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Schwanger - warum fällt der Verzicht auf Alkohol und Zigaretten so schwer?

Die guten Vorsätze sind da: Zum Jahreswechsel, nach einer Krankheit oder vor einer Schwangerschaft. Trotzdem gelingt es nicht jedem, die Suchtmittel Tabak und Alkohol tatsächlich aus seinem Leben zu verbannen. Prof. Dr. Anil Batra leitet die Sektion Suchtmedizin und Suchtforschung am Universitätsklinikum Tübingen. Im Interview erklärt der Suchtexperte, warum der Verzicht auf Alkohol und Zigaretten so schwer fällt, wie man die Gründe für den Konsum verstehen lernen kann - und warum es sich lohnt aufzuhören. Zusammen mit Dr. Anette Stiegler hat er IRIS ins Leben gerufen, eine Online-Beratungsplattform.

Zigarette wird in der Mitte durchgebrochen
Trotz abschreckender Verpackung: das Aufhören fällt häufig schwer.(Bildquelle: fotolia/Sondem)
IRIS soll Schwangeren helfen, mit dem Konsum von Tabak und Alkohol aufzuhören. Woran liegt es, dass eine Abstinenz oft so schwer fällt?

Bei vielen gesellschaftlichen Anlässen wird gemeinsam geraucht oder Alkohol getrunken. Darum fällt es vielen Schwangeren schwer, auf den Konsum zu verzichten - egal ob eine Abhängigkeit vorliegt oder nicht. Überall lauern Versuchungssituationen. Wohlmeinende Freunde und Bekannte bieten einem ein Glas Wein oder eine Zigarette an. Oft hat man den Konsum auch ritualisiert, das heißt, immer zu bestimmten Anlässen geraucht oder Alkohol konsumiert - zum Beispiel zum Feierabend, zur Stressreduktion oder zur Belohnung. Das muss nicht gleich Abhängigkeit bedeuten.

Dennoch ist das Rauchen jederzeit schädlich. Alkoholkonsum speziell während der Schwangerschaft schadet der Gesundheit des ungeborenen Kindes auch in geringen Mengen. Darüber hinaus gibt es auch Personen, die tatsächlich abhängig sind. Dann kommen als weitere Hürde für den Konsumverzicht körperliche Entzugssymptome dazu. Man fühlt sich zum Beispiel körperlich unwohl, hat Schlafstörungen, verspürt Unruhe und Verstimmungen. All das kann ein Impuls zum erneuten Konsum sein.


Wie entsteht denn diese Abhängigkeit? Was läuft da genau ab?

Bei einer körperlichen Abhängigkeit richten sich der Körper und insbesondere das Gehirn darauf ein, den Suchtstoff regelmäßig zugeführt zu bekommen. Der Verzicht auf den Alkohol- oder Nikotinkonsum bringt die Regulationsprozesse im Gehirn ins Ungleichgewicht. Schlafstörungen, Verstimmungszustände, Unruhe, aber auch Angst, Irritabilität oder Ärger sind die Folge. Um diese Symptome wieder abzubauen, so ist die Lernerfahrung bei einer Abhängigkeit, ist Alkohol bzw. die Zigarette ein probates Mittel.

Letzte Änderung: 31.03.2014

Was sind die wichtigsten Schritte zu einem Verzicht auf Zigaretten oder Alkohol?

Wichtigste Voraussetzung für die Abstinenz von Tabak und Alkohol - ob mit oder ohne Entstehung einer Abhängigkeit - ist die Motivation, auf den Konsum zu verzichten. Dann kann man entsprechende Schritte in die Wege leiten:

Gewohnheiten ändern

Rückfallgefährliche Situationen - sei es die Gesellschaft mit anderen Rauchern und Alkohol trinkenden Personen oder typische Stress-Situationen, sollten vermieden werden. Auch ist es sinnvoll, alte Gewohnheiten zu ändern. Auf diese Weise verhindert man, abends vor dem Fernseher, in der Gastwirtschaft oder bei Freunden zu alten Konsumgewohnheiten zurückzukehren.

Medikamente

Nur in den seltenen Fällen einer körperlichen Abhängigkeit ist es erforderlich, mit Unterstützung eines behandelnden Arztes Medikamente einzusetzen.

Kommunizieren

Als Betroffene kann man den gewünschten Konsumverzicht aufgrund der Schwangerschaft öffentlich mitteilen. Das ist eine der wichtigsten Absicherungen, damit einen Freunde oder Bekannte nicht zum gemeinsamen Konsum auffordern.

Ursache analysieren

Wichtig ist die Unterstützung des Partners. Vor allem aber sollte man selbst anfangen zu überlegen: Welche Funktion hat der Konsum von Alkohol oder Tabak? Dient er der Entspannung? Dann geht es darum, neue Entspannungswege zu finden. Dient er der Selbstbelohnung? Dann geht es darum, alternative Möglichkeiten der Belohnung zu finden. Dient er der Überwindung von Langeweile? Dann ist die Aufgabe, Wege zu finden, Langeweile anders zu überwinden. Ist vor allem eine depressive Verstimmung, Angst oder der Ärger der Grund für den Konsum? Hier muss unter Umständen auch psychologische Hilfe aufgesucht werden, um mit depressiven oder angstbezogenen Umständen anders umgehen zu lernen.

Schwangere und ihr Ungeborenes sind durch Tabak- und Alkoholkonsum besonders gefährdet. Gleichzeitig empfinden es manche als Stress, ausgerechnet jetzt auf die Zigarette oder das Glas Rotwein verzichten zu müssen. Lohnt es sich, den Verzicht trotzdem zu wagen?

Das ist richtig, die Schwangerschaft kann Stress bedeuten. Insofern liegt es nahe, auf Stressbewältigungsstrategien wie das Rauchen oder den Alkoholkonsum zurückzugreifen. Es ist absolut nachvollziehbar, dass mit der Umstellung, die die Schwangerschaft für den Alltag und das Leben bringt, Möglichkeiten gesucht werden, um Anspannungszuständen und Stress zu begegnen. Aber: Alkohol und Tabak sind keine gesundheitsverträglichen Mittel - insofern kann ich jeder Frau nur davon abraten. Gleichzeitig möchte ich den Schwangeren Mut machen: Der Verzicht auf Genussmittel wie Alkohol oder Tabak ist mit Unterstützung anderer Personen gut zu meistern. Auch eine therapeutische Behandlungsplattform wie IRIS gibt wichtige Tipps. Das Programm begleitet Sie in jedem einzelnen Schritt, der es leichter macht, den Verzicht durchzuhalten. Es lohnt sich immer, den Verzicht zu wagen - der gesundheitliche Profit für Mutter und ungeborenes Kind sind der größte Lohn!

Inwiefern hilft IRIS Schwangeren, die auf Zigarette und Alkohol verzichten möchten?

IRIS ist verhaltenstherapeutisch aufgebaut und befindet sich auf dem neuesten Stand der Suchttherapie. Bei einer Abhängigkeit von Alkohol ersetzt IRIS nicht den direkten Kontakt zum Therapeuten, kann aber vielleicht nochmals bei der Klärung der erforderlichen Schritte behilflich sein. Insbesondere bei Personen, die nicht abhängig sind, aber dennoch nach Unterstützung beim Verzicht auf Alkohol oder Tabak suchen, bietet IRIS ausreichend Unterstützung für die Überwindung der Schwierigkeiten während des Verzichtes.

IRIS: Onlineberatung für Schwangere

Schwangeren ist es ein Anliegen, ihrem ungeborenen Kind einen guten Start ins Leben zu ermöglichen. Dazu gehört auch, den Konsum von Alkohol und Tabak während der Schwangerschaft einzustellen. Dies ist nicht immer ganz einfach. Das Onlineberatungsprogramm IRIS unterstützt beim Konsumstopp.

Mehr erfahren
Was können Frauen, die ihren Konsum stoppen, Positives erwarten? Wie sieht ein Leben bzw. eine Schwangerschaft ohne Suchtmittelkonsum aus?

Langfristig gesehen hat der Verzicht eindeutig positive Konsequenzen für das ungeborene Kind. Aber auch kurzfristig können Frauen, die auf Tabak- oder Alkoholkonsum verzichten, schon positive Effekte für sich verbuchen: Die körperliche Fitness wird besser, insbesondere Atmung und Ausdauer. Es bleibt mehr Geld in der Kasse. Vielleicht erleben Sie auch eine gehörige Portion Stolz, dass Sie den Tabakkonsum eingestellt haben oder bei Gelegenheiten, wo der Alkoholkonsum möglich gewesen wäre, stark geblieben sind. Das Leben während der Schwangerschaft ist reichhaltig und voller Herausforderungen - da fällt der Konsum von Genussmitteln wie Alkohol oder Tabak neben all den anderen Anforderungen und Vorteilen der Schwangerschaft nicht ins Gewicht. Auf alle Fälle ist der langfristige Gewinn, ein gesundes Kind zu haben, ein lohnenswertes Ziel.

Im Interview:

Prof. Dr. med. Anil Batra

Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie

Einrichtung: Sektion Suchtforschung und Suchtmedizin

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