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11.02.2022

Interview mit Katja Schenke-Layland zum Women in Science Day 2022

Prof. Dr. Katja Schenke-Layland wollte eigentlich seit ihrer Kindheit Tierärztin werden und hatte bereits während der Schulzeit in der Tierarztpraxis einer Freundin in ihrem Heimatort ausgeholfen. Es sollte sich jedoch tragischerweise herausstellen, dass gerade ihre zukünftigen kleinen Patienten ihren Traum je platzen ließen. Schenke-Layland entwickelte eine Katzenhaar-Allergie und so entschied sie sich kurzerhand für Plan B. Mit nun 44 Jahren bekleidet sie gleich drei wichtige Positionen: Sie ist Direktorin des Naturwissenschaftlichen und Medizinisches Instituts in Reutlingen, Professorin für Medizintechnik und Regenerative Medizin am Institut für Biomedical Engineering der Medizinischen Fakultät sowie Forschungsgruppenleiterin im iFIT Exzellenzcluster. Ihr Plan B, eine Karriere in den Naturwissenschaften anzustreben, hat sich also mehr als bezahlt gemacht. Anlässlich des Internationalen Tags für Frauen und Mädchen in der Wissenschaft haben wir Katja Schenke-Layland interviewt und sie gefragt, was sie dazu bewogen hat, eine akademische Laufbahn einzuschlagen und was Sie jungen Frauen an die Hand geben kann, die wie sie damals vor der gleichen wegweisenden Entscheidung standen.

1. Was hat Sie dazu bewogen, eine naturwissenschaftliche Karriere einzuschlagen?

Ich wollte schon immer als Kind Tierärztin werden. Das war damals mein Traumjob. Während der Schulzeit habe ich bereits bei einer Freundin, die eine Tierarztpraxis in meinem Heimatort aufgemacht hat, anfangs mitgeholfen. Das schon ab der 8. Klasse. Ab Ende der Schulzeit während der 11. und 12. Klasse kam dann aber die Wende. Ich dachte damals ich wäre immer erkältet, aber es stellte sich heraus, dass ich eine Katzenhaar-Allergie entwickelt hatte. Ich habe mich dennoch auf einen Studienplatz für Veterinärmedizin in Leipzig beworben und dort wurden Gespräche angeboten samt Allergietests, da sich diese Berufsunfähigkeiten damals schon gehäuft hatten. Leider wurde final bei mir eine Katzenhaar-Allergie und weitere Sensitivitäten gegen andere Tierhaare festgestellt. Damit war der Traum erstmal zu Ende. Dann habe ich nach Alternativen im näheren Umfeld gesucht, weil ich nicht zu weit von meinem Elternhaus studieren wollte und bin auf einen damals neuen Magisterstudiengang in Jena gestoßen, der die Möglichkeit bot, drei Fächer zu wählen. Deswegen habe ich auch die etwas ungewöhnliche Konstellation Biologie, Soziologie und Psychologie in meinem Abschluss. Darüber hinaus gab es keine Bewerbungsfristen und keine weiteren Restriktionen, sodass ich mich relativ problemlos einschreiben konnte, ohne noch ein weiteres Jahr warten zu müssen. Das war also eigentlich Plan B wie ich zum naturwissenschaftlichen Studium gekommen bin und es stellte sich schnell heraus, dass mein Herz eher für die Naturwissenschaften, also die Biologie und insbesondere die Biomedizin, schlug, als für Soziologie und Psychologie. Ich spielte sogar mit dem Gedanken nach dem Magister Medizin zu studieren und hatte bereits mein Pflegepraktikum im Krankenhaus in Jena gemacht. Mein zukünftiger Doktorvater aus der Herzchirurgie meinte, ich müsse nicht zwingend Medizin studieren, um Menschen zu helfen. Mit einer Promotion in der Biologie mit Fokus auf der Biomedizin könne ich ebenfalls einen wichtigen Beitrag für die Gesundheit der Menschen leisten.

2. In welcher Hinsicht glauben Sie, dass Ihre berufliche Laufbahn ein Vorbild für Mädchen sein kann, die mit dem Gedanken spielen, in die Naturwissenschaften zu gehen?

Es ist für einen hilfreich sich in anderen zu sehen. Für ein Mädchen ist es daher eventuell einfacher sich in einer Frau zu sehen als in einem Mann. Ich denke, wenn man eine Frau in einer bestimmten Position hat, dann sieht diejenige, dass es möglich ist, das ist machbar, und wenn ich die Schritte kenne, wie man dahin kommt, dann ist es für mich absolut im Bereich des Möglichen später da auch mal hinzukommen. Ich denke, dass öffnet zumindest die Gedankengänge, weil ich sehr oft weiblichen Studierenden begegne, die auf dem Level vom Bachelor und Master noch keine Ahnung haben, wo sie später mal hinwollen. Wenn ich sie dann auf eine akademische Karriere, beispielsweise eine Doktorarbeit, anspreche, reagieren die meisten sehr zurückhaltend nach dem Motto „Ich und promovieren, das traue ich mir nicht zu!“. Genau die gleiche initiale Reaktion hatte ich damals auch als mein Doktorvater mir dies vorschlug. Ich denke, es ist besonders hilfreich, wenn man jemanden hat, wo man sieht, genau der bzw. diejenige hat das gleiche gedacht, war in der gleichen Situation, und ist heute trotzdem Professorin geworden, und da kann ich dann auch hinkommen. Solch ein Vorbild kann eine Unterstützung in der Entscheidungsfindung sein.

3. Hatten Sie denn ein Vorbild bzw. Vorbilder?

Ja und zwar erstmal die Tierärztin in meinem Heimatort. Das war die Allererste, die mich inspiriert hat weiterzumachen und mir den Glauben gegeben hat, dass ich es einmal selbst schaffe dort hinzukommen. Aber es gab nicht nur das eine Vorbild, sondern mehrere und das waren jetzt nicht prominente Persönlichkeiten der Zeitgeschichte, sondern vielmehr jene, mit denen ich direkt zu tun hatte, also die Tierärztin, mein Doktorvater, und in meiner bisherigen Karriere Menschen mit und für die ich gearbeitet habe, und die mich beindruckt und mir meinen Weg gezeigt haben. Hinsichtlich meiner frühen wissenschaftlichen Karriere, war da wie bereits erwähnt zunächst mein Doktorvater, Ulrich Stock, der mich damals ermutigt hat zu promovieren, und mir mitgab, dass ich an mich und meine Fähigkeiten glauben muss. Aber auch während meiner Zeit in den USA als Postdoc und später Assistant Professorin an der UCLA hat mich mein damaliger Chef, Robb MacLellan, ein Kardiologe, gefördert. Aber ich hatte natürlich auch weibliche Vorbilder, zum Beispiel meine damalige Kollegin Hanna Mikkola, mit der ich heute noch sehr eng zusammenarbeite. Sie war damals mit ihrer Karriere weiter fortgeschritten als ich und konnte mir somit sehr gute Ratschläge in Bezug auf die akademische Karrierelaufbahn geben. Das war enorm hilfreich sich mit ihr auszutauschen.

4. Welchen Rat würden Sie Mädchen an die Hand geben, wenn diese eine Karriere in der Naturwissenschaft anstreben?

Ich hatte erst heute Morgen ein Gespräch mit einer Studierenden die gerade an ihrer Masterarbeit schreibt und die sich noch sehr unsicher ist, was ihren weiteren Werdegang anbelangt. Eine Doktorarbeit schien keine Option. Manchmal ist eine mögliche Ursache für den überdurchschnittlichen Respekt vor einer akademischen Karriere auch der Tatsache geschuldet, dass die Eltern keinen akademischen Hintergrund besitzen und somit nicht die gleichen Ratschläge geben können wie eine Person, die bereits die verschiedenen Stufen der akademischen Laufbahn erklommen hat. So war das auch bei mir. Dann ist eine akademische Karriereoption gedanklich weit weg. Deswegen habe ich die Studentin eingehend beraten, ihr aber gleichzeitig vorgeschlagen, sich jemanden zu suchen, der oder die auch im Labor arbeitet, aber vielleicht ein bis zwei Stufen weiter als sie ist, um sich ebenfalls Ratschläge einzuholen. Wichtig ist aber auch Leidenschaft zu haben für das, was man macht. Man muss dafür brennen und eine Passion entwickeln, weil die naturwissenschaftliche Laufbahn nicht unbedingt der einfachste Job ist. Für mich ist es zum Beispiel der Traumjob. Und das ist der ausschlaggebende Punkt. Wenn ich dafür brenne und mich selbst verwirklichen kann, mit der Forschung, der Lehre und der gesamten akademischen Laufbahn innerhalb der Naturwissenschaften, dann ist man wirklich gut aufgehoben. Das gilt natürlich für alle Jobs im Allgemeinen, aber für unseren ganz besonders, weil wir eben keinen typischen 9 to 5 Job haben.

5. Was wünschen Sie sich in Zukunft für die Förderung von Frauen in der Wissenschaft?

Über die letzte Dekade können wir an den Zahlen ablesen, dass Deutschland es geschafft hat, mehr und mehr Frauen dazu zu begeistern, den Weg in die Wissenschaft zu wagen. Das ist schon eine gute Richtung, die wir eingeschlagen haben, vor allem was die Weichenstellung in der Politik anbelangt, und dieser Weg muss konsequent weitergangen werden. Vor allem im Hinblick auf den Frauenanteil in Führungspositionen gibt es noch viel zu tun. Ein heikles Thema dabei ist die Frauenquote. Einerseits öffnet diese die Türen und führt mittel- und langfristig zur Erhöhung des Frauenanteils in gewissen Positionen, wie man sehr gut am Beispiel der USA sehen kann. Andererseits teilen wir Frauen das Gefühl, dass „ich ja den Job bekommen möchte, weil ich dafür qualifiziert bin, und nicht in erster Linie, weil es eine Quote gibt“. Ich selbst wurde auch schon mal auf einer Veranstaltung zum Thema Gleichstellung in einer Podiumsdiskussion (von einer Moderatorin!) gefragt, ob ich meinen Job der Frauenquote zu verdanken habe. Was definitiv weiter getan werde muss, ist die Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Hier sind vor allem flexible Arbeitszeiten, Dual Career Services, und erweiterte Angebote zur Kinderbetreuung für Forscher und Forscherinnen, die beispielsweise eine Betreuung außerhalb der Kernarbeitszeiten ermöglichen, wichtige Instrumente für Universitäten und Hochschulen. Ich weiß, dieses Thema ist auch dem Dekan der Medizinischen Fakultät, Bernd Pichler, sehr wichtig.

 Das Interview führte Steven Pohl

Mit gleich drei leitenden Positionen als Direktorin, Professorin und Forschungsgruppenleiterin trägt Prof. Dr. Schenke-Layland viel Verantwortung, aber ihr Herz schlägt auch weiterhin für Tiere. (Fotos: Jessica Wahl)


Über Prof. Dr. Katja Schenke-Layland:

Position: Direktorin und Stiftungsvorstand des NMI Naturwissenschaftlichen und Medizinischen Instituts in Reutlingen, Professorin für Medizintechnik und Regenerative Medizin am Institut für Biomedical Engineering der Medizinischen Fakultät, sowie Forschungsgruppenleiterin (PI) im iFIT Exzellenzcluster

Forschungsschwerpunkt: Stammzell- und Extrazelluläre Matrixbiologie, Gewebezucht, Entwicklung Marker-unabhängiger Analyseverfahren für Zellen, Gewebe und Materialien

Alter: 44 Jahre

Studium:  1995 – 2000 Magisterstudium in Biologie, Soziologie und Psychologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena; 2001 – 2004 Dissertation Dr. rer. nat. in Biologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena

Beruflicher Werdegang: https://www.nmi.de/de/ueber-uns/menschen/detail/prof-dr-katja-schenke-layland/