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Wenn der Hund mit auf Station kommt!

Seit längerem wird die tiergestützte Therapie als innovative Behandlungsform bei der Arbeit mit Patienten in der Tübinger Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie angeboten. Über seine Erfahrungen aus der Praxis sprachen wir mit Alfred Mollenhauer, Fachkrankenpfleger für Psychiatrie und Herrchen der beiden Hunde Keegan und Layla, die an der Klinik zum Einsatz kommen.


Weißer Hund
Die Patienten gewinnen im Kontakt mit den Hunden ein Stück Normalität zurück, das hilft, die festen Strukturen des Klinikalltages aufzulockern. (Bildquelle: Alfred Mollenhauer)

Herr Mollenhauer, wie gefällt ihren beiden Hunden ihre Aufgabe an der Klinik?

Die Klinik ist meinen beiden Hunden inzwischen vertraut und sie betreten mit sichtlicher Begeisterung die Klinik. Ihre individuellen „Einsätze“ sind für die zwei eine spielerische Herausforderung, bei der sie freudig und ohne Stress mit den Patienten Kontakt aufnehmen. Und natürlich sind Keegan und Layla auch beim Personal sehr beliebt und dürfen sich im Dienstzimmer auf einer Decke ausruhen, wenn sie das möchten.

Wird darauf geachtet, dass der Hund sich auch wohlfühlt und was muss er mitbringen? Und gibt es nach seinem Einsatz auch immer ein Lekkerli?

Zum einen ist der Hund nie alleine mit dem Patienten, er und der Patient werden behutsam aneinander gewöhnt. Und natürlich ist der Hund gesund und hat eine Bescheinigung als therapeutischer Begleithund. Unsere Hunde haben auch einen festen Extra-Platz im Kofferraum, wenn´s mit dem Bus ins Freie geht.

Alles zwischen den Patienten, den Hunden und dem Hundebegleiter soll lebendig und angstfrei ablaufen. Und ein Lekkerli erleichtert natürlich die Kontaktaufnahme mit dem Patienten, er hat dann die volle Aufmerksamkeit der beiden!

 

Gab es für Sie persönlich besonders einprägsame Erlebnisse, die sie bestärkt haben, auf diesen neuen Weg in der Patientenbehandlung zu setzen?

Besonders eindrücklich ist mir die Erinnerung an eine ältere, demente Patientin geblieben, die sich soweit aufgegeben hatte, dass sie sich nicht mehr selbst bewegte. Das bedeutet, dass solche Patienten im Bett aktiv gelagert werden müssen, damit sie sich nicht wundliegen. Wir haben unseren Hund Keegan mit in die Klinik genommen und ihn sich hinter die Patientin legen lassen. Sie hat sich spontan umgedreht und ihn in die Arme genommen, die Begegnung war wie ein Geschenk für die Patientin. Wenn man solche Fortschritte bei den Patienten erleben darf, motiviert einen das schon.

 

Wobei genau können Keegan und Layla denn helfen?

Als ich bei einem unserer Ausflüge meinen Hund mitgebracht habe, konnten wir beobachten, dass besonders die schwerkranken Patienten den Kontakt zum Tier suchten und dabei eine Beziehung zulassen konnten. Unsere Patienten lernen, Ängste zu überwinden, neu zu vertrauen, sie lernen wieder Freude zu empfinden, Nähe zuzulassen, sich wahrzunehmen und sie haben dadurch Erfolgserlebnisse, die den Gesundungsprozess unterstützen.

Voraussetzung bei allen Kontakten ist natürlich, dass der Patient den Kontakt zu unseren Hunden möchte, keine Hundeallergien hat und sich nicht vor Hunden fürchtet.

Die tiergestützte Therapie ist eine Behandlungsform, die durch den gezielten Kontakt zwischen Patient, Tier und Pfleger schwere körperliche, neurologische oder psychiatrische Krankheitsbilder lindern kann. Entwickelt wurde die Idee, die Hunde in den Stationsalltag zu integrieren, aus unseren Erfahrungen mit der Erlebnistherapie, die ebenfalls ein fester Bestandteil der Tübinger psychiatrischen Behandlungsverfahren ist.

 

Kommen die Hunde auf Station oder gehen sie auch gemeinsam mit den Patienten Gassi?

Der Einsatz der Hunde erfolgt immer unter Berücksichtigung der individuellen Krankheitsgeschichte. Die ersten Schritte haben wir in freier Natur unternommen, und nachdem das so erfolgreich war, die Hundebesuche auch in den Räumlichkeiten der Klinik angeboten. Wir beziehen unsere Fellnasen dabei aktiv in die stationäre Behandlung ein. Und natürlich gehen wir mit ihnen und den Patienten auch weiterhin Gassi. Das ergänzt sehr effektiv die Psychotherapie, Soziotherapie, biologische Verfahren und die Medikation an unserer Klinik.

 

Welche Menschen profitieren von der Therapie am meisten?

Wir haben gute Erfahrungen mit traumatisierten oder suizidalen Patienten. Ganz wichtig ist die Absprache mit dem für die Therapie verantwortlichen Oberarzt, dem Pflegeteam und die darauf folgende Verordnung. Die Patienten gewinnen im Kontakt mit den Hunden ein Stück Normalität zurück, das hilft, die festen Strukturen des Klinikalltages aufzulockern. Wenn ich Keegan und Layla mit auf die Station bringe, dann ist das immer ein Highlight für alle Beteiligten. Noch wichtiger ist uns Pflegenden jedoch, dass die Patienten durch die Hunde wieder lernen, Nähe zuzulassen und Vertrauen aufzubauen. Die so gestiftete Beziehung überträgt sich auch auf uns Pflegende und ermöglicht einen ganz neuen, persönlicheren Zugang. Besonders die Erfolge mit gravierenden Krankheitsfällen, also beispielsweise schwer depressiven oder schizophrenen Patienten, die sich infolge eines langen Krankenhausaufenthaltes häufig zurückziehen, ermutigt uns

Im Interview:

Alfred Mollenhauer

Fachkrankenpfleger für Psychiatrie

Einrichtung: Allgemeine Psychiatrie und Psychotherapie

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