Heute ist Weltdiabetestag,
ein Tag an dem wir das Bewußtsein für diese Erkrankung schärfen und unsere Solidarität den Menschen mit Diabetes gilt. Der Tag wird seit 1991 nach einer Initiative der International Diabetes Federation (IDF) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) begangen.
Diabetes mellitus ist eine seit langem bekannte Erkrankung, die seit etwas mehr als 100 Jahren nach der Entdeckung und industrieller Herstellung von Insulin erstmals behandelbar wurde. Während bei Erwachsenen meist der Typ-2-Diabetes vorliegt, ist bei Kindern und Jugendlichen die Autoimmunerkrankung Typ-1-Diabetes vorherrschend. Diese Erkrankung trifft Menschen in der Regel ohne Vorwarnung, ohne Schuld und verändert das Leben der Betroffenen und deren Familien gravierend. Viele Patienten sehen sich zusätzlich mit dem Vorwurf konfrontiert, sie hätten übermäßig Süßigkeiten konsumiert oder sich zu wenig bewegt, was für die Entwicklung eines Typ-1-Diabetes nicht zutrifft. Die tatsächlichen Ursachen für den Ausbruch der Erkrankung sind noch immer nicht ausreichend verstanden.
Vor 100 Jahren stand das Überleben der Patienten im Vordergrund. In den letzten Jahrzehnten und insbesondere in den letzten 5 Jahren hat sich die Diabetestherapie rasant entwickelt und die Therapiebemühungen liegen heute besonders in der Vereinfachung der Behandlung und der besseren Vereinbarkeit von Diabetes, einer normaler Entwicklung von Kindern und Jugendlichen und der möglichst von der Krankheit unbeeinträchtigten Gestaltung des Alltags -sowohl der Betroffenen als auch deren Familien.
Meilensteine der Diabetesentwicklung sind sicherlich die Entwicklung kurzwirksamer Insuline, die kontinuierliche Glukosemessung („Blutzuckersensor“) und die automatisierte Insulindosierung (AID) durch die Kopplung von Insulinpumpe, kontinuierlicher Glukosemessung und Steuerung der Insulinabgabe durch einen Algorithmus. Insbesondere die Entwicklung der AID-Systeme und deren breiter Einsatz ohne Beschränkung bei allen Patienten, die eine Nutzung wünschen, trägt zu einer deutlichen Reduktion der Krankheitslast bei Betroffenen und deren Familien bei.
Unsere Patientin Leonie nutzt ein solches System und beschreibt in ihrem mutmachenden Bericht über ihr Leben mit Diabetes.
„Diabetes- na und?
Hi, ich bin Leonie und 19 Jahre alt. Als ich 16 Monate alt war, wurde bei mir Diabetes Typ 1 diagnostiziert. Ich kann sagen, dass ich mein Leben eigentlich gar nicht ohne Diabetes kenne. Ob mich das traurig macht? Natürlich gibt es Tage, an denen ich diese Frage sofort mit Ja beantworten würde, spätestens, wenn ich mitten in der Nacht aufstehen muss, um meinen Katheter zu wechseln. Aber die meiste Zeit würde ich sie mit einem klaren Nein beantworten. Warum? Da gibt es eine lange Liste, aber ganz oben steht meine beste Freundin Lisa. Sie habe ich vor vielen Jahren kennengelernt. Damals, als sie frisch Diabetes bekommen hat, sind Ihre Eltern auf meine zugekommen, um Erfahrungen und Tipps auszutauschen. Mit ihr kann ich alles teilen, sowohl Probleme mit meinen Blutzuckerwerten als auch Erfolgsmomente beim Langzeitwert. Einmal haben wir uns sogar eine Insulinpumpe geteilt. Wir helfen uns immer gegenseitig, und ermutigen uns, immer wieder auf Neue dranzubleiben. Es ist leider nicht selbstverständlich, dass man jemanden kennenlernt, der mit dem gleichen Schicksal konfrontiert wurde wie man selbst, weshalb ich umso dankbarer für unsere Freundschaft bin, die wir ohne unseren Diabetes nie hätten. Der nächste Punkt auf meiner Liste sind meine Ärzte. Auf sie ist einfach immer Verlass, weshalb sie, auch wenn ich sie mal mitten in der Nacht anrufe, weil ich mir aus Versehen zu viel Insulin gespritzt habe, ans Telefon gehen und für mich da sind. Sie haben schon viel mit mir durchgemacht, auch meine schlechteren Phasen, die es durchaus auch immer mal wieder gibt, aber ich habe mich bei ihnen immer gut aufgehoben gefühlt. Ein weiterer Grund, weshalb ich meinen Diabetes nicht nur als eine Krankheit ansehe, ist, dass ich durch ihn früh lernen musste, was es heißt, Verantwortung zu übernehmen, und auf sich selbst zu hören, was mich heute zu einer starken und selbstbewussten jungen Frau gemacht hat. Ich kann stolz auf mich sein, dass ich jetzt alles selbst in der Hand habe und mittlerweile ganz allein zurechtkomme. Ebenso stolz und dankbar bin ich aber auch meiner Familie gegenüber, die das alles für mich in meinen ersten Jahren übernommen hat und für mich stark war, als ich es nicht sein konnte. Sie haben mich, ebenso wie meine Freunde immer unterstützt und mir regelmäßig dabei geholfen, an all‘ die Sachen zu denken, die man täglich beachten muss. Zuletzt möchte ich noch erwähnen, wie sehr ich damals weinen musste, als man meine erste Pumpe nach vier Jahren ersetzen musste, da die Garantie abgelaufen war. Meine Insulinpumpe ist einfach immer bei mir, und vielleicht mag es für den ein oder anderen komisch klingen, weil es ja nur ein Gerät ist, aber für mich ist sie ein Lebensretter, der mir sehr viel Stress und Sorgen erspart und mir einen fast normalen Alltag schenkt.
Also Ja, ein Leben mit Diabetes kann manchmal schwierig sein, und einen vor Herausforderungen stellen, die vom Zeitpunkt her nicht schlechter sein könnten (wie zum Beispiel Unterzucker in einer Klassenarbeit). Aber mein Diabetes ist ein Teil von mir, der mich für immer begleiten wird. Warum aber sollte ich mich davon einschränken lassen und ihn als Hindernis sehen, wenn mein Leben mit Diabetes mir auch Chancen, Freundschaften und Zusammenhalt bieten kann?“
Eine Heilung des Diabetes mellitus Typ 1 ist bisher und auch in naher Zukunft nicht möglich, aber durchaus vorstellbar. Diese Hoffnung darf man haben. Bis dahin stehen die modernen Diabetestechniken allen unseren Patienten zur Verfügung. Die Technik kann zwar den Diabetes nicht gänzlich aus dem Leben von Betroffenen verbannen, aber sie können ihn deutlich in den Hintergrund rücken. Junge Patienten profitieren sehr von dieser Technik und so ist es nicht verwunderlich, dass die Pädiatrie diese Techniken verstärkt einsetzt und zur Weiterentwicklung der Systeme maßgeblich beiträgt.
Begehen Sie mit uns den Weltdiabetestag für unsere Patienten und deren Familien. Es gibt trotz der Entwicklungen der letzten Jahre noch viele Hürden für Betroffene im Alltag. Zeigen Sie Solidarität und teilen Sie unseren Beitrag mit Freunden und Verwanden, um das Bewußtsein für Diabetes nicht nur am heutigen Tag in der Gesellschaft zu verankern.
Julian Ziegler für das Diabetesteam der Kinderklinik Tübingen