicheldrüse Insulin freigesetzt. Dieses sorgt dafür, dass Glukose in die Zellen gelangen kann, somit sinkt der Blutzuckerspiegel wieder. Bei Diabetes Typ 2 werden die Zellen etwa der Muskeln, Leber und des Fettgewebes unempfindlicher gegenüber Insulin (Insulinresistenz) – und zwar schleichend, oft über Jahre hinweg. Immer weniger Zucker wird in die Zellen gebracht, der Blutzuckerspiegel steigt. Dies versucht der Körper zu kompensieren, indem immer mehr Insulin produziert wird.

Gleichzeitig ist das Hormon immer weniger in der Lage, den Zucker aus dem Blut in die Zellen einzuschleusen. Als „Antwort“ versucht die Bauchspeicheldrüse diese Störung durch eine verstärkte Insulinproduktion auszugleichen. Der Körper kann dies nicht jahrelang aufrechterhalten, die Produktion lässt nach und kommt schließlich ganz zum Erliegen. Dann ist eine Insulintherapie notwendig. Beim Posttransplantationsdiabetes führen ähnliche Störungen wie beim Typ 2 Diabetes zu den Veränderungen im Stoffwechsel. Die Funktionsstörung der insulinproduzierenden Zellen ist hier oft jedoch noch stärker ausgeprägt.

Welche Folgen hat ein Diabetes nach einer Nierentransplantation für die Gesundheit?

Durch das erhöhte Risiko für kardiovaskuläre Folgeerkrankungen steigt auch die Sterblichkeitsrate. Beispielsweise wird die Gefahr für einen Herzinfarkt größer. Der Empfänger kann daran sterben – trotz funktionierender Niere. Studien zeigen, dass mehr als die Hälfte der transplantierten Patientinnen und Patienten im Laufe der Zeit Diabetes oder die Vorstufe dazu entwickeln. Das gilt es unbedingt zu verhindern durch regelmäßige Kontrollen und entsprechendes Vorbeugen.

Wie kann man Diabetes verhindern – auch nach einer Transplantation?

Patientinnen und Patienten müssen ihren Lebensstil dauerhaft ändern. Sie müssen sich bewegen, auf ihre Ernährung achten und keinesfalls rauchen. Mit einer Ernährungsumstellung kann man das Diabetes-Risiko enorm reduzieren. Dies gilt auch für Patientinnen und Patienten mit Prädiabetes, die auf der Warteliste für ein neues Organ stehen. Denn wer sich bereits vor der Transplantation einen gesunden Lebensstil angewöhnt, kann verhindern, nach der Transplantation zuckerkrank zu werden.

Empfängerinnen und Empfänger von Nieren werden im Langzeitverlauf alle drei Monate vom niedergelassenen Nephrologen kontrolliert, natürlich nicht nur im Hinblick auf Blutzuckerwerte. Einmal im Jahr haben Patientinnen und Patienten einen Termin in der Transplantationsambulanz am Uniklinikum, wo wir besonders auf den Stoffwechsel achten. Das ist nicht überall so. Weil es oft nicht bewusst ist, wie wichtig dieses Thema für die Transplantation ist. 

 

Ernährung und Bewegung

Die richtige Ernährung: Es geht nicht darum, zu hungern oder eine Diät zu machen. Vielmehr muss die Ernährung auf Dauer umgestellt werden: Gesüßte Limonaden müssen gestrichen werden, stattdessen sollte viel Wasser getrunken werden. Auch zu viel Obst ist nicht optimal, da es viel Zucker enthält. Außerdem sollten Fertiggerichte und zu viele Kohlenhydrate vermieden werden, da sie den Blutzucker schnell ansteigen lassen, wie etwa Weißbrot. Ideal sind Gemüse, Salat und ballaststoffreiche Kost. Aber: Wichtig ist, dass der Spaß am Essen und am Leben nicht verloren geht. Wenn jemand den Orangensaft zum Frühstück liebt oder ein Stück Schokolade zum Nachtisch, dann ist das tragbar.

Bewegung ist ein Muss: Studien haben ergeben, dass dreieinhalb Stunden pro Woche ausreichen für einen positiven Effekt, also etwa eine halbe Stunde jeden Tag. Aber natürlich sind auch zehn Minuten am Tag besser als nichts. Und dabei geht es nicht darum zu joggen, Spazierengehen reicht vollkommen aus. Und anstatt des Fahrstuhles kann man auch einfach Treppen steigen. Regelmäßige Bewegung kann auch gut in den Alltag integriert werden. Dadurch wird der Blutdruck günstig beeinflusst und das ist auch für die Niere gut.

Experten

Dr. Martina Guthoff
Dr. Martina Guthoff
Geschäftsführende Oberärztin
Medizinische Klinik, Innere Medizin IV, Diabetologie, Endokrinologie, Nephrologie