Nuklearmedizin und Klinische Molekulare Bildgebung
Department für Radiologie

530

Adresse: Otfried-Müller-Straße 14
72076 Tübingen


Telefonnummer: 07071 29-82164


Faxnummer: 07071 29-5869


E-Mail-Adresse: nuklearmedizin@​med.​uni-​tuebingen.​de


Radio-Jod-Therapie maligne

Was ist eine Radioiodtherapie gegen
bösartige Schilddrüsen-Erkrankungen?

Mit einer Radioiodtherapie (RIT) können Ärzte bestimmte bösartige Tumore der Schilddrüse bekämpfen. Man nutzt dabei das Prinzip, dass die Schilddrüse nicht nur das Iod aus der täglichen Nahrung aufnimmt, sondern ebenso auch  radioaktives Iod verarbeitet und für wenige Tage einspeichert. Die Patienten bekommen für eine RIT das radioaktive Iod 131 verabreicht, meist in Form einer Kapsel. 

So können das Schilddrüsen-Gewebe und eventuelle Reste des Tumors aus kürzester Distanz von innen heraus bestrahlt und gezielt abgetötet werden.

Ihre Fragen

  • Bei Schilddrüsenkrebs wird bei über 90% die RIT empfohlen, und zwar genau dann wenn es sich um ein sogenanntes differenziertes Schilddrüsenkarzinom handelt. Das bedeutet, das Tumorgewebe verhält sich dem gesunden Schilddrüsengewebe sehr ähnlich. Die anderen beiden Varianten heißen C-Zell-Karzinom und entdifferenzierten Schilddrüsenkarzinom und machen aber gemeinsam weniger als 10% des bundesweit aufkommenden Schilddrüsenkrebses aus.
  • Auch Metastasen, die in Folge eines solchen Schilddrüsenkarzinoms beispielsweise in Knochen oder Lunge gewachsen sind, sprechen nahezu immer sehr gut auf diese Therapie mit radioaktivem Iod an.
  • Diese Therapie wird bei Patienten eingesetzt, bei denen zuvor die Schilddrüse wegen eines Tumors operativ entfernt wurde. Wenige Wochen später folgt in einem zweiten Schritt die RIT. Damit werden verbliebene Teile der Schilddrüse und auch kleine Reste des Tumors beseitigt, die Ärzte nennen das Ablation, Abtragung.
  • Sind die Tumore noch sehr klein, ist die RIT manchmal gar nicht nötig, dann genügt die operative Entfernung.
  • Die RIT basiert darauf, dass Schilddrüsentumore der gesunden Schilddrüse ähneln, ihr Gewebe hat eine vergleichbare Struktur. Ebenso wie die gesunden Zellen haben auch der Tumor und seine Metastasen die Fähigkeit, Iod aufzunehmen und es zu speichern. Das Iod sucht sich selbstständig alle Schilddrüsenzellen im Körper – und somit auch alle Zellen des Tumors. Das gilt sogar für kleinste Mikrometastasen, die sich möglicherweise irgendwo im Körper bereits gebildet haben und bei Untersuchungen noch gar nicht entdeckt wurden.
  • Das radioaktive Iod (131-Iod), das für eine RIT eingesetzt wird, schluckt der Patient meist als Kapsel. Es kann aber auch über eine Vene eingespritzt werden. Über Verdauung oder Blutbahn gelangt das Iod zu den Schilddrüsen- und Tumorzellen, wo es aufgenommen wird und seine Wirkung entfaltet. Die für die Behandlung genutzte Strahlung ist Beta-Strahlung mit einer mittleren Reichweite von etwa einem halben Millimeter. Deswegen kann man auf diesem Weg den Schilddrüsenkrebs ganz gezielt behandeln, ohne dabei andere Organe und Gewebe zu schädigen. Außerdem hat das Iod Gamma-Strahlung mit mehreren Zentimetern Reichweite, die keinen Einfluss auf den Tumor nimmt, aber dennoch bei der Therapie hilft: Sie kann bei Untersuchungen die Wirkung des Iods sichtbar machen. Die RIT wird nur stationär angeboten, das liegt an den strengen Strahlenschutzgesetzen in Deutschland.
  • Vor der eigentlichen Therapie absolvieren die Patienten in der Ambulanz der Klinik für Nuklearmedizin einen sogenannten Zweitagestest. Dabei erhalten sie eine geringe Dosis an radioaktivem Iod, und während der folgenden zwei Tage wird gemessen, wie viel Iod von der Schilddrüse oder deren Resten nach einer Operation aufgenommen wird. Parallel laufen weitere Voruntersuchungen: Dem Patienten wird Blut abgenommen, man untersucht seinen Urin und macht ein Ultraschall des Halses. Oft wird auch ein Szintigramm der Schilddrüse angefertigt. Mit den Ergebnissen dieser Untersuchungen können die Ärzte bestimmen, welche Dosis an radioaktivem Iod sie für diese individuelle Therapie einsetzen. Parallel findet das Aufklärungsgespräch zur Therapie statt. Patienten sollten hierfür ihre vorhandenen medizinischen Unterlagen mitbringen: beispielsweise Operationsberichte, Röntgenaufnahmen der Lungen und EKG-Ergebnisse. Sie erhalten eine Checkliste, mit der sie sich auf den stationären Aufenthalt und die Therapie vorbereiten können.
  • Am Tag der RIT können Patienten noch zuhause frühstücken, danach werden sie stationär aufgenommen. Ab dann sollten sie auch nichts mehr essen, damit das radioaktive Iod besser vom Körper aufgenommen werden kann. Die Kapsel mit dem Radioiod sieht aus wie eine ganz normale Kapsel vieler anderer Medikamente. Die Patienten erhalten sie meist am frühen Nachmittag vom Stationsarzt. Eingenommen wird sie mit Wasser, in dem etwas Vitamin C aufgelöst wurde. Das Vitamin C sorgt dafür, dass das radioaktive Iod im Darm besser aufgenommen wird.
  • 48 Stunden später wird erstmals die Strahlung gemessen, die vom Patienten ausgeht. Ab dann findet diese Messung täglich statt, bis die Strahlung einen bestimmten Grenzwert unterschritten hat, danach kann der Patient wieder nach Hause gehen. Da die Ausscheidung des radioaktiven Iods von Patient zu Patient unterschiedlich ist, kann man vorab nie genau sagen, wann die Entlassung aus der Klinik sein wird. In der Regel ist es nach drei bis vier Tagen soweit.
  • Zur Entlassung prüfen und dokumentieren die Ärzte, wie sich das radioaktive Iod im Körper verteilt hat. Hierfür wird ein Szintigramm vom gesamten Körper angefertigt.
  • Bei der RIT ist es besonders leicht, den Therapieerfolg zu kontrollieren. Das vereinfacht auch dauerhaft die Nachsorge: Bei Blut-Untersuchungen beobachtet man schlicht den hTg-Wert. Dieses Kürzel steht für humanes Thyreoglobulin und bezeichnet ein bestimmtes Eiweiß, welches ausschließlich von Schilddrüsengewebe oder aber von den Schilddrüsenkarzinomen gebildet werden kann. Wenn Schilddrüsengewebe und Tumor komplett beseitigt wurden, ist hinterher auch kein hTg mehr im Blut nachweisbar. Das gilt als Beleg dafür, dass die RIT erfolgreich war. Wird aber im Blut nach einiger Zeit doch wieder hTg gefunden, kann es sein, dass der Tumor zurückgekehrt ist und sich ein so genanntes Rezidiv gebildet hat.
  • Mit der RIT verfolgen die Ärzte zwei Ziele: Sie wollen nach der Operation die Reste der Schilddrüse beseitigen. Damit beseitigen sie zugleich auch eventuelle Reste des Tumors.
  • Wenn ein Schilddrüsenkarzinom bereits Metastasen gebildet hat, wirkt das Radioiod dort ebenfalls. Im Optimalfall sind die Metastasen nach der Therapie komplett vernichtet.
  • Die Heilungschancen für Patienten mit differenzierten Schilddrüsenkarzinomen sind nach einer Schilddrüsenentfernung mit anschließender RIT sehr gut – unabhängig davon, in welchem Stadium die Erkrankung vor der Therapie war.
  • Es wird zwischen zwei Untergruppen des differenzierten Schilddrüsenkarzinoms unterschieden, zwischen dem deutlich häufigere „papillären“ (ca. 85%) und dem „follikulären“ (ca. 15%). Sie unterscheiden sich in ihrem Gewebeaufbau.
  • Man geht davon aus, dass zehn Jahre nach der RIT mehr als 90 Prozent der Patienten, die ein papilläres Schilddrüsenkarzinom hatten, überlebt haben. Bei den follikulären Karzinomen sind es etwa 80 Prozent der Patienten.
  • Nebenwirkungen der eigentlichen Therapie sind außerordentlich selten.
  • Selten bekommen Patienten nach der Therapie Schmerzen im Halsbereich. Dann hilft es, mit kalten Umschlägen oder einer „Eiskrawatte“ zu kühlen.
  • Nach der RIT könnten Patienten Probleme bekommen, weil sie nun eine Schilddrüsenunterfunktion haben. Normalerweise kann dies jedoch verhindert werden, indem die Patienten regelmäßig zu ihrem Hausarzt gehen, der ihre Hormone kontrolliert. So bleibt er jederzeit im Bilde über die Veränderung des Stoffwechsels und der Schilddrüsenwerte. Sobald Anzeichen für eine Unterversorgung mit Schilddrüsen-Hormonen auftreten, kann der Arzt reagieren und die Werte über Medikamente gut einstellen. So kann man die Beschwerden meist ausschließen, zu denen Leistungsminderung, Konzentrationsschwäche, Antriebslosigkeit, Müdigkeit oder Verstopfung gehören. Manche Betroffene fühlen sich schwach und frieren leicht. Der Hormon-Ersatz kann starten, sobald die RIT abgeschlossen ist, also nach der Klinik-Entlassung.
  • Drei Monate nach der RIT kommen die Patienten wieder für kurze Zeit stationär in die Klinik: Die Ärzte machen einen Radioiodspeichertest. Der Ablauf ist ganz ähnlich wie bei der Therapie, allerdings wird eine deutlich geringere Dosis an radioaktivem Radioiod eingesetzt. Nach der Iod-Einnahme folgt ein Szintigramm des gesamten Körpers: So prüfen die Ärzte, ob noch Reste des Tumors im Halsbereich oder im übrigen Körper zu finden sind.
  • Auch der Test muss aus Strahlenschutzgründen wieder stationär durchgeführt werden. Wegen der geringeren Dosis können aber alle Patienten nach 48 Stunden wieder entlassen werden.
  • Die behandelnden Ärzte werden mit dem Patienten besprechen, ob es in seinem Fall nötig ist, die RIT zu wiederholen. Das ist generell möglich, in Abständen von etwa drei Monaten.
  • Nachsorge ist besonders wichtig. Denn der Krebs kann auch nach Jahrzehnten noch wiederkommen. Die Ärzte nehmen anfangs alle sechs Monate, später jährlich Blut ab, um den Hormonspiegel zu messen und den Tumormarker hTg zu prüfen. Außerdem untersuchen sie per Ultraschall den Hals, um sicherzugehen, dass es keine Rezidive und auch keine Metastasen in Lymphknoten gibt.

Die Kosten für die RIT übernimmt die gesetzliche oder die private Krankenkasse.

  • In Deutschland gelten strenge Strahlenschutzgesetze. Deswegen dürfen Patienten die Station nicht mehr verlassen, nachdem Sie die Kapsel mit radioaktivem Iod eingenommen haben. Besucher sind auf der nuklearmedizinischen Therapiestation grundsätzlich nicht erlaubt.
  • Viele Patienten haben, wenn sie sich nach einer Tumor-Operation auf ihre erste RIT vorbereiten, eine Unterfunktion der Schilddrüse. Das liegt daran, dass in dieser Phase das Schilddrüsenhormon absichtlich noch nicht durch Hormon-Tabletten ersetzt wird: Denn die Unterfunktion sorgt dafür, dass die Reste der Schilddrüse und des Tumors das Iod deutlich besser aufnehmen. Der Erfolg der Therapie ist somit größer. Daher wird die Unterfunktion normalerweise erst nach der RIT medikamentös ausgeglichen. Wird die RIT wiederholt, setzen die Ärzte die künstlichen Hormone wieder ab, um den Effekt der Unterfunktion erneut zu nutzen. Sollten Patienten unter den Symptomen der Unterfunktion leiden, kann man ihnen zur Überbrückung stattdessen Thyrogen spritzen: Dieser Wirkstoff verringert die Symptome der Unterfunktion.
  • Ein wichtiger Hinweis: Bitte fahren Sie nicht selber Auto, wenn Sie aktuell an einer Schilddrüsen-Unterfunktion leiden, denn Ihre Reaktionsfähigkeit ist stark eingeschränkt. Lassen Sie sich zu allen Terminen bei uns bringen und wieder abholen.
  • Eine RIT ist auch für jüngere Patienten möglich, die sich später noch Kinder wünschen.
  • Für schwangere Frauen kommt eine RIT allerdings nicht in Frage. Deswegen wird bei Frauen im gebährfähigen Alter sicherheitshalber vor der Ausgabe der Therapiekapsel ein Schwangerschaftstest gemacht. Stillende Mütter müssen vor einer RIT unbedingt abstillen. Nach der RIT ist es wichtig, dass eine Schwangerschaft für weitere sechs Monate ausgeschlossen wird – dies gilt für Frauen ebenso wie für Männer, die in dieser Phase kein Kind zeugen sollten. Sichere Verhütung ist hier wichtig.
  • Ob eine RIT wirkt, hängt entscheidend davon ab, ob die Schilddrüse genügend radioaktives Iod aufnimmt. Deswegen müssen Patienten vor einer RIT unbedingt vermeiden, ihre Schilddrüse mit nicht radioaktivem Iod zu sättigen. Speziell Röntgenuntersuchungen und Computertomografien mit iodhaltigem Kontrastmittel führen erfahrungsgemäß dazu, dass die Therapie misslingt. Ernährung spielt hingegen keine Rolle – so viel Sushi kann man gar nicht essen, dass es hier stören würde.
  • Auch einige Tage nach der Therapie geht noch eine geringe Strahlung von den Patienten aus. Deswegen sollte man Rücksicht nehmen: Mit kleinen Kindern oder schwangeren Frauen sollte man an diesen Tagen möglichst nicht zusammentreffen. Auch größere Menschenansammlungen, Veranstaltungen oder Reisen sollte man direkt nach der Therapie meiden. Bei der Entlassung aus der Klinik erfährt jeder Patient, für wie viele Tage in seinem Fall noch Strahlenschutz beachtet werden muss.
Vor der Radioiodtherapie:

Zwischen der Schilddrüsenoperation und der Radioiodtherapie sollte auf eine komplette Iodkarrenz geachtet werden und meistens auf die Gabe von Schilddrüsenhormonen verzichtet werden.

Nach der Radioiodtherapie:

Nach der Radioiodtherapie wir am Tag der Entlassung eine Schilddrüsenhormonsubstitution, meistens mit Thyroxin angesetzt. Die Hormongabe erfolgt in Tablettenform morgens nüchtern eine halbe Stunde vor der Mahlzeit. Die für jeden Patienten individuell erforderliche Menge an Schilddrüsenhormonen wird anhand von Blutbestimmungen ermittelt, weshalb hausärztlicherseits nach 4 Wochen und danach in regelmäßigen Abständen eine Kontrolle der Schilddrüsenwerte erfolgen sollte. Außerdem sollte mindestens einmal ein Differentialblutbild abgenommen werden, damit ein selten auftretender Abfall von weißen Blutkörperchen rechtzeitig erkannt werden kann. Die eigentliche Tumornachsorge erfolgt in der Regel in der Schilddrüsenambulanz der nuklearmedizinischen Abteilung. Beim Schilddrüsenkarzinom ist eine regelmäßige, lebenslange Nachsorge notwendig.

Nach der Radioiodtherapie ist nach wenigen Monaten ein weiterer stationärer Aufenthalt notwendig, um mittels einer Radioiod-Ganzkörperszintigrafie und Tumormarkerbestimmung (hTg) unter TSH-Stimulation ein vollständiges Therapieansprechen zu dokumentieren. Der geeignete Zeitpunkt (3. bzw. 6 Monate nach der ersten Radioiodtherapie) sowie die notwendigen Schritte (Absetzen der Schilddrüsenhormone, bzw. exogene TSH Stimulation mit Thyrogen®)werden individuell mit dem Patienten besprochen. 

Zertifikate und Verbände

Springe zum Hauptteil