130 Jahre Frauenklinik Tübingen
130 Jahre Frauenklinik Tübingen
Die Geburtshilfe etabliert sich. Der bekannteste Geburtshelfer seiner Zeit, ein Tübinger
Über 3000 Geburten, weit mehr als 10.000 Operationen im Jahr in der Tübinger Frauenklinik, eine der größten universitären Frauenkliniken Deutschlands und Europas. Eine stolze Leistung. Aber dies war keineswegs selbstverständlich. Allein das Fach Frauenheilkunde war in vergangenen Jahrhunderten kaum etabliert. Bis Anfang des 18. Jahrhunderts wurden an unserer Fakultät Gynäkologie und Geburtshilfe, wenn überhaupt, nur marginal als chirurgischer Randbereich tangiert. Zwar war mit Johann Zeller der gefragteste Geburtshelfer seiner Zeit an Deutschlands Fürstenhöfen um 1700 Lehrstuhlinhaber für Medizin in Tübingen, das Fach selbst war aber hier noch nicht etabliert. Zeller hielt auch keine speziellen Vorlesungen zur Geburtshilfe. Erst mit Fortschreiten der sog. Medizinisierung der Gesellschaft wurden Geburten und deren Komplikationen immer weniger als naturgegeben und unabänderlich angesehen. Erst unter den Nachfolgern Zellers wurde die Geburtshilfe zunehmend in die Lehrpläne der medizinischen Fakultäten und auch hier in Tübingen integriert. Damit konnten Ärzte auch in weiteren Bevölkerungskreisen den Frauen bei schweren Geburten zur Seite stehen.
1769 bot Georg Friedrich Sigwart gar einen geburtshilflichen Untersuchungskurs am Phantom an. Von dem Göttinger Ordinarius für Geburtshilfe, Friedrich Benjamin Osiander, der in Tübingen studierte, und dessen Sohn der Namensgeber der hiesigen Buchhandlung ist, kennen wir die Vorlesungen Sigwarts. Er las über komplizierte Geburten, Zangenanwendungen, Mehrlingsgeburten und betonte auch, dass man durch eine gute Entbindungstechnik die Mutter vor Schmerzen bewahren könne. Das Wohl der Mutter wurde hier als Zentrum der Tübinger Geburtshilfe genannt. Und das Wohl der Mutter zieht sich dann auch wie ein roter Faden durch die gesamte Geschichte unserer Frauenklinik.
Zu jener Zeit vollzog sich in der medizinischen Lehre ein weiterer grundlegender Wandel. Man begann Gebäranstalten, oder allgemein Kliniken zur studentischen Ausbildung einzurichten. Medizinische Fakultäten, die über keine klinischen Ausbildungsstätten verfügten, gerieten in das Hintertreffen. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts studierten in Tübingen an der Medizinischen Fakultät pro Semester nur 10 Studenten oder weniger. 1772 war es gar nur einer. Die Fakultät musste eine Klinik einrichten und so bezog man nach einigen behelfsmäßigen Lösungsversuchen 1805 die „Alte Burse, mit 15 Betten, für die gesamte Heilkunde. Ein Kreißsaal stand für die Geburtshilfe zur Verfügung. Diese Angaben entstammen, wie auch weitere, der Monographie von E. Stübler, 1952, bzw. aus der Dissertation seiner Doktorandin I. Wender, 1945.
Bereits um 1810 wird in Tübingen die Endoskopie propagiert, in einer der ersten Kliniken der Welt
Bereits um 1810 wird in Tübingen die Endoskopie propagiert, in einer der ersten Kliniken der Welt
Bald nach der Eröffnung des Klinikums wurde ein Ordinariat für Chirurgie und Geburtshilfe abgegrenzt. 1808 trat Ludwig Friedrich Froriep, 1808 – 1815, das Amt an. Er war der erste Arzt, der am Menschen endoskopische Eingriffe durchgeführt hat1, damals mit dem sog. Lichtleiter von Bozzini, dem eigentlich ersten Endoskop der Welt. Der Tübinger Lehrstuhlinhaber Froriep zählt zu den maßgeblichen Begründern der Endoskopie überhaupt, weltweit. Und er propagierte diese Technik, auch von Tübingen aus. So empfiehlt Froriep in seinem Handbuch der Geburtshülfe 1810 den Gebrauch der Endoskopie zur Diagnostik.
1 Froriep hat bereits im Juli 1806 am Menschen endoskopisch gearbeitet, siehe Figdor, 2002, Band 1, Seite 190 bzw. Seite 179 und Band 2, Seite 88 bzw. Seite 80. Eine erste Endoskopie von Bozzini beschreibt Brumhard erst im November 1806, Figdor Band 2, Seite 79/80. 1807 wurden weiter Endoskopien von anderen Autoren durchgeführt. Eine gleichlautende Abfolge der Eingriffe, bzw. der Autoren und Operateure gibt auch Nezhat, 2011, an
Gebärstuhl und Eine erste geburtshilflich - gynäkologische Klinik wird in Tübingen eingerichtet
Unser Gebärstuhl
Die Frauen wurden im Allgemeinen in unserer Klinik bzw. in der „Alten Burse“ in jener Zeit auf einem Gebärstuhl entbunden:
Eine erste geburtshilflich - gynäkologische Klinik wird in Tübingen eingerichtet
Wie war zu jener Zeit die ärztliche Versorgung bei uns in Württemberg? Zahlenmäßig recht gut. 1819 kam auf 965 Einwohner ein Arzt. Allerdings waren von den 1463 Ärzten Württembergs die meisten handwerklich als sog. Wundärzte ausgebildet, lediglich 287, nicht einmal jeder Fünfte, wiesen eine universitäre Ausbildung auf, Gross, 2010. Zur besseren medizinischen Versorgung der Bevölkerung musste die Lehre an der Universität attraktiver werden.
Der klinische Unterricht wurde nun intensiviert. Die „Alte Burse“ wurde als Domizil für das Gesamtklinikum zu klein. Chirurgie und Innere Medizin zogen 1846 in einen Neubau. Die „Alte Burse“ stand jetzt mit 40 Betten allein der Geburtshilfe zur Verfügung.
Etwa gleichzeitig, 1843, wurde die Geburtshilfe als eigenständiges Fach von der Chirurgie abgetrennt. Es gab nun erstmals ein eigenes Ordinariat für Geburtshilfe in Tübingen. Und sehr schnell wurden hier auch Meilensteine gesetzt. Franz Xaver Breit führte in der geburtshilflichen Klinik in Tübingen, 1847/1848, zur Schmerzerleichterung unter der Geburt die Gabe von Chloroform ein, wohl erstmals in Deutschland. Breit unternahm auch erste Versuche, die Gynäkologie in das Fach zu integrieren und das Fach Frauenheilkunde zu etablieren. So bot er spezielle Vorlesungen über Gynäkologie an und führte bereits 1860 erste kleinere gynäkologische Operationen in der geburtshilflichen Klinik durch.
Entscheidend trieb aber Breits Nachfolger, Johann Säxinger, 1868 – 1897, die Entwicklung der Klinik und des Faches mit großen, raumgreifenden Schritten voran. Bereits kurz nach seinem Amtsantritt, 1870, eröffnete er 18 zusätzliche Betten einer eigenen gynäkologischen Abteilung und stand nun einer geburtshilflich-gynäkologischen Klinik vor.
Als die Geisel seiner Zeit grassierte damals das Kindbettfieber in den Geburtshäusern.
Als die Geisel seiner Zeit grassierte damals das Kindbettfieber in den Geburtshäusern. Als einer der wenigen Geburtshelfer setzte Säxinger die Hygienevorschriften von Semmelweis konsequent um. Das Kindbettfieber konnte eingedämmt werden und die durchschnittliche Sterblichkeit war dann in Tübingen entscheidend niedriger als in vergleichbaren Frauenkliniken.
Dank der Antisepsis und dann der Asepsis und der Chloroform-/Äthernarkose konnten nun in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Patientinnen endlich schmerzfrei und mit geringerem Infektionsrisiko operiert werden.
Insgesamt wehte dank Säxinger in der Tübinger Klinik ein Wind des Aufbruchs. Die Zahl der Patientinnen stieg ständig an. Aber die „Alte Burse“ quoll aus allen Nähten, die Betten waren oft doppelt belegt. Der bauliche Zustand war katastrophal. Die vergangenen 4 Jahrhunderte nagten an ihr. Balken und Decken stürzten ein, Wände und Böden senkten sich und Säxinger klagte 1886 öffentlich, dass es „keine schlechtere Klinik geben könne, als die hiesige“. Viel Rhetorik klingt hier mit, um die Regierung zu bewegen, endlich Gelder für einen Neubau bereit zu stellen, aber er hatte Erfolg.
Die Frauenklinik wird gebaut
Die Frauenklinik wird gebaut
Nach gründlichen Vorbereitungen und im Wesentlichen nach den Vorgaben Säxingers wurde dann 1887 mit dem Neubau der Frauenklinik begonnen und am 1.11.1890 wurde sie bezogen. Das Klinikgebäude, von der Tübinger Presse als „palastartig“ dargestellt, entsprach in seiner architektonischen und in seiner medizinischen Konzeption den bestmöglichen Erfordernissen seiner Zeit und war auch für die universitäre Lehre beispielhaft und wegweisend.
Nach Säxingers Vorschlag wurde nun auch der Name der Klinik geändert, statt „geburtshilfliche und gynäkologische Klink“ wurde sie nun vereinfachend „Frauenklinik“ genannt. Dieser Begriff war seines Erachtens für die Bevölkerung verständlicher.
Statt ca. 80 standen nun 118 Betten zur Verfügung, in einer schwäbischen Kleinstadt mit nicht ganz 15.000 Einwohnern. Die Zahl der Geburten die nahm deutlich zu, auch die Zahl der Operationen stieg. Sein überraschender Tod setzte der schier unermüdliche Schaffenskraft Säxingers im März 1897 ein jähes Ende.
Döderlein begründet in Tübingen die operative Ausrichtung des Faches
Döderlein begründet in Tübingen die operative Ausrichtung des Faches
Mit dem 37-jährigen Albert Döderlein, 1897 – 1907, trat 1897 ein ausgewiesener Experte der gynäkologischen Infektiologie die verwaiste Lehrstelle in der Frauenklinik an. Noch heute benennt man die normale Scheidenflora traditionell nach ihm, „Döderlein-Flora“.
Bestach Döderlein in seiner Leipziger Zeit als Infektiologe, so tat er sich in Tübingen nun als couragierter Operateur hervor. Operierte seinerzeit Säxinger kaum gynäkologische Karzinome, so griff sein Nachfolger umso beherzter zum Skalpell, nach seiner Maxime: „Bei Karzinomen ist nichts zu verlieren, aber alles zu gewinnen.“ Und so ging Döderlein bis an die äußersten Grenzen des technisch Möglichen.
Gestützt auf all seine chirurgischen Erfahrungen gab er zusammen mit dem Freiburger Bernhard Krönig das Standardwerk „Operative Gynäkologie“ heraus. Es erschien in der ersten Auflage, 1905, in seiner Tübinger Zeit.
1907 verließ Döderlein bereits Tübingen und übernahm das Ordinariat in München.
Als Hugo Sellheim die Nachfolge Döderleins hier in Tübingen antrat, nahm die Zahl der Patientinnen weiter zu. Bereits 20 Jahre nach ihrem Erbauen wurde die Frauenklinik zu klein. Die ersten Patientinnen mussten abgewiesen werden. 1914 wurde der erste Erweiterungsanbau bezogen. Weitere folgten unter seinen Nachfolgern.
1917 verließ Sellheim seine Tübinger Wirkungsstätte und folgte einem Ruf nach Halle. Sein Nachfolger wurde sein Schüler und Oberarzt Augst Mayer.
Frauenklinik in Weimarer Republik und Nationalsozialismus
Frauenklinik in Weimarer Republik und Nationalsozialismus
August Mayer leitete von 1917 bis 1950 die Frauenklinik. Beachtung erwarb er sich in der Strahlenbehandlung des Gebärmutterkarzinoms.
1933 wurde August Mayer zum Präsidenten der DGGG gewählt. Seine wissenschaftliche Leistung wird indes kontrovers diskutiert. Aufgrund der akribischen Aufarbeitung dieser Thematik durch Thorsten Doneith, 2008, erfahren wir nun von Hunderten von Zwangssterilisationen, darunter einigen mit Todesfolge, und zahlreichen Abtreibungen bei Zwangsarbeiterinnen in der Frauenklinik Tübingen unter August Mayer. hiermit hat sich August Mayer als Helfer des NS-Unrechtregimes betätigt und unsägliche Schuld auf sich und die Klinik geladen.
Nach dem Krieg blieb Mayer bis kurz nach seiner Emeritierung 1949 Klinikdirektor. Gegenüber den Entnazifizierungs-behörden hatte er sich als unpolitisch und als ein vom NS-Regime Verführter präsentiert. Zudem galten eugenische Zwangssterilisationen damals nicht als ein nationalsozialistisches Unrecht. Uns erfüllen seine Taten mit Scham und Trauer.
Werner Bickenbach kam 1950 und füllte die Vakanz aus, leider nur bis 1954.
Bahnbrechende Neuerungen revolutionieren die Frauenheilkunde
Bahnbrechende Neuerungen revolutionieren die Frauenheilkunde
Mit Hans Roemer kehrte ab 1956 wieder eine gewisse Kontinuität ein. Besonders widmete er sich der Geburtshilfe und verband sie mit seinen psychologischen Studien. Hieraus resultierten psychoprophylaktisch orientierte geburtsvorbereitende Maßnahmen, wie z. B. der sog. „Read- Kurs“ und das sog. Badegespräch, Initiativen, die bundesweit Schule machten. Die Frau sollte angstfrei und entspannt in die Geburt gehen.
Bahnbrechende technische Neuerungen revolutionierten vor allem die Geburtshilfe. Die Frauenklinik erkannte den Wert dieser neuen Möglichkeiten und führte sie unverzüglich in den klinischen Alltag ein. Bereits 1968, als eine der ersten Kliniken weltweit, führte die Frauenklinik die Cardiotokographie, das CTG, ein. Mit dem Vidoson wurde auch die pränatale Ultraschalldiagnostik in der Geburtshilfe etabliert, ebenfalls sehr frühzeitig. Operativ begann man 1972 mit Laparoskopien, damit hielt auch in Tübingen das Zeitalter der „Schlüssellochchirurgie“ relativ früh Einzug.
Die Ausbildung der Studenten intensivierte Hans Roemer indem er den Unterricht in kleinen Gruppen einführte, die von Tutoren geleitet wurden. Um auch den persönlichen Kontakt zu den Hörern besser aufbauen zu können, lud er immer wieder Studentengruppen zu sich in sein Privatanwesen am Bodensee ein, wo neben der akademischen Ausbildung auch eine Atmosphäre ungezwungener private Freizeitgestaltung gepflegt wurde. „Man konnte den Ordinarius sehen, wie er beim Rasenmähen schwitzte.“2
Dem Trend jener Zeit folgend teilte man das Ordinariat in der Frauenheilkunde, auf. Der ehemalige Oberarzt Viktor Probst, seit 1948 an der Klinik, wurde 1957 zum planmäßigen Extraordinarius neben Roemer berufen. Er genoss als gynäkologischer Operateur einen hervorragenden Ruf, auch überregional. Das Team Hans Roemer und Viktor Probst führte die Klinik harmonisch und erfolgreich. Nach Roemers Emeritierung 1973 leitete Probst die Klinik bis 1975 kommissarisch.
2 Persönliche Mitteilung der Oberärzte von Prof. Hans Roemer
Neue Akzente werden in der Tübinger Universitäts-Frauenklinik gesetzt, in Gynäkologie und Geburtshilfe
Neue Akzente werden in der Tübinger Universitäts-Frauenklinik gesetzt, in Gynäkologie und Geburtshilfe
Mit Hans A. Hirsch übernahm 1975 ein profilierter gynäkologischer Operateur das Direktorat der Klinik. Zusammen mit seinem Lehrer Otto Käser und Franz Anton Ikle gab er in mehreren Auflagen den „Atlas der gynäkologischen Operationen“ heraus. ab 1995 verantworte er als Erstautor das Werk. Weitere operative Werke folgten.
Infektiologisch arbeitete Hirsch über nosokomiale Infektionen und konnte so u.a. die operative Morbidität entscheidend senken, z. B. durch die von ihm eingeführte perioperative Antibiotikaprophylaxe. Mit seinem Namen verbunden ist auch eine neue Technik der Kolposuspension zur Behebung der Harninkontinenz.
1977 bis 1985 stand ihm als Ordinarius und Leiter der Geburtshilfe Konrad Hammacher zur Seite. Hammacher gilt als der Erfinder der Cardiotokographie, des CTGs, das wie keine andere vergleichbare Technik seinen Triumphzug durch die Welt angetreten hat. Das CTG ist in allen Ländern seit 50 Jahren Standard des prä- und intrapartalen Monitorings des Feten. Es dürfte in keiner namhaften Klinik fehlen, weltweit.
Bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes am Bande 1999 wurde Hammacher gewürdigt mit den Worten: "Die Vorstellungen und die geniale Idee der Cardiotokographie hat einen Siegeszug um die Welt angetreten. Konrad Hammacher ist ein Teil der Geschichte der Medizin und der Geschichte der Geburtshilfe.", Dudenhausen, 1999
Konrad Hammacher führte in Tübingen wegweisend für Deutschland mit seinen Mitarbeitern in der Geburtshilfe auch das „Rooming-in“ ein, kombiniert mit weiteren patientenzentrierten Maßnahmen. Er verzeichnete so eine starke Zunahme der Entbindungen in Tübingen. Dem bundesweiten Trend entgegen verdoppelten sich nahezu in kürzester Zeit die Geburten in der Frauenklinik, auf über 2700 pro Jahr. Als Hammacher 1985 krankheitsbedingt ausschied, führte Hirsch dann auch dessen Ordinariat weiter und übergab den Lehrstuhl 1998 ungeteilt an Diethelm Wallwiener.
Die „Neue Frauenklinik“, ein Geist des Aufbruchs erfasst die Klinik
1998 - heute
Die „Neue Frauenklinik“, ein Geist des Aufbruchs erfasst die Klinik
Mit Diethelm Wallwiener, konnte für den Lehrstuhl und die Leitung der Frauenklinik ein ganz herausragender Experte seines Faches gewonnen werden. Er war zuvor Stellvertretender Ärztlicher Direktor in Heidelberg. In Tübingen gab er der Planung für den Bezug der „Neuen Frauenklinik“ im Gebäude der „Alten Chirurgie“ den letzten Schliff und leitete dann auch 2002 den Umzug in das kernsanierte Gebäude an der Calwer Straße. Hier waren endlich Geburtshilfe und Neonatologie unter einem Dach, Tür an Tür zu einem Perinatalzentrum vereint. 5 großzügig ausgestattete Operations-Säle ließen die Operationszahlen und das Spektrum der operativen Eingriffe erweitern.
Hervorragend eingerichtete Entbindungszimmer gaben einer Geburt nach Vorstellungen der werdenden Mütter freien Raum. Geborgenheit und Sicherheit bei einer natürlichen individuellen Geburt konnten nun noch besser verwirklicht werden.
Hervorragend eingerichtete Entbindungszimmer gaben einer Geburt nach Vorstellungen der werdenden Mütter freien Raum. Geborgenheit und Sicherheit bei einer natürlichen individuellen Geburt konnten nun noch besser verwirklicht werden.
Hervorragend eingerichtete Forschungslaboratorien direkt angegliedert an das Hauptgebäude verbinden nicht nur aus räumlicher Sicht die Grundlagenforschung mit den Belangen der Klinik. Wesentliche Aspekte der neueren Endokrinologie wurden hier formuliert, nicht nur in Bezug auf die Perimenopausenbehandlung. Großer Wert wurde auch auf den Nachweis von Tumoreinzelzellen im Knochenmark gelegt. Selbstverständlich wird hier auch an modernen Therapiewegen zur erfolgreichen Behandlung des Krebses gearbeitet. Nicht zuletzt forschen hier mehrere Arbeitsgruppen über die Immuntherapie bösartiger Erkrankungen, vornehmlich in Kooperation mit namhaften internationalen Instituten. Auch werden neue Wege in der experimentellen Chirurgie erarbeitet. Die hier aufgezählten Aktivitäten stellen aber nur fragmentarisch, pars pro toto, einige Facetten der Forschung unserer Klinik dar. Elementare Arbeiten im Bereich der Elektrochirurgie wurden z.B. in Kooperation mit der Fa. Erbe, Tübingen, durchgeführt. In der Pränataldiagnostik wurden neue Methoden erarbeitet, auch immunologische Behandlungsverfahren.
Breitesten Raum nahm auch die klinische Forschung ein. Mit großen Schritten wurde die Endoskopie vorangetrieben, auch in Kooperation mit der Fa. Karl Storz, Tuttlingen. Neue Operationstechniken wurden, maßgeblich von Tübingen ausgehend, in aller Welt verbreitet, sei es laparoskopisch oder hysteroskopisch, elektrochirurgisch oder laseroptisch. Von mikrochirurgischen Eingriffen bis maximal ausgedehnten Karzinomoperationen erstreckten sich die innovativen Techniken. Neben neuartigen Beckenbodenrekonstruktionen über hier inaugurierte sonographiegesteuerte Tumorexstirpationen aus der Brust, bis hin zur intrauterinen Fetalchirurgie erstreckt sich das derzeitige Operationsspektrum der Klinik.
Brustrekonstruktionen über die Einlage von Implantaten bis hin zum freien Transpositionslappen mit Gefäßanastomosen sind Alltag in der Frauenklinik. Durch Tumorerkrankungen und deren Operationen dürfen Frauen nicht länger körperlich stigmatisiert werden! Nun gilt: „Nicht mehr als nötig, so wenig, wie möglich.“ Konstant wird hier an Verbesserungen der Operationstechniken gearbeitet, um den Frauen noch besser helfen zu können, Leid abzuwenden und Schicksalsschläge zu mindern. Und diese Operationen wurden auch durch live-surgeries auf Kongresse in aller Welt von Tübingen aus übertragen. Auch hier arbeitete die Frauenklinik wegweisend.
Zahlreiche Publikationen und Monographien wurden aus dieser Frauenklinik veröffentlicht. Sie alle aufzuzählen würde jeden Rahmen sprengen. Hier gelten Albert Einsteins Worte: „Nicht alles, was zählt, kann gezählt werden, und nicht alles, was gezählt werden kann, zählt!“
Die „Bibel“ der operativen Gynäkologie wird in der Tübinger Frauenklinik geschrieben
Die „Bibel“ der operativen Gynäkologie wird in der Tübinger Frauenklinik geschrieben
Eine große Monographie darf nicht verschwiegen werden: Der „Atlas der gynäkologischen Operationen“. Dieses Werk Diethelm Wallwieners, 2009, führt die Tradition der großen Atlanten der Tübinger operativen Schule fort, nun neu aufgelegt, in mehreren Auflagen, übersetzt in viele Sprachen, u.a. chinesisch, englisch, russisch, spanisch und andere mehr. Es ist eine Art „Bibel“ der Operationen unseres Faches. Es gilt als ein Standardwerk der operativen Gynäkologie in der Welt.
Auch die studentische Ausbildung nahm neue Formen an fachspezifischer und individualisierter. Tutorien und Vorlesungen wurden deutlich vermehrt und verbessert. Zusätzlich zu den Visiten und Praktika wurde auch anhand digitaler Medien und innovativer Simulatoren unterrichtet, bevorzugt in Kleingruppen. Zahlreiche Prämierungen und erste Preise für Vorlesungen, Praktika und Seminare zeugen von der überragenden Qualität der akademischen Ausbildung in unserer Frauenklinik.
Aber nicht nur die studentische Ausbildung lag der Klinikleitung am Herzen. Auch engagierte man sich nachhaltig für die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit der Klinik mit niedergelassenen Kollegen und für deren Fort- und Weiterbildung. Die starke internationale Verflechtung der Frauenklinik mit den führenden Fach-Institutionen in aller Welt drückt sich in der nahezu abundanten Teilnahme an übernationalen Kongressen aus und im permanenten Austausch von Gastärzten.
Nach langen Jahrzehnten wurde mit Diethelm Wallwiener wieder ein Direktor der Universitäts-Frauenklinik Tübingen zum Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe gewählt. Unter seiner Präsidentschaft fand 2016 der Kongress der DGGG in Stuttgart statt, Sara Y. Brucker leitete den Kongress als Präsidentin.
Neue Strukturen weisen den Weg in die Zukunft, das Department für Frauenheilkunde
Neue Strukturen weisen den Weg in die Zukunft, das Department für Frauenheilkunde
2014 wurde das Department für Frauengesundheit in Tübingen gegründet, mit dem Status eines internationalen Exzellenzzentrums. Die eigentliche Frauengesundheit steht im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Themengebiete und geht über die Frauenheilkunde hinaus. Hier ergänzen sich die Komponenten zu einer ganzheitlichen Konzeption, in deren Mittelpunkt die Frau bzw. Patientin und damit die individualisierte Medizin steht. Unter dem Dach des Departements für Frauengesundheit sind die Universitäts-Frauenklinik Tübingen und das Forschungsinstitut für Frauengesundheit vereint.
Aufgrund des engagierten Managements der Klinik stieg die Patientenzahl zügig an, so dass bereits wenige Jahre nach Bezug der neuen Frauenklinik Umbauten und Erweiterungen erforderlich waren, aber die Kapazitäten reichen bei Weitem trotzdem nicht mehr aus. Wir stehen jetzt wieder vor neuen Erweiterungsbauten, den umfangreichsten in der Geschichte der Frauenklinik.
Frauen, selbst ohne Uterus geboren, entbinden nun eigene Kinder - die Uterustransplantation
Frauen, selbst ohne Uterus geboren, entbinden nun eigene Kinder - die Uterustransplantation
Besonders widmete sich die Frauenklinik auch der Korrektur angeborener Fehlbildungen des weiblichen Genitale. Kaum bekannt ist, dass allein in Deutschland ca. 9000 Frauen mit angeborener Gebärmutter- und Scheidenlosigkeit leben, fast durchweg mit großem Leidensdruck. So wurden hier Techniken zur laparoskopisch assistierten Anlage einer Neovagina modifiziert, auch wurde hier ein geeignetes Instrumentarium entwickelt, damit weltweit Frauen ohne weibliche Vagina geholfen werden kann.
Durch die Anlage einer Neovagina wurde in unserem Zentrum für seltene angeborene Fehlbildungen, in der Frauenklinik, Hunderten von Mädchen und Frauen aus aller Welt entscheidend geholfen. Aber ihr Wunsch, eigene Kinder zu gebären, blieb so, ohne Gebärmutter, dennoch unerfüllt.
Dieses Ziel kann erst durch eine Uterustransplantation erreicht werden. Und nach jahrelanger Vorbereitung wurde 2016 in Tübingen die erste Gebärmutter in Deutschland transplantiert. Mittlerweile ist die Tübinger Frauenklinik zum offiziellen Transplantationszentrum für Uteri ernannt worden. Die ersten Kinder sind bereits hier geboren.
Diesen Frauen wurde hier, in der Tübinger Frauenklinik, zum eigentlich schier Undenkbaren verholfen, selber geboren ohne Vagina und ohne Gebärmutter, haben sie dennoch eigene Kinder zur Welt gebracht.
Der Staffelstab wird weiter gereicht
Der Staffelstab wird weiter gereicht
Sara Y. Brucker wurde als Geschäftsführende Oberärztin am 01.10.2018 zur Geschäftsführenden Ärztlichen Direktorin des Departments für Frauengesundheit ernannt. Mit ihr wird das erste Mal in der Geschichte der Frauenklinik Tübingen eine Frau die Leitung dieser Klinik übernehmen, der größten Universitäts-Frauenklinik Deutschlands, die nun deutlich größer und bedeutender ist, als sie es jemals vorher war.
Danksagung und Literaturverzeichnis
Danksagung
Besonders danken wir Herrn Prof. Dr. Dr. U. Wiesing und Herrn PD Dr. H. Tümmers für das kritische Lesen des Manuskriptes, das Korrigieren und die vielen wertvollen Anregungen.
Literaturverzeichnis
- Anonym. (2006). Die Laparoskopische Cholezystektomie - Historie. Von http://www.chirurgie-ffm-hoechst.de/chirurgischeklinik/spezialitaten/endoskpie/lapche2006geschichte.htm abgerufen
- Brucker, S. A. (5.. November 2008). Neovagina creation in vaginal agenesis: developmentof a new laparoscopic Vecchietti-based procedure andoptimized instruments in a prospective comparativeinterventional study in 101 patients. Fertility and Sterility, S. 1946 - 1952.
- Döderlein, A. u. (1907). Operative Gynäkologie, 2. Auflage. Leipzig: Thieme.
- Doneith, T. (2008). August Mayer - Ein Klinikdirektor in Weimarer Republik, Nationalsozialismus und Nachkriegszeit. Stuttgart: Franz Steiener.
- Dopheide, S. (13.. November 2008). Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Universitätsklinikums Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf: Geburtsüberwachung: Der Cardiotokograph (CTG): Vom Düsseldorfer Keller in die Welt. Von https://idw-online.de/de/news288535. abgerufen
- Dudenhausen, J. W. (August 1999). Laudatio anläßlich der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an Herrn Prof. Dr. Konrad Hammacher. PerinatalMedizin, S. 104.
- Englisch, W. (1993). In Memoriam Albert Döderlein. Berlin: Springer.
- Figdor, P. P. (2002). Philipp Bozzini – Beginn der modernen Endoskopie Band . Tuttlingen: Endopress.
- Gross, D. (2010). Wundärzte: Die Geschichte einer verdrängten Berufgruppe. Dt. Ärzteblatt 107; 246 - 247.
- Hirsch, H. A. (1995). Atlas der gynäkologischen Operationen einschliesslich urologischer, proktologischer und plastischer Eingriffe. Stuttgart: Thieme.
- Lembke, D. (Heft 61/62 ,Sondernummer: 500 JahreEberhard-Karls-Universität Tübingen 1477 - 1977 1977). Universitätsbau in Tübingen - Die Bauten der Universität in 500 Jahren. Attempto.
- Nezhat, C. (2011). Nezhat's History of Endoscopy - A Historical Analysis of Endoscopy Ascension since Antiquity. Tuttlingen: Endo Press.
- Reiners, W. (23.05.2019). Tübingen: Kindersegen nach Gebärmuttertransplantation. Süddeutsche Zeitung.
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- Stübler, E. (1952). Geburtshilfe und Gynäkologie in Tübingen. Stuttgart: Ferdinand Enke Verlag.
- Wallwiener, D. J. (2009). Atlas der gynäkologischen Operationen. Stuttgart: Thieme.
- Wenders, I. (1945). Die Entwicklung der Geburtshilfe und Frauenheilkunde an der Universität in Tübingen und ihre Vertreter. Tübingen.
Zertifikate und Verbände
Focus: Top Nationales Krankenhaus 2024
Qualitätspartnerschaft mit der PKV
Erfolgsfaktor Familie
Die Altersvorsorge für den Öffentlichen Dienst