THEMA BRUSTGESUNDHEIT - Warum habe ich das nicht schon früher gemacht?
Mit dem Thema Brustgesundheit verbindet man meistens Themen wie Früherkennung, Mammographie-Screening-Programm oder auch Fragen zum Stillen. Darüber hinaus können auch die Größe der Brust sowie ihre Form und das Gewicht zu behandlungsnotwendigen Erkrankungen führen. Wir haben die Experten des Universitäts-Brustzentrums Tübingen besucht und erfuhren interessante Neuigkeiten zum Thema Brustgesundheit.
Frauen müssen über ihre Brustform nicht unglücklich sein. Insbesondere dann nicht, wenn korrigierende Operationen medizinisch indiziert sind, wie zum Beispiel aus orthopädischen Gründen bei sehr großen Brüsten. Hier hilft eine Verkleinerungsoperation. Oder aus psychologischen Gründen, wenn Brüste gerade bei jungen Frauen so gut wie gar nicht vorhanden sind und ein Aufbau medizinisch klar indiziert ist. Medizinisch indiziert ist bei sehr vielen jungen Frauen auch die Korrektur von Fehlbildungen, zum Beispiel bei ungleichen Brüsten, die häufig zu psychologischen Belastungen und Fehlhaltungen in der Wirbelsäule führen können“, sagten uns Prof. Dr. Diethelm Wallwiener, Ärztlicher Direktor der Universitäts-Frauenklinik, sowie Frau Prof. Dr. Sara Brucker, Geschäftsführende Ärztliche Direktorin des Departments für Frauengesundheit am Universitätsklinikum Tübingen.
Inwieweit Brustform, Größe und Gewicht durch eine formkorrigierende Operation sinnvoll zu behandeln sind und die Kosten deshalb auch von den Krankenkassen übernommen werden, sollte man am besten mit den Experten eines Brustzentrums direkt besprechen. Viele Frauen wissen nicht, dass die Krankenkassen, sofern die Notwendigkeit zur Behandlung besteht, diese Operationen übernehmen. „Hätte ich das nur früher gewusst, dann hätte ich diesen Eingriff schon längst machen lassen“: Insbesondere nach einer Verkleinerungsoperation, so Prof. Dr. Markus Hahn, Leiter der Experimentellen Senologie in Tübingen, melden uns dies unsere Patientinnen zurück. Der körperliche und psychologische Leidensdruck bei sehr großen Brüsten ist für viele Frauen nur schwer zu ertragen, sodass sie sich für die Operation entscheiden. „Uns berichten die Frauen, dass sie in ihrem täglichen Leben deutlich eingeschränkt sind“, so Prof. Hahn. Durch das Brustgewicht verändert sich die Körperhaltung. Damit verbunden ist eine Fehlhaltung der Wirbelsäule. Rückenschmerzen kombiniert mit Kopfschmerzen sind die klassischen Symptome. Sportliche Aktivität kann bei sehr großen Brüsten nur eingeschränkt erfolgen. Hautveränderungen in der Brustumschlagsfalte können daraus resultieren. All diese Symptome können durch eine operative Verkleinerung, der sogenannten Mammareduktionsplastik, korrigiert werden. Die Operationsplanung mit der Patientin ist wichtig. In einem ausführlichen Gespräch ist es bedeutend für den Arzt, die Probleme der Patientin genau zu erfassen. Patientinnen werden von einem seriösen Brustarzt immer über eventuelle Folgeoperationen und Risiken aufgeklärt. „Die Patientinnen sollen sich nach einer formkorrigierenden Operation wieder wohlfühlen. Unser Ziel ist es, die Lebensqualität der Patientinnen deutlich zu verbessern. Da dies bei uns immer im Fokus ist, nehmen wir uns für die Information und Aufklärung viel Zeit“, so Prof. Hahn. Die Ärzte erstellen bei dem Arztgespräch ein Gutachten, das vor dem Eingriff die Kostenübernahme bei der Krankenkasse absichern soll. Viele der Eingriffe werden von den Krankenkassen übernommen. Die Idealmaße einer ästhetischen Brustoperation werden dabei immer beachtet, der Eingriff samt Kostenübernahme unterscheidet sich aber von der reinen Schönheitschirurgie durch den Krankheitswert der Fehlbildung.
Aber nicht nur die Brustverkleinerung ist von den Krankenkassen anerkannt. „Es gibt Frauen, bei denen sich keine oder nur eine sehr kleine Brust ausgebildet hat“, so Frau Oberärztin Dr. Carmen Röhm. Solche Formen der Brustfehlbildung gibt es in unterschiedlichen Ausprägungen. Bei dem sogenannten Poland-Syndrom fehlt einseitig die komplette Brust. In manchen Fällen fehlt sogar der große Brustmuskel. Solche Frauen haben einen großen Leidensdruck und die Wiederherstellung von dieser Fehlbildung verlangt eine große Erfahrung, so Frau Dr. Röhm. Die Ärztin hat sich seit vielen Jahren auf diese Fehlbildungen spezialisiert und dadurch eine große Fallzahl solcher Krankheitsbilder gesehen und behandelt. Bei der Wiederherstellung eines Poland-Syndroms muss man an viele kleine Dinge denken. Solche Fehlbildungen kann man mit Implantaten oder mit Eigengewebe wieder aufbauen. Dies erfolgt in mehreren Schritten. Über eine Expanderprothese, die unter die Haut gelegt wird und die mit Kochsalzlösung über die Haut gefüllt werden kann, schafft man, die Haut zu dehnen. In einem zweiten Schritt wird im Anschluss über ein Implantat oder ein Transplantat zum Beispiel aus überschüssiger Bauchhaut die Brust neu geformt. Zuletzt wird die Brustwarze wiederhergestellt. Das ist sehr wichtig für die Patientinnen, da die Symmetrie für das Gesamtbild von großer Bedeutung ist.
Solche Fehlbildungen sind selten. Entsprechend wichtig ist es, dass der behandelnde Arzt über eine große Erfahrung mit diesen seltenen Krankheitsbildern verfügt. Je größer die Fallzahl eines Brustzentrums ist, umso höher ist die Qualität. Im Universitäts-Brustzentrum in Tübingen werden pro Jahr 1200 Brustoperationen durchgeführt. Das gesamte onkologische und rekonstruktive Spektrum der Brustoperationen wird dort angeboten.
Und Dr. Röhm ist noch etwas anderes wichtig. Sie erzählt uns, dass der Umgang mit Materialien, die bei Brustoperationen eingesetzt werden, sehr gewissenhaft erfolgen sollte. Implantat ist eben nicht gleich Implantat, so Dr. Röhm. Der Skandal mit den sogenannten PiP-Implantaten, bei denen unter krimineller Energie nicht medizinisches Silikon benutzt worden war, was durch die Presse ging, sei nur als Beispiel genannt. Entsprechend wichtig sei, dass man als Arzt auch über diese Produkte bestens geschult ist und informieren kann.
Implantate haben nur eine begrenzte Lebensdauer und unterliegen, wie jedes andere Material auch, einer begrenzten Haltbarkeit. Für Frauen, die keine oder nur eine winzige Brust haben, ist es besonders wichtig, die Übernahme der Kosten durch die Krankenkasse auch vor diesem Hintergrund zu klären. Da jede Brustoperation mit Implantaten weitere Operationen nach sich ziehen kann, sollten Frauen darüber informiert werden. Sobald der medizinische Dienst das Gutachten des Brustzentrums positiv bewertet hat und die Krankenkasse die Kosten übernimmt, werden auch die Folgekosten, die die Erkrankung verursacht, von der Krankenkasse getragen. Ein seriöser Brustarzt sollte immer über die Folgekosten im Rahmen einer Implantatoperation aufklären.
Ein Forschungsschwerpunkt von Dr. Röhm ist die Fixierung von Brustimplantaten über sogenannte ADM oder Netze. Darunter versteht man eine Fixierungstasche, in die das Implantat eingenäht werden kann. Das hat viele Vorteile. Die Ärztin erzählt uns, dass man dank dieser Technik Implantate nicht mehr unter den großen Brustmuskel, sondern auf ihn legen kann. Dadurch entstehen bei diesem Eingriff weniger Schmerzen oder Bewegungseinschränkungen.
Wir fragen Prof. Hahn, wie man einen Experten auf dem Gebiet der Brustchirurgie finden kann. Der Arzt erzählt uns, dass man Brustoperationen am besten in einem zertifizierten Brustzentrum durchführen lassen sollte. In Tübingen arbeiten alle Experten aus unterschiedlichen Fachdisziplinen unter einem Dach. Er erklärt uns auch, dass man gute Operateure daran erkennt, dass sie Kurse geben und andere Ärzte ausbilden. Entsprechend muss man länger auf einen Termin warten und auch im Wartezimmer Geduld aufbringen. Ein guter Arzt nimmt sich eben die Zeit, die notwendig ist, und lässt sich nicht hetzen, so Prof. Hahn. Darüber hinaus ist es Aufgabe eines Universitären Brustzentrums, neue operative Techniken unter Studienbedingungen zu untersuchen, sodass viele Menschen die Möglichkeit haben, von modernen Verfahren zu profitieren.
PROF. DR. MED. MARKUS HAHN
FÜR DAS TEAM DES UNIVERSITÄTS-BRUSTZENTRUMS TÜBINGEN