Maria Clark kann wieder spazieren gehen. Bis zu zweieinhalb Kilometer mit kleinen Pausen schafft die 83-Jährige aus Holzgerlingen, meist begleitet von ihrem Mann Steven und ihrem Chihuahua. Bis zum Frühjahr dieses Jahres hingegen fiel ihr jeder Meter schwer. Denn Clarks Trikuspidalklappe, das Einlassventil der rechten Herzkammer, war undicht. Bei jedem Herzschlag floss etwas Blut zurück in Richtung Körper. Bereits 2022 hatte Clark eine künstliche Aortenklappe eingesetzt bekommen, weil ihre eigene verkalkt war. Wegen Vorhofflimmern und starker Kurzatmigkeit stellt sie sich Anfang 2024 in der kardiologischen Ambulanz am Uniklinikum Tübingen vor. Die Diagnose: Insuffizienz der Trikuspidalklappe im Stadium vier. Fünf ist das Maximum.
Dass die Trikuspidalklappe leicht undicht ist, ist keine Seltenheit. Bei 70 bis 90 Prozent der Bevölkerung würde man anatomisch bedingt eine leichte Insuffizienz im Herz-Ultraschall feststellen können, ohne dass die Personen davon etwas merken. Im Alter von 75 Jahren leiden allerdings sechs bis sieben Prozent der Menschen unter einer Trikuspidalinsuffizienz, die die Lebensqualität erheblich einschränkt und lebensbedrohlich sein kann.
Deutlich geringeres OP-Risiko
Um schwere Insuffizienzen zu behandeln, musste bisher in einer aufwendigen Operation ein Ring um die Trikuspidalklappe genäht werden. Das Herz wird bei der Operation angehalten und der Patient oder die Patientin an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen. Ein Eingriff mit erhöhtem Risiko – besonders für ältere Menschen mit Vorerkrankungen oder geschwächtem Immunsystem. „Viele ältere Menschen konnten deswegen nicht ausreichend behandelt werden oder einzig eine medikamentöse Therapie kam infrage“, erklärt Prof. Tobias Geisler, Spezialist für Klappenerkrankungen und stellvertretender Ärztlicher Direktor der Abteilung für Kardiologie und Angiologie.
Die vier Herzklappen sorgen dafür, dass das Blut im Herzen in die richtige Richtung fließt. Sie wirken wie Ventile und öffnen beziehungsweise schließen sich bei jedem Herzschlag.
Mit dem sogenannten EVOQUE-System kann die Trikuspidalklappe nun ohne Operation über einen kathetergestützten Zugang ersetzt werden. Bei den anderen drei Klappen des Herzens ist dies bereits schon länger möglich. Als einer der ersten in Deutschland führte Geisler den Klappenersatz erstmals im März 2024 durch. Statt den Brustkorb aufzuschneiden, wird die Prothese über einen Katheter in der Leiste eingeführt. Wie groß diese sein muss, wird vorher durch einen Ultraschall und eine CT-Aufnahme ermittelt. Das OP-Risiko ist bei diesem Eingriff deutlich geringer, erklärt Geisler. „Patientinnen und Patienten erholen sich schneller und werden früher wieder fit.“ Daten der Zulassungsstudie zeigen, dass das Verfahren die Insuffizienz der Klappe in vielen Fällen vollständig beseitigt oder signifikant reduziert.
Clark kann auch jetzt, nach dem Eingriff, keine Bergwanderungen machen. Denn die 83-Jährige ist schon seit vielen Jahren herzkrank. Ihr Herz muss deshalb schwerer arbeiten als gewöhnlich. Durch den Klappenersatz ist sie jedoch belastbarer geworden: „Ich kann die 45 Stufen zu unserer Wohnung wieder hochlaufen, auch wenn es mühsam ist. Und das ist eine deutliche Verbesserung.“