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09.11.2023

FRAUENGESUNDHEIT IM BREITEN- UND LEISTUNGSSPORT

Sport hat zahlreiche positive Effekte auf die Gesundheit. Regelmäßige Bewegung senkt das Risiko, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden, ebenso, wie an Diabetes mellitus zu erkranken. Zudem wird durch regelmäßigen Sport das Risiko für Brust- oder Darmkrebs gesenkt. Diese Liste ließe sich noch lange fortführen. Viele dieser Effekte sind mittlerweile auch der breiten Öffentlichkeit bekannt.

Sport hat auch Einfluss auf spezifisch weibliche Organe und Funktionssysteme. Insbesondere der Hormonhaushalt einer Frau mit seiner charakteristischen Rhythmik des Menstruationszyklus ist für einen Großteil der Lebensspanne einer Frau typisch. In der Pubertät beginnen im Gehirn der Hypothalamus und die Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) mit der Ausschüttung von Steuerhormonen wie FSH und LH. Diese Steuerhormone führen in den Eierstöcken (Ovarien) zum Wachstum von Eibläschen (Follikeln), die Östrogen, eines der beiden weiblichen Geschlechtshormone, produzieren. Dieses Östrogen ist verantwortlich für die Ausbildung des typischen weiblichen Körperbildes (Brustwachstum, Verbreiterung des Beckens).

Im Verlauf kommt es zunächst in unregelmäßigen Abständen und schließlich meist regelmäßig einmal im Monat zum Eisprung. Aus den Resten des Eibläschens bildet sich der Gelbkörper, der das Gelbkörperhormon (Gestagen) Progesteron bildet. Zwei Wochen nach dem Eisprung stirbt der Gelbkörper bei ausbleibender Befruchtung ab und durch den Hormonentzug kommt es zur Regelblutung. Danach beginnt der Zyklus von vorne. Im Schnitt vergehen von einer Regelblutung bis zur nächsten circa 28 Tage.

Manche Frauen spüren diese normalen Hormonschwankungen in Form von Stimmungsschwankungen. Hier kann regelmäßiger Sport zu einer Verbesserung des Wohlbefindens führen. Zudem können Schmerzen während der Regelblutung durch Sport abgemildert werden. Hier sind insbesondere Herz-Kreislauf-Training oder auch ausgleichende Trainingsformen wie Yoga geeignet.

AUCH IN DEN WECHSELJAHREN, WENN DIE HORMONSCHWANKUNGEN EXTREMER WERDEN ...

... und keinem klaren Muster mehr folgen, kann Sport die Symptome lindern. Im Fall von Hitzewallungen konnte eine Reduktion der Beschwerden durch Yoga nachgewiesen werden.

Die weiblichen Geschlechtshormone wirken auch auf andere Organsysteme. So ist Östrogen bei der Frau maßgeblich am Knochenaufbau in der Pubertät und im jungen Erwachsenenalter beteiligt. Bis Mitte zwanzig erreicht eine Frau ihre sogenannte Peak-Bone-Mass, also ihre maximale Knochendichte. Diese beeinflusst das spätere Risiko, an Knochenschwund, der Osteoporose, zu erkranken. Eine niedrige Knochendichte erhöht das Risiko für Knochenbrüche, insbesondere an der Wirbelsäule und am Oberschenkelhals, deutlich. Sport kann zum Erhalt der Knochendichte beitragen, jedoch nur bei ausreichender Hormonwirkung während der fertilen Phase.

Zyklusstörungen, wie stark verlängerte Zyklen mit einer Länge von über 35 Tagen oder gar ein komplettes Ausbleiben der Regelblutung, haben damit negative Effekte auf die Knochengesundheit, und zwar langfristig. Besonders gravierend ist ein Ausbleiben der Regelblutung, wenn dies mit einem Energiedefizit und Hormonmangel einhergeht.

 

Das relative Energiedefizit im Sport (RED-S) beschreibt ein Syndrom, in dem es durch ein Defizit zwischen Energieaufnahme („gegessene Kalorien“) und Energieverbrauch („verbrauchte Kalorien durch Sport und Bewegung“) zu einem Mangel an weiblichen Geschlechtshormonen mit verlängerten Zyklen oder Ausbleiben der Regelblutung kommt. Dies führt in der Folge zu einer verringerten Knochendichte und zu vermehrten Knochenbrüchen, auch schon ohne Krafteinwirkungen. Im Extremfall kommt es zu sogenannten Ermüdungsbrüchen. Neben den Knochen sind aber auch das Immunsystem und viele andere Organsysteme betroffen. Nicht immer liegt eine Essstörung wie Magersucht oder Bulimie vor. Häufig ist auch ein sogenanntes „kontrolliertes Essen“ für die Verminderung der Kalorienzufuhr verantwortlich.

RED-S IST NICHT NUR EIN PHÄNOMEN DES LEISTUNGSSPORTS, SONDERN NIMMT AUCH IM BREITENSPORT ZU!

Im Fall von RED-S ist eine interdisziplinäre Behandlung notwendig. Hier sind, neben der gynäkologischen Endokrinologie, die Sportmedizin und gegebenenfalls die Psychosomatik beziehungsweise die Kinder- und Jugendpsychiatrie beteiligt. Ziel ist immer ein Ausgleich der Energiebilanz mit Verringerung des Verbrauchs und/ oder Anstieg der Energiezufuhr. Bei bereits erlittenen Knochenbrüchen oder länger andauerndem Hormonmangel kann eine Hormon(ersatz)therapie notwendig sein. Diese sollte vorrangig über die Haut erfolgen. Die sogenannte Antibabypille sollte in diesem Fall eher nicht gegeben werden. Eine Hormongabe sollte immer in einen interdisziplinären Therapieansatz integriert sein und gehört damit an ein Zentrum mit Expertise in der Behandlung von RED-S.


DR. KATHARINA DRESER,
PROF. DR. KATHARINA RALL
OBERÄRZTIN UNIVERSITÄTS-FRAUENKLINIK
FÜR DAS TEAM DER GYNÄKOLOGISCHEN ENDOKRINOLOGIE DER UNIVERSITÄTS-FRAUENKLINIK
UND DER INTERDISZIPLINÄREN RED-S-SPRECHSTUNDE AM UNIVERSITÄTSKLINIKUM TÜBINGEN

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