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27.06.2023

Umgeleitet - Wie man ein Protein antiviral macht

Im Laufe der Evolution befinden sich Virus und Wirt in einem komplexen Zusammenspiel, das man mit einer Art Wettrüsten vergleichen kann: Viren entwickeln neue Strategien, um ihren Zielorganismus besser zu infizieren oder sein Immunsystem zu umgehen. Die Wirte ihrerseits reagieren und finden im Laufe der Zeit Möglichkeiten, diese neuen Virusstrategien zu blockieren oder zu unterwandern. 

Manche Viren sind sogar völlig von menschlichen Proteinen abhängig. Ein Beispiel ist die Protease Furin. Furin schneidet die Vorstufen viraler Oberflächenproteine in ihre endgültige, aktive Form. Ein Prozess den man Reifung nennt. Viren mit unreifen Oberflächenproteinen sind nicht infektiös. HIV, das Dengue-Virus, aber auch SARS-CoV 2, sind deshalb auf die Aktivierung durch Furin angewiesen. 

Doch infizierte Zellen sind nicht hilflos. Sie haben Abwehrmechanismen mit deren Hilfe sie Viren das Leben schwer machen. Zum Beispiel wurden in den letzten Jahren  immer mehr zelleigene Proteine entdeckt, die Furin hemmen und somit die Aktivierung der Viren verhindern.  Solche Proteine werden als antivirale Faktoren bezeichnet.

Die Tübinger Forschenden haben nun getestet, ob Serpin B8 ebenfalls ein solcher Furin-Inhibitor ist. Mit seiner Doktorarbeit konnte Moritz Petersen zeigen, dass Serpin B8 normalerweise nicht verhindert, dass virale Oberflächenproteine innerhalb der Zelle von Furin geschnitten werden.  Serpin B8 ist deshalb auch nicht antiviral aktiv. Das liegt daran, dass Serpin B8 und Furin sich in der Zelle nicht begegnen. Verändert man die Position von Serpin B8 jedoch künstlich, sodass es sich im gleichen intrazellulären Raum wie Furin befindet, kann Serpin B8 die  Virusreifung in Zellen hemmen. Auf diese Weise konnten Virusproduktion und Infektiosität von HIV-1 Viruspartikeln stark reduziert werden. 

Die Ergebnisse der Studie wurden in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Journal of Virology veröffentlicht und sind hier zu finden. Für die Veröffentlichung erhielt Moritz Petersen nun außerdem den Best Summer Paper 2023 Award der jungen Gesellschaft für Virologie. Herzlichen Glückwunsch!

Bild: Verteilungsmuster von Furin (grün) und seinem Inhibitor Serpin B8 (rot) in Zellen (Zellkern = blau). Unter normalen Bedingungen  überlappen die beiden Signale nicht, d.h. die beiden Proteine befinden sich nicht in der gleichen Region der Zelle (siehe Bild). Durch gezielte Manipulation kann Serpin B8 aber in die Nähe von Furin gebracht und so in einen potenten antiviralen Faktor verwandelt werden.