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15.07.2025

Zwei Perspektiven auf gesunde Arbeit

Einblicke in neue Ansätze für eine gesunde Arbeitsgestaltung boten die Antrittsvorlesungen von Prof. Dr. Benjamin Steinhilber und PD Dr. Juliane Schwille-Kiuntke am 4. Juni am Universitätsklinikum Tübingen.

Belastungswechsel als Schlüssel zur Vorbeugung

Benjamin Steinhilber, dem im Februar 2025 von der Universität Tübingen die Bezeichnung „außerplanmäßiger Professor“ verliehen wurde, beschäftigt sich damit, wie sich körperlich fordernde Arbeit auf den Organismus auswirkt und wie sich gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen wissenschaftlich fundiert gestalten lassen. Der Leiter des Forschungsschwerpunkts „Arbeitsbedingte Belastungen – Arbeitsgestaltung“ am Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Versorgungsforschung (IASV) untersucht insbesondere, wie Belastungswechsel – also Wechsel zwischen unterschiedlich beanspruchenden Tätigkeiten – dazu beitragen können, Muskel-Skelett-Erkrankungen vorzubeugen. Thema seiner Antrittsvorlesung war unter anderem das „Tübinger Modell der Muskulären Beanspruchung“. Dieser methodisch erweiterte Ansatz ermöglicht es, Belastungswechsel gezielt zu gestalten und bietet bessere Evidenz, um systematisch Präventionsstrategien zu entwickeln, Studienergebnisse besser einzuordnen und Forschungslücken zu erkennen.

Der in Tübingen und Chemnitz promovierte Sportwissenschaftler schloss seine Habilitation 2020 an der Medizinischen Fakultät der Universität Tübingen ab. Für seine Verdienste und sein Engagement im Bereich der Arbeitsphysiologie wurde Steinhilber in diesem Jahr mit der Joseph-Rutenfranz-Medaille der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e.V. (DGAUM) ausgezeichnet. Als Ko-Tagungspräsident richtet Steinhilber die internationale PREMUS-Konferenz zur Prävention von Muskel-Skelett-Erkrankungen in der Arbeitswelt aus, die im September in Tübingen stattfindet.

 Versorgungsforschung als Impulsgeberin 

Juliane Schwille-Kiuntke setzt sich in ihrer wissenschaftlichen Arbeit mit der Frage auseinander, wie gesundheitliche Versorgung in Zeiten von demographischem Wandel, Fachkräftemangel und zunehmender Multimorbidität gestaltet werden kann. Die Ärztin mit Promotion im Bereich Psychosomatische Medizin und Psychotherapie ist seit Februar 2025 Stellvertretende Leiterin des Bereichs Allgemeinmedizinische Lehre im Institut für Allgemeinmedizin und Interprofessionelle Versorgung (IAIV) am Universitätsklinikum Tübingen und war zuvor im öffentlichen Gesundheitsdienst des Landes Baden-Württemberg. Bereits 2010 bis 2021 war Schwille-Kiuntke als am Universitätsklinikum Tübingen tätig: in der Abteilung für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, in der Sportmedizin sowie am Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Versorgungsforschung.

In ihrer Antrittsvorlesung hob Schwille-Kiuntke die Rolle der Versorgungsforschung im anstehenden Transformationsprozess der Gesundheitsversorgung hervor. Mit Blick ins Jahr 2050 skizzierte sie eine Vision, in der Forschende nicht nur Missstände beschreiben, sondern als Impulsgeber Handlungsoptionen aufzeigen – interdisziplinär, sektorenübergreifend und patientenzentriert.

Im Rahmen Ihres 2024 an der Medizinischen Fakultät der Universität Tübingen abgeschlossenen Habilitationsverfahrens legte sie ihre Habilitationsschrift zum Reizdarmsyndrom als Gegenstand der Versorgungsforschung vor. Dabei spannt sie einen Bogen von einer bevölkerungsrepräsentativen Perspektive – wie verbreitet ist das Syndrom und welche Faktoren beeinflussen die Erfassung der Häufigkeit? – bis hin zu den subjektiven Krankheitsüberzeugungen einzelner Betroffener. Daraus leitet Schwille-Kiuntke Hinweise ab, wie Betroffene bestmöglich versorgt werden können und stellt dazu die Grundsätze der Versorgungsforschung in den Mittelpunkt: fachübergreifende Zusammenarbeit – auch zwischen verschiedenen Versorgungsbereichen –, Orientierung an konkreten Ergebnissen und die konsequente Ausrichtung an den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten.

 

Weitere Informationen zu den Forschungsprojekten am Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Versorgungsforschung finden Sie hier.