Universitätsklinikum Tübingen PULS
Geburtsschmerzen lindern

Wie Massagen, Atmung oder Schmerzmittel Frauen unterstützen

Die Schmerzen während einer Geburt gehören bei manchen Frauen zu den intensivsten, die sie erleben. Ganz nehmen möchte man sie den werdenden Müttern nicht. Doch es gibt viele Möglichkeiten, sie wesentlich zu lindern
11.11.2024
Susan Jörges
5 Minuten
Wie Massagen, Atmung oder Schmerzmittel Frauen unterstützen

Starke Krämpfe durch die Kontraktionen der Gebärmutter, ein intensives Brennen durch die Dehnung von Gewebe und scharf ziehende oder dumpfe Schmerzen in Rücken, Becken oder Oberschenkeln – die Geburt ist ein Ausnahmezustand für werdende Mütter. Wie andere Schmerzen können auch Geburtsschmerzen durch Medikamente gelindert werden, doch viele Frauen wünschen sich eine Geburt, die so natürlich ist wie nur möglich. „Im Gegensatz zu anderen Schmerzen ist der Geburtsschmerz oft positiv behaftet, denn jede Wehe bringt Mütter ein Stück näher zu ihrem Kind“, weiß Helen Horvat, leitende Hebamme im Kreißsaal der Universitäts-Frauenklinik Tübingen. Sie und ihre Kolleginnen und Kollegen begleiten die Geburt von etwa 3.500 Kindern im Jahr.

In einem ersten Gespräch im Entbindungszimmer schaut Horvat, wie gut die werdende Mutter mit den Schmerzen während der Wehen zurechtkommt und wie viel Unterstützung sie sich wünscht. „Manche veratmen die Wehen von Anfang an sehr gut. Andere versteifen sich und brauchen mehr Anleitung“, weiß Horvat aus elfjähriger Berufserfahrung als Hebamme. Tief durch die Nase ein- und auszuatmen, das Becken kreisen zu lassen oder eine Massage am Kreuzbein sind erste Maßnahmen, die Verkrampfungen entgegenwirken und Ängste lindern können. Auch ein Positionswechsel bei der Geburt kann helfen. In den Entbindungsräumen im Kreißsaal stehen hierfür jeweils eine Wanne, ein Hocker, Gymnastikbälle oder Tücher bereit.

 Eine PDA hemmt die Schmerzweiterleitung

Insbesondere Frauen, die zum ersten Mal ein Kind bekommen, wünschen sich mitunter eine intensivere Schmerzlinderung. Die Hebammen können neben homöopathischen Substanzen, Akupunktur, Reizstrom und weiteren Alternativen auch schmerz- und krampflindernde Medikamente wie Paracetamol oder Buscopan über die Vene verabreichen. Auf Wunsch kann eine Periduralanästhesie (PDA) gelegt werden. „60 Prozent der Erstgebärenden wünschen sich eine PDA. Beim zweiten Kind sind es ein Drittel der Frauen, beim dritten Kind rund 20 Prozent“, weiß der leitende Anästhesist der Frauenklinik, Dr. Eckhard Heim. Für die PDA wird ein sehr dünner, flexibler Katheter in den Periduralraum eingelegt – ein schmaler Spalt des knöchernen Wirbelsäulenkanals, der auf Höhe der Lendenwirbelsäule liegt. In diesem befinden sich die Wurzeln der schmerzleitenden Nervenfasern. Die Einstichstelle wird zuvor desinfiziert und örtlich betäubt. 

Für die PDA wird ein sehr dünner Katheter in den Periduralraum eingeführt.

Durch eine an den Katheter angeschlossene Medikamentenpumpe kann die Menge an lokalen Betäubungs- und Schmerzmitteln dosiert und die Wirkung aufrechterhalten werden. Nach etwa fünf bis 15 Minuten setzt die Schmerzlinderung ein. „Die PDA dämpft die Schmerzweiterleitung vom Bauch an abwärts. Die Frauen spüren weiterhin den Druck der Wehen und nehmen den Geburtsvorgang aktiv wahr“, erklärt Heim. Die Muskelkraft und die Bewegungsfähigkeit bleiben während der PDA in der Regel gut erhalten, damit die Frau aktiv bei der Geburt mitarbeiten und besonders zum Ende der Geburt pressen kann. 

 PDA reduziert das Risiko für Geburtskomplikationen

Nicht nur Schmerzen sind ein Grund für eine PDA. Dauert die Geburt lange, kann die Kraft der werdenden Mutter nachlassen. „Durch die Schmerzlinderung entspannt sich die Muskulatur und die Frauen sammeln neue Kraft“, erklärt die Hebamme Horvat. Auch medizinische Umstände können für eine PDA sprechen. Dazu zählen unter anderem Risikogeburten, Vorerkrankungen der Mutter wie Bluthochdruck oder Diabetes, Mehrlingsschwangerschaft oder eine Fehllage des Ungeborenen. Wünscht sich eine Frau eine PDA, müssen Anästhesistinnen und Anästhesisten über die Risiken aufklären – auch wenn diese sehr selten sind, wie Heim betont. „Studien zeigen, dass die PDA das Risiko für Geburtskomplikationen bei Müttern wie Nachblutungen oder schwere Krampfanfälle sogar um 14 Prozent reduzieren kann.“ Manche Frauen bekommen nach einer PDA Kopfschmerzen, die in der Regel innerhalb von ein paar Tagen verschwinden. Zudem kann, wie bei jeder Anästhesie, der Blutdruck sinken, was kurzfristig Schwindel oder Schwäche hervorrufen kann.

Bestens vorbereitet für die Geburt

Geburtsvorbereitungskurse werden meist von einer Hebamme durchgeführt. Werdende Mütter und Väter erfahren, wie sie sich auf die Geburt vorbereiten können und wie diese in etwa ablaufen wird. Außerdem werden wertvolle Tipps zu Entspannungs- und Atemtechniken geteilt, die Schmerzen während einer Geburt lindern können. Zu Beginn der Wehe sollte die werdende Mutter tief durch die Nase einatmen. Das Baby wird im Bauch gleichzeitig ausreichend mit Sauerstoff versorgt. Die Ausatmung erfolgt durch den leicht geöffneten Mund.

Auch eine Reihe weiterer Anwendungen und Techniken, die den Geburtsverlauf unterstützen können, werden in den Geburtsvorbereitungskursen geschult.

Auch die Universitäts-Frauenklinik bietet Geburtsvorbereitungskurse an: www.medizin.uni-tuebingen.de/go/geburtsvorbereitung

Experten

Dr. med. Eckhard Heim
Dr. med. Eckhard Heim
Oberarzt
Universitätsklinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin
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