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Brandverletzungen bei Kindern - Brandheiße Gefahren im Winter

Allein in Deutschland erleiden jährlich etwa 6000 Kinder unter 15 Jahren so schwere Verbrennungen, dass sie stationär im Krankenhaus behandelt werden müssen. Wir sprachen mit Dr. Verena Ellerkamp, Fachärztin der Abteilung Kinderchirurgie und Kinderurologie am Universitätsklinikum Tübingen über die häufigsten Unfallursachen, Erste-Hilfe-Maßnahmen und mögliche Folgen.

Kind greift nach einem Topf
Überschwappende heiße Flüssigkeit ist oft der Grund für Verbrennungen bei Kleinkindern. (Bildquelle: fotolia / Monkey Business)
Frau Dr. Ellerkamp, wie kommt es zu Verbrennungen bei Kindern?

Die meisten Verbrennungsunfälle passieren im häuslichen Umfeld, etwa zwei Drittel davon sind Verbrühungen mit heißer Flüssigkeit. Oft trifft es Kleinkinder, die aus der Kaffeetasse von Mutter oder Vater trinken wollen, dabei kommt es zu sogenannten Latzverbrennungen an Hals und Dekolleté. Oder aber die Kinder erleiden Verbrühungen im Genitalbereich, wenn sie z. B. eine heiße Teekanne oder beim Inhalieren das Gefäß mit der heißen Flüssigkeit vom Tisch ziehen. Eine große Gefahrenquelle stellen von der Arbeitsplatte hängende Kabel von Wasserkochern dar. Krabbelkinder ziehen daran und verbrühen sich. Beim Zündeln oder "Spielen" mit Silvesterknallern sind oft Hände und Kopf betroffen.

Wo liegen im Winter die brandheißen Gefahren?

Wenn es draußen kalt ist, werden mehr heiße Getränke verzehrt. Aber auch heißer Kamillendampf zur Inhalation bei Erkältungen ist eine Verbrühungsursache. Oft sehen wir auch Verbrennungen an den Händen, die Kinder greifen nach den Flammen, die durch die Glasscheiben am Kaminofen leuchten.


Gibt es an Feiertagen und Jahreswechsel besondere Risiken?

In der Weihnachtszeit freuen sich Eltern und Kinder an brennenden Kerzen. Die Erwachsenen sollten den Kindern Vorbild sein und erklären, dass Zündeln mit Feuer gefährlich ist und ein brennender Adventskranz oder Weihnachtsbaum leicht einen Zimmerbrand auslösen kann. Kinder sollten nie allein in Räumen mit brennenden Kerzen gelassen werden und Feuerzeuge oder Streichhölzer sollten immer außer Reichweite sein. Besonders leicht entflammbar ist z.B. Kleidung aus Synthetik oder aus Synthetik-Baumwollgemischen, auch manches "minderwertige" Spielzeug ist leicht brennbar. Größere Kinder kommen wiederum mit Verletzungen durch Feuerwerkskörper zu uns in die Klinik.


Welche Erste-Hilfe-Maßnahmen sollten ergriffen werden?

Kühlen mit lauwarmem Wasser, aber nur an den betroffenen Körperteilen, ist wichtig. Auf keinen Fall sollte ein Kind unter die kalte Dusche gestellt werden. Besonders Kleinkinder können sehr leicht auskühlen. Das Kind oder die Wunde am besten in saubere Tücher wickeln und den Rettungsdienst verständigen. Immer wieder sehen wir sogenannte "Hausmittel" wie Salbe, Öl, Zahncreme oder sogar Mehl auf Brandwunden. Das sollte man unbedingt bleiben lassen.


Wie werden schwere Verbrennungen behandelt und was gibt es für Spätfolgen?

Man unterscheidet die Verbrennungsgrade nach der Schwere von I bis IV. Grad II ist in a und b unterteilt. Ab dem Stadium IIb sind je nach Ausprägung Hauttransplantationen erforderlich. Viele Verbandswechsel müssen in Narkose durchgeführt werden und es können auch dauerhaft sichtbare Narben verbleiben. Diese können jucken, schmerzen oder Missempfindungen hervorrufen. Narben an den Gelenken können durch das Körperwachstum zu Bewegungseinschränkungen führen. Je nach Lokalisation der Verletzung reichen die Folgen von leichten kosmetischen Problemen bis zu Stigmatisierung und Funktionseinbußen. Nach schweren Verbrennungen müssen die Patienten jahrelang speziell angefertigte Kompressionsanzüge tragen. Durch die Kompression wird langfristig eine Verbesserung der Narbenstruktur und Kosmetik erreicht. Dieser Effekt wird durch tägliche Narbenmassagen und evtl. Silikonauflagen unterstützt. Wenn trotz dieser Maßnahmen Narben hypertrophieren und verhärten, müssen im Verlauf manchmal auch wiederholte operative Narbenkorrekturen durchgeführt werden.


Und was ist mit den psychischen Folgen?

Nicht selten leiden die Kinder psychisch unter dem Trauma der Brandverletzung und ihren Folgeerscheinungen. Wir haben zum Teil Wartezeiten von Monaten bis zu einem Jahr für eine ambulante kinderpsychologische Betreuung. Es gibt schlichtweg nicht genügend ambulante psychologische Versorgungsmöglichkeiten. Dies ist ein großes Problem für die betroffenen Familien.


Wie sieht das Tübinger Angebot der Kinderklinik aus?

Stationäre und ambulante Behandlung:

In der Abteilung für Kinderchirurgie werden jährlich circa 30 Kinder mit Verbrühungen oder Verbrennungen stationär behandelt. Hinzu kommen etwa 100 ambulante Patienten.

Nachsorge-Sprechstunde:

Zur Nachsorge bieten wir eine Verbrennungs- und Narben-Sprechstunde an. 


Letzte Änderung: 17.12.2012

Im Interview:

Dr. Verena Ellerkamp

Kinderchirurgie und Kinderurologie

Einrichtung: Universitätsklinik für Kinder
und Jugendmedizin

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