"Mein Beitrag zum Gesundwerden ist es, dass ich die Schmerzen aushalte und meinen Körper nicht belaste“ - das sei eine Haltung, die sie immer wieder bei Patientinnen und Patienten erlebe, erzählt Dr. Barbara Schlisio. Doch das sei ein gut gemeinter, aber falscher Vorsatz, sagt die Oberärztin und Leiterin des Bereichs Schmerzmedizin an der Tübinger Universitätsklinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin. Besser wäre es, alles für eine aktive Erholung nach einer Operation zu tun, findet sie. Dazu gehört, schon am ersten Tag nach einem Eingriff aufzustehen oder wenigstens an der Bettkante zu sitzen. Damit das möglich ist, dürfen Schmerzen nicht das alles beherrschende Gefühl sein. Deshalb gibt es ein Schmerzmanagement, das auf allen Stationen des Tübinger Uniklinikums etabliert ist. Und qualifizierte ärztliche und nicht-ärztliche Mitarbeitende des Akutschmerzdienstes, die rund um die Uhr erreichbar sind. Sie kümmern sich darum, Schmerzen wirksam zu behandeln und Schmerzkrisen zu vermeiden. „Kinder sollen nicht weinen, sondern schlafen und spielen können. Und auch Erwachsene sollten in der Lage sein zu schlafen, zu lesen und sich selbst zu mobilisieren“, umreißt die Intensiv- und Notfallmedizinerin Dr. Beate Moßbrugger die Zielsetzung.
Zur Schmerzlinderung stehen viele verschiedene Medikamente zur Verfügung.
Breite Palette an Arzneistoffen
Schmerzarmes Bewegen und eine frühzeitige Mobilisierung helfen, Komplikationen wie Thrombosen, eine Lungenentzündung oder Funktionsstörungen des MagenDarm-Trakts nach einer Operation zu vermeiden. Das sind neben der ethischen Verpflichtung die medizinischen Gründe der Schmerztherapie, sagt die erfahrene Schmerzmedizinerin. Steht ein operativer Eingriff an, fürchten sich manche Menschen vor allem vor der Narkose. Die Angst, zu früh oder gar nicht mehr aufzuwachen, ist ebenso verbreitet wie die vor Schmerzen und Beschwerden unmittelbar nach der Operation. Solche Ängste sind aber unbegründet, versichert Moßbrugger. Früher sei eine Narkose eine reine Betäubung gewesen. Heute haben Anästhesistinnen und Anästhesisten eine breite Palette an Arzneistoffen zur Verfügung. Und sie überwachen die Vitalparameter genau. Neben dem eigentlichen Schlafmittel werden während einer Operation bei Bedarf verschiedene schmerzstillende oder die Muskeln entspannende Substanzen verabreicht.
Während jeder Narkose werden außerdem permanent Blutdruck, Herzströme und Sauerstoffsättigung im Blut überwacht. Die Tiefe einer Narkose lässt sich so exakter bestimmen und gegebenenfalls nachsteuern. Ist aus früheren Operationen bekannt, dass ein bestimmtes Narkotikum bei einem Patienten oder bei einer Patientin Übelkeit ausgelöst hat, stehen genügend Alternativen und Gegenmittel zur Verfügung. Generell seien die Nebenwirkungen von Narkosen heute bei Weitem geringer als früher, sagt Moßbrugger.
Individuelle Steuerung über die Schmerzpumpe
Auch wenn für einen Eingriff nur eine bestimmte Körperregion mit einem Lokalanästhetikum betäubt wird, besteht kein Anlass für Ängste. Solche Operationen werden ebenfalls stets von einem Anästhesisten oder einer Anästhesistin begleitet. Sollte sich, was nur sehr selten vorkommt, im Laufe des Eingriffs herausstellen, dass doch eine Vollnarkose erforderlich ist, kann diese sofort eingeleitet werden. Je nach Art und Umfang einer Operation beginnt das Schmerzmanagement schon während der Planung des Eingriffs. Patientinnen und Patienten werden im Vorgespräch aufgeklärt und über die Optionen der Schmerztherapie informiert.
Mit einer Schmerzpumpe kann die Dosierung selbst angepasst werden.
Eventuell wird bereits vor der OP ein Schmerzkatheter gelegt, der anschließend eine genau dosierte Zuführung von Schmerzmedikamenten ermöglicht. Andere erhalten eine Schmerzpumpe, mit der sie selbst die Behandlung ihrer Schmerzen in der Hand haben. Schmerzempfindung ist eine sehr individuelle Angelegenheit, deshalb geben abgestufte Konzepte den Rahmen vor. Für die meisten Arten von Operationen sind am Tübinger Universitätsklinikum angepasste Schmerztherapiekonzepte vorhanden, die auf umfangreichen Erfahrungswerten beruhen. „Das beste Rezept gegen Angst vor Schmerzen ist ein guter Anästhesist“, sagt Schlisio. Zusätzlich gibt es speziell qualifizierte „Pain Nurses“, die bei der Umsetzung der Konzepte helfen, Schmerzkatheter und Pumpen überprüfen und die Stationspflege unterstützen. Sie sind für Patientinnen und Patienten direkt ansprechbar. Zum Beispiel, wenn es um zusätzliche Schmerzmittel zur Ergänzung der Basistherapie geht. Die Pain Nurses sind einer der Gründe dafür, dass die Schmerztherapie am Uniklinikum Vertrauen genießt. Und zwar bei allen Beteiligten, wie Schlisio betont: „Eine gute Schmerztherapie macht Patienten, Pflegemitarbeitende und Ärzte happy.“