Universitätsklinikum Tübingen PULS
Wenn die Wirbelsäule schief ist

Was hilft bei Skoliose?

Verkrümmungen an der Wirbelsäule entstehen häufig schon im Jugendalter. Diese können zu Rückenschmerzen und Bewegungseinschränkungen führen. Ein Wirbelsäulenexperte des Uniklinikums spricht über Anzeichen und Therapiemöglichkeiten.
13.01.2020
Unsere Redaktion
8 Minuten
Was hilft bei Skoliose?
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Was ist Skoliose?

„Normalerweise ist die menschliche Wirbelsäule von vorne gesehen gerade. Abweichungen davon werden als Skoliosen bezeichnet", erklärt Dr. Christian Walter, stellvertretender Ärztlicher Direktor an der Tübinger Universitätsklinik für Orthopädie und Bereichsleiter Wirbelsäulenchirurgie. Seitlich betrachtet zeigt eine normale Wirbelsäule Krümmungen: Die Lendenwirbelsäule weist eine Biegung nach vorne (Lordose) auf, die Brustwirbelsäule eine Biegung nach hinten (Kyphose) und die Halswirbelsäule wieder eine nach vorne (Lordose). Weicht die Wirbelsäule davon ab, kann dies zu krankhaften und schmerzhaften Veränderungen führen.

Häufig kommen Menschen mit einem Rundrücken oder einem leichten Buckel in die Sprechstunde.  Dahinter steckt eine vermehrte Biegung der Brustwirbelsäule nach vorne. Diese kann bei jungen Menschen durch einen sog. Morbus Scheuermann verursacht werden. Bei alten Menschen entsteht der Rundrücken meist durch akute oder schleichende Einbrüche der Wirbelkörper, ausgelöst durch die altersbedingte Osteoporose. Auch hier ist äußerlich der typische „Buckel“ erkennbar. 

Bei wie vielen Menschen ist die Wirbelsäule deformiert?

„Je nachdem, wie eng man die Definition fasst, sind bis zu 15 Prozent der Bevölkerung betroffen", erläutert der Experte. Erfreulicherweise verursachen vor allem die kleineren Deformitäten in den meisten Fällen keine Beschwerden. Je nach Diagnose ist das eine oder das andere Geschlecht häufiger betroffen: Bei der häufigen „idopathischen Adoleszentenskoliose“, einer Skoliose, die ab dem 11. Lebensjahr und ohne fassbare Ursache auftritt, sind Mädchen circa dreieinhalbmal häufiger betroffen als Jungs. Beim Morbus Scheuermann hingegen sind männliche Jugendliche rund viermal häufiger betroffen als weibliche. 

Auch beim Alter gibt es Unterschiede: Deformitäten bei älteren Menschen sind häufiger erworben, bei jüngeren Menschen hingegen häufiger angeboren.

Wie und wann entstehen Skoliosen?

Entstehen können Skoliosen in jedem Alter. Sehr selten treten sie bereits in frühester Kindheit — ab Geburt bis zu drei Jahren — auf und werden dann „infantile Skoliosen“ genannt. Tritt die Verkrümmung zwischen dem vierten und zehn Lebensjahr auf, spricht man von einer „juvenilen Skoliose“. Die häufigste Form, die sogenannte Adoleszentenskoliose, tritt ab dem 11. Lebensjahr auf. 

Die genaue Ursache dieser Skoliosen ist in den meisten Fällen unbekannt. Als Mechanismus wird ein unterschiedlich schnelles Wachstum der vorderen (Wirbelkörper) und hinteren (Wirbelbögen und Facettengelenke) Anteile der Wirbelsäule diskutiert. Auch kann bei vielen Skoliosepatienten ein verfrühter pubertärer Wachstumsschub nachgewiesen werden.

Wenn Skoliosen im Erwachsenenalter auftreten sind sie meist abnutzungsbedingt. Ein Sonderfall sind Brüche der Wirbelsäule bei schweren Unfällen, diese führen aber eher zu Störungen des seitlichen Profils. 

Ab wann spricht man von einer Skoliose?

Skoliosen werden nach dem Cobb-Winkel eingeteilt. Dieser Winkel kann im Röntgenbild gemessen werden und zeigt den Schweregrad der Erkrankung an. Definitionsgemäß spricht man ab zehn Grad Cobb-Winkel von einer Skoliose. Die meisten Patienten leiden an einer leichten Form der Skoliose (10 bis 20 Grad Cobb-Winkel) und benötigen keine weitere Therapie. Ab einem Cobb-Winkel von 20 Grad wird im Wachstumsalter die Korsett-Therapie empfohlen. Dabei werden heutzutage leichte Kunststoffkorsette verwendet, die für jeden Träger individuell angefertigt werden und 23 Stunden am Tag getragen werden müssen. Ab einem Cobb-Winkel von 40 Grad muss je nach Lokalisation der Skoliose über eine operative Therapie gesprochen werden.

Was bedeutet eine Skoliose im Alltag?

Das Ausmaß der Beeinträchtigungen im Alltag hängt sehr stark von dem Ausmaß der Skoliose oder der Deformität ab. Leichte Formen haben in der Regel keine Beeinträchtigungen. Schmerzen können insbesondere bei ausgeprägten Deformitäten oder bei zusätzlichen, degenerativen Veränderungen auftreten. Gefürchtet sind insbesondere Instabilitäten der Wirbelsäule, diese können neben sehr starken Schmerzen auch zu neurologischen Ausfällen führen.

Was passiert, wenn eine Skoliose nicht behandelt wird?

Nach unseren Erfahrungen ist die Korsett-Therapie ein wissenschaftlich sehr gut erforschtes Instrument, um das Fortschreiten der Erkrankung aufzuhalten. Wird die Korsett-Therapie oder die Empfehlung zur Operation von den Kindern oder auch von den Eltern abgelehnt, droht eine unkontrollierte Zunahme der Deformität. Dies kann zu Einschränkungen der Lungenfunktion, zu ausgeprägten Schmerzen oder sogar zu neurologischen Ausfällen führen.

Wie erkenne ich, dass mein Kind eine Wirbelsäulendeformität hat? 

Von außen sieht man bei der Skoliose einen typischen Rippenbuckel im Bereich der Brustwirbelsäule. Diese einseitige Auswölbung der Rippen verstärkt sich wenn sich das Kind nach vorne beugt (Vorneigetest). Sehr viele Skoliosen lassen sich durch diese einfache Screeningsmaßnahme erkennen. Diese Deformitäten bleiben bei Kindern und Jugendlichen häufig ohne Beschwerden, es ist jedoch möglich, dass auch Schmerzen auftreten. 

An wen können sich Eltern bei Fragen wenden?

Wenn Eltern, Jugendliche oder der Kinderarzt in der klinischen Untersuchung den Verdacht auf eine Skoliose haben, ist der niedergelassene Orthopäde der erste Ansprechpartner. Hier kann dann bei entsprechender Indikation ein Röntgenbild der Wirbelsäule angefertigt und das Ausmaß der Skoliose bestimmt werden. Sollte sich dort eine behandlungsbedürftige Skoliose mit einem Cobb-Winkel von über 20 Grad finden, ist eine Vorstellung in der Skoliosesprechstunde zu empfehlen. Oft ist bei auswärtig bereits empfohlener Operation auch eine Zweitmeinung sinnvoll. 

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es bei einer Skoliose?

Wirbelsäulendeformitäten können in den allermeisten Fällen konservativ behandelt werden. In leichten Fällen reichen physiotherapeutische Übungen, teilweise mit speziell auf die Erkrankung abgestimmten Konzepten (zum Beispiel Physiotherapie nach Schroth bei der Skoliose). „Bei ausgeprägteren Formen muss auf die Korsett-Therapie zurückgegriffen werden", betont Walter. 

In seltenen Fällen ist auch eine Operation erforderlich. Hier stehen im wesentlichen Operationsverfahren durch einen vorderen oder einen hinteren Zugang zur Verfügung. In besonders ausgeprägten Fällen müssen auch beide Zugänge kombiniert werden. 

Bei Kindern und Jugendlichen zielt die Skoliosebehandlung darauf ab, das weitere Fortschreiten der Krankheit aufzuhalten. Dafür sind die oben genannten Therapiemaßnahmen alternativlos. Im Erwachsenenalter und insbesondere bei alten Menschen ist das Ziel häufig die Schmerzbehandlung und die Erhaltung der Mobilität im Alltag. Hier können neben klassischen schulmedizinischen Ansätzen wie zum Beispiel Physiotherapie und Schmerztherapie auch alternative Heilmittel wie Akkupunktur oder Schröpfen hilfreich sein, auch wenn es diesbezüglich in den meisten Fällen keinen wissenschaftlichen Nachweis gibt.

Was können Patientinnen und Patienten selbst tun?

Vor allem im jugendlichen Alter ist auf eine entsprechende, rückengerechte Haltung zu achten und ein allzu ausgeprägtes „Abhängen“ zu vermeiden. Im Erwachsenenalter wird regelmäßige sportliche Betätigung empfohlen, in vielen Fällen reichen täglich zehn Minuten Training aus. Neben Trainingsplänen von Physiotherapeuten können hier auch frei verfügbare Smartphone-Apps Unterstützung bieten. Die sportliche Betätigung führt zu einem Aufbau der Rückenmuskulatur, wirkt der Rückenverkrümmung entgegen und ist daher besonders bei Kindern und Jugendlichen mit Skoliose, aber auch bei Erwachsenen sehr zu empfehlen.

Darüber hinaus sollte in jedem Fall Übergewicht vermieden werden, da dies die Belastung auf die Wirbelsäule weiter erhöht. Auch sollte auf eine ausreichende Versorgung mit Proteinen geachtet werden, um den Muskelaufbau zu ermöglichen.

Abklärung in der Skoliosesprechstunde

Der erste Ansprechpartner bei Verdacht auf eine Skoliose ist der niedergelassene Orthopäde oder die Orthopädin. Dieser bestimmt das Ausmaß der Skoliose und kann ein Röntgenbild der Wirbelsäule anfertigen. 

Wird dabei eine behandlungsbedürftige Skoliose mit einem Cobb-Winkel von mehr als 20 Grad festgestellt, ist zur Beratung eine Vorstellung in der Skoliosesprechstunde der Orthopädischen Universitätsklinik gerne möglich. 

Terminvereinbarung über die Hochschulambulanz 

Experten

PD Dr. med. Christian Walter
PD Dr. med. Christian Walter
Oberarzt
Universitätsklinik für Orthopädie
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