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Weihnachten: Was macht Kinder glücklich?

Die Erwartungen sind hoch und alle Jahre wieder stellt sich für viele Familien die Frage: Was kann man tun, damit das Weihnachtsfest für Eltern wie Kinder friedlich und harmonisch verläuft. Wir sprachen mit Prof. Dr. Michael Günter von der Abteilung Kinder- und Jugendpsychiatrie am Universitätsklinikum Tübingen darüber, wie Frust, Streit und Enttäuschungen vermieden werden können und was zum guten Gelingen der Festtage mit Kindern beitragen kann.

Dekoschild "Nürnberger Weihnachtsmarkt"
(Bildquelle: Fotolia/NoraDoa)
Können schon in der Vorweihnachtszeit die Weichen für ein gelungenes Weihnachtsfest gestellt werden?

Die Weichen für ein gelungenes Weihnachtsfest kann man vielleicht nicht stellen, aber man kann sich immerhin, trotz der Hektik und des Stresses in der Vorweihnachtszeit darauf besinnen, den anderen wahrzunehmen, zuzuhören, miteinander Zeit verbringen. Das müssen nicht unbedingt die tollen Aktivitäten sein. Vielleicht ist das eine gute Gelegenheit, miteinander Plätzchen zu backen und dabei ein bisschen Zeit füreinander zu haben oder in ein Konzert zu gehen, Laterne zu laufen oder was immer man sich schon lange vorgenommen hatte und was nie zustande kam. Selbstverständlich muss dies dem Alter der Kinder entsprechen und es sollte auch beiden, Vater oder Mutter und Kind oder der ganzen Familie Spaß machen.

Haben Sie eine Empfehlung für den Ablauf der Feiertage? Sollte z.B. der Gottesdienstbesuch obligatorisch sein?

Zunächst einmal sollte man die Erwartungen nicht zu hoch hängen. Man kommt meist aus dem Stress und jeder will erst einmal entspannen. Gleichzeitig hat man riesige Erwartungen, wie schön das Fest sein sollte, vielleicht auch große Erwartungen, dass nunmehr wie von Zauberhand alles harmonisch sein müsste für einige Tage. Ich denke immer, man sollte das Festtagsprogramm nicht zu voll stopfen mit allerlei Verwandtenbesuchen etc. Es muss auch Freiräume für jeden geben, Rückzugsmöglichkeiten. Die Kinder wollen sich auch mit Freunden treffen und das ist in Ordnung. Es sollte aber auch da nicht alles dem Zufall überlassen werden. Man kann sich wie in der Vorweihnachtszeit kleine Dinge vornehmen, die man schon immer gerne einmal gemeinsam machen wollte, vielleicht auch zu zweit oder in kleinerer Konstellation. Es muss nicht immer die ganze Familie sein. Ob ein Gottesdienstbesuch dazu gehört, regelt jede Familie heutzutage für sich. Da gibt es vermutlich kein richtig oder falsch, aber schön ist es natürlich, wenn man gewisse Rituale hat, die sich von Jahr zu Jahr wiederholen. Ich gehe beispielsweise mit meinen Töchtern vor Weihnachten in den Wald zu einem Waldbauern und wir holen dort unseren Tannenbaum. Das ist jedes Jahr so und jedes Jahr gibt es die Diskussionen um die Größe des Baumes. Wir suchen den Baum im Wald aus, sägen ihn selber ab und transportieren ihn nach Hause, wo er dann geschmückt wird. Ich glaube, meinen Kindern würde etwas fehlen, wenn wir dies in diesem Jahr anders machen würden und mir ginge es genauso.


Sie sind selbst Vater von drei Töchtern, müssen Eltern ihren Kindern jeden Weihnachtswunsch erfüllen, damit das Fest der Liebe gelingen kann?

Selbstverständlich kann man nicht jeden Wunsch erfüllen und darauf kommt es wahrscheinlich auch gar nicht so sehr an. Was ich von meiner Frau gelernt habe ist, dass es vor allem die kleinen, ganz persönlich ausgesuchten Geschenke sind, die Bedeutung haben, weil sie zeigen, dass man an den betreffenden Menschen denkt, dass man sein Kind im Auge hat, eine innere Verbindung herstellt. Ich will damit nicht unbedingt einer falschen Bescheidenheit des Wort reden, das wäre unredlich, aber diese kleinen Geschenke, die jemandem sagen: ich habe an Dich gedacht, die sind es, die haften bleiben. Die brauchen aber auch Zeit, innere Beschäftigung und Muße.


Und wenn die Geschenke überhaupt nicht gefallen?

Das kann ja ganz unterschiedliche Gründe haben. Rein praktisch gesehen, kann man mal daneben langen und zum Glück ist es in der Regel möglich, Geschenke umzutauschen. Oft aber stehen enttäuschte Erwartungen auf einer ganz anderen Ebene dahinter, das Gefühl, mit Materiellem abgespeist zu werden und das Eigentliche fehlt oder das Gefühl, die Geschwister würden bevorzugt und dann nützt es gar nichts, darauf zu verweisen, dass man für alle dieselbe Summe Geldes ausgegeben hat. Es ist dann dieses ganz subjektive Empfinden, das ernst genommen werden will, selbst wenn es objektiv nicht wirklich berechtigt ist. Man kann es zum Anlass nehmen, das Kind zu fragen, was es sich denn wünschen würde, was grundsätzlich fehlt, was wichtig wäre.


Was tun, wenn es doch zu Konflikt und Streiterei kommt?

Warum soll es nicht auch an Weihnachten Konflikte, Streit geben, wie eben sonst auch. Wie bereits erwähnt, die Festtage sind oft überfrachtet mit Erwartungen an Harmonie, die dann doch nicht erfüllt werden, zumal man aus einem stressigen Alltag heraus kommt. Ich möchte umgekehrt zu bedenken geben, vielleicht ist dies auch eine Zeit, in der man ein paar Dinge klären kann, die im Alltag zu kurz kommen. Wenn das dann verknüpft werden kann mit einer gewissen Gelassenheit und man sich nicht gleich aufregt, dass nun die Feiertage verdorben seien, kann dies vielleicht sogar hilfreich sein.


Dürfen Kinder am Heiligabend so lange aufbleiben wie sie wollen?

Ich würde sagen ja. Allerdings, wenn man merkt, dass ein kleines Kind schon völlig übermüdet ist, macht es ja auch keinen Sinn, das Kind länger aufbleiben zu lassen. Viel schwieriger finde ich die Frage, wie man es handhaben will, wenn Jugendliche sich noch mit Freunden treffen möchten. Das war früher tabu. Mittlerweile aber ist diese Ausschließlichkeit von Familie an Weihnachten ja deutlich aufgeweicht. Ich denke, auch da muss man ein gutes Verhältnis von familiären und außerfamiliären Aktivitäten finden und am besten vorher miteinander besprechen. Man sollte auch gemeinsam überlegen, was man denn beispielsweise an den Abenden miteinander vorhat. Wenn die Eltern nur vor dem Fernseher sitzen, ist es wahrscheinlich wesentlich attraktiver, sich mit Freunden zu treffen. Wenn man dagegen für einen Abend etwas findet, das allen gemeinsam Spaß macht, ist dies vielleicht sogar attraktiver.

Letzte Änderung: 13.12.2011

Im Interview:

Prof. Dr. Michael Günter

Einrichtung: Kinder- und Jugendpsychiatrie

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