Universitätsklinikum Tübingen PULS
Kathetereingriff als Alternative zur Operation

Wenn die Pulmonalklappe schwächelt

Ist die Pulmonalklappe im Herzen defekt, kann das ernsthafte Folgen haben – von Kurzatmigkeit bis zu Herzrhythmusstörungen. Lange war eine Operation am offenen Herzen die einzige Lösung. Heute lässt sich die Herzklappe auch minimalinvasiv per Katheter ersetzen, sowohl bei Kindern als auch bis ins hohe Alter. An der Uniklinik Tübingen gelingt das mit großer Sicherheit – und ermöglicht Patientinnen und Patienten ein nahezu uneingeschränktes Leben.
29.04.2020
Stephan Gokeler
3 Minuten
Wenn die Pulmonalklappe schwächelt

Die Pulmonalklappe ist eine von vier Herzklappen des Menschen. Sie fungiert als Rückschlagventil zwischen dem rechten Herzen und der Lunge. Ist diese Herzklappe undicht oder verengt, führt dies zu einer verstärkten Pumparbeit des Herzens. Die daraus resultierende Überlastung des Herzmuskels kann für Patientinnen und Patienten erhebliche gesundheitliche Auswirkungen haben – vor allem dann, wenn nicht rechtzeitig gehandelt wird. Erschöpfung, Kurzatmigkeit, Müdigkeit und Schwindelgefühle sind ebenso möglich wie ein unregelmäßiger Herzschlag, Herzflimmern oder Schmerzen im Brustkorb. „Erfolgt eine Korrektur zu spät, dann finden Patienten häufig nicht zu ihrer ursprünglichen Belastbarkeit zurück“, sagt Professor Dr. Michael Hofbeck, Ärztlicher Direktor der Abteilung für Kinderkardiologie, Pulmologie und Intensivmedizin an der Tübinger Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin. 

Die klassische Behandlungsmethode ist ein operativer Eingriff zur Korrektur oder zum Ersatz der betroffenen Herzklappe. Die Operationsmethode ist bewährt, stellt aber wie jede Operation am offenen Herzen eine erhebliche Belastung für die Betroffenen dar. Seit einigen Jahren ist es möglich, eine defekte Pulmonalklappe im Herzkatheterlabor auch ohne Operation zu ersetzen. „Dafür wird in der Leiste eine dicke Vene punktiert. Von dort aus führen wir eine gefaltete Herzklappe über einen Katheter an die richtige Stelle im Herzen. Durch das Füllen eines Ballons wird die neue Herzklappe dann in Position gebracht und mit einem feinen Drahtgeflecht als Stabilisator in die Herzwand gedrückt“, erläutert Hofbeck das Verfahren. Sie verhindert dann sofort den Blutrückfluss aus der Lungenschlagader in die rechte Herzkammer. 

Nur sehr wenige Komplikationen 

Bereits kurze Zeit nach einem erfolgreichen Einsatz einer neuen Pulmonalklappe sind Patientinnen und Patienten wieder normal belastbar und können sogar Sport mit Wettbewerbscharakter ausüben. Sie führen ein Leben ohne Einschränkungen und müssen keine Medikamente dauerhaft einnehmen. Möglich ist der sogenannte perkutane Pulmonalklappenersatz ab einem Körpergewicht von 25 Kilogramm, dieses erreichen Kinder normalerweise im Alter von sieben bis acht Jahren. „Davor sind die Venen noch zu klein für den Eingriff“, erklärt Hofbeck. In Tübingen erhalten jährlich etwa zehn Kinder eine neue Pulmonalklappe ohne operativen Eingriff. Die Komplikationsrate bei diesem Eingriff ist sehr gering. 

In einer Untersuchung wird vorab zudem geklärt, dass sich kein Herzkranzgefäß in der Nähe der sogenannten „Landezone“ befindet und durch die implantierte Klappe abgedrückt werden könnte. Die in Tübingen verwendeten Herzklappen bestehen aus biologischem Material. Bei Bedarf können sie auch zu einem späteren Zeitpunkt nachgedehnt werden, denn die Kinder befinden sich noch in der Wachstumsphase. „Zumeist ist das aber während der Lebensdauer einer solchen Herzklappe nicht erforderlich“, sagt Hofbeck. Nach etwa zehn bis 15 Jahren muss die Pulmonalklappe erneuert werden. Auch solche Folgeeingriffe können ohne Operation über Katheter erfolgen. 

Nicht alle Operationen sind zu vermeiden 

Alle Operationen kann das schonende Verfahren den Patienten im Laufe ihres Lebens allerdings nicht ersparen. Häufig ist eine erste Operation bereits im Säuglings- oder frühen Kindesalter erforderlich, wenn die Kinder mit angeborenen Herzfehlern zur Welt kommen. Und auch im höheren Alter kann eine Operation unumgänglich werden. Denn mit jedem Einsatz einer neuen Herzklappe wird auch neues Drahtgeflecht im Herzen platziert. „Wenn es irgendwann zu viel würde, muss das Metall wieder entfernt werden, und das geht bisher nur über eine Operation“, schildert Hofbeck den Grund.