Ersatzmethoden zum Tierversuch

Wir wollen mittelfristig durch die Etablierung von verschiedenen ex-vivo Methoden eine signifikante Reduktion der Tierversuchszahlen in der ophthalmologischen präklinischen Forschung erreichen. Dabei setzen wir die Augen von Schlachttieren (Rinder und Schweine), die für die Lebensmittelherstellung getötet werden, ein. Diese Augen können von der Lebensmittelindustrie nicht verwendet werden und werden normalerweise ungenutzt entsorgt. Dieser Transfer ist nicht nur aus Gründen des Tierschutz, sondern auch aus medizinischer Sicht sinnvoll, da die Anatomie dieser Tiere den humanen Augen deutlich ähnlicher ist, als die Augen von klassischen Versuchstieren (Mäuse, Ratten oder Kaninchen).

Kontakt

Dr. rer. nat. Sven Schnichels

07071 29-87888

sven.schnichels@med.uni-tuebingen.de


Mehr zu Tierversuche

Mehr zu Tierversuche

Tierversuche spielen in der medizinischen Forschung eine wichtige Rolle und werden dies auch weiterhin tun. Mithilfe von Tierersatzmethoden können allerdings eine Vielzahl an Versuchen und Versuchstieren im Sinne der 3R „replace – reduce – refine“ eingespart werden. Die letzten offiziellen Tierversuchszahlen für Deutschland vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft stammen aus dem Jahr 2017:

Es wurde der Einsatz von insgesamt knapp 2 Millionen Wirbeltieren in Tierversuchen gemeldet, 80 % der eingesetzten Tiere waren Nager. Es werden aber auch andere Tierarten wie Kaninchen, Vögel, Fische, Minischweine oder Rhesusaffen eingesetzt.

Drei schwarze Mäuse

Forschungsprojekte

Forschungsprojekte

In einem von der „Stiftung zur Förderung der Erforschung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zur Einschränkung von Tierversuchen“ (SET) geförderten Projekt arbeiten wir an der Etablierung eines organotypischen Zelldegenerationsmodells der Schweineretina. Ziel hierbei ist es ein ex-vivo Modell zu etablieren, das zur Testung therapeutischer Substanzen zur Behandlung von Schädigungen der Retina genutzt werden kann.

Ziel des vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) geförderten Projekts ist die Entwicklung und Charakterisierung von ex-vivo Langzeitretinakulturen am Rindermodell als Replacement und am Schweinemodell als Refinement. Die Charakterisierung soll über Elektroretinografie (ERG) der Organkultur über einen möglichst langen Zeitraum erfolgen. Dies soll mit immunhistochemischen, molekularbiologischen & proteinbiochemischen Untersuchungen korreliert werden. Hiermit lassen sich relevante Informationen über den Zustand der Netzhaut gewinnen. Daraufhin kann die Auswirkung von verschiedenen Stressoren oder Substanzen auf funktioneller und zellulärer Ebene analysiert werden. Neben der Etablierung der Langzeitkulturen soll durch Glutamat- und Hypoxiestress ein definiertes Schädigungsmodel entwickelt werden, das dann in der pharmakologischen und präklinischen Forschung zur Therapieentwicklung gegen verschiedene Krankheitsbilder (z.B. retinale Gefäßverschlüsse, diabetische Netzhauterkrankung, altersbedingte Makuladegeneration) verwendet werden kann.

Im Rahmen der Forschungsförderung "Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch des Landes Baden-Württemberg" soll eine neue retinale Ganglienzelllinie etabliert werden. Als Grundlage dazu soll die Etablierung der einzigen existierenden retinalen Ganglienzelllinie (RGC-5) 2001 durch Krishnamoorthy et al. und der zwölf Jahre später veröffentlichte Lessons-learned-Report bezüglich der unterlaufenen Fehler, die zur Kontamination der Zelllinie geführt haben, dienen. Nachdem sich die Vermutungen bestätigt haben, dass es sich bei der vielfach genutzten RGC-5-Zelllinie nicht um eine reine retinale Ganglienzellkultur handelt, besteht erneuter Bedarf an der Etablierung einer solchen Zelllinie. Zur Untersuchung der Pathogenese und Behandlung ophthalmologischer Erkrankungen wie dem Glaukom oder der retinalen Ischämie, die mit einem Absterben von retinalen Ganglienzellen einhergehen, ist dies von erheblicher Relevanz. Mithilfe einer solchen Zelllinie lassen sich in-vitro-Ergebnisse gewinnen, die zur Reduzierung von Tierversuchen beitragen können.

Bei den Schweineretina Organkulturen handelt es sich um ein sehr gutes und verlässliches Modellsystem, das von zur Erforschung retinaler Erkrankungen und Entwicklung neuer Therapieansätze genutzt werden kann. In Kooperation mit der Universtiät Bochum wurden in einem von der set Stiftung geförderten Projekt drei retinale ex-vivo Degenerationsmodelle etabliert (siehe Projekt 1). Mit dem Kobaltchlorid- und dem Wasserstoffperoxid-Modell konnten zwei Systeme entwickelt werden, die sowohl von uns für weitere Therapiestudien weiterentwickelt und genutzt, als auch von zahlreichen anderen universitären Arbeitsgruppen, sowie auch in der Industrie leicht eingesetzt und für ihre Fragestellungen abgewandelt werden können. In diesem Projekt werden nun erste neuroprotektive Therapien auf den neuen Modellen getestet.

Symposium, MatTek-Preis

Symposium

Zusammen mit Kooperationspartnern aus Bochum haben wir 2015 und 2018 auf der Jahrestagung der deutschen ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) und 2019 auf dem Kongress der Association for Research in Vision and Ophthalmology (ARVO) Symposien zu Tierersatzmethoden in der Ophthalmologie durchgeführt. Auch in den folgenden Jahren wollen wir diese Symposien weiter ausrichten, um ein Bewusstsein für Ersatzmethoden zum Tierversuch in der Ophthalmologie zu schaffen und einen regelmäßigen wissenschaftlichen Austausch zu unterstützen.

MatTek-Preis

Im November 2015 haben wir einen gemeinsam von MatTek und PeTA ausgeschriebenen Preis zur Anwendung von MatTek-Gewebekulturen gewonnen. Durch Einsatz der MatTek EpiOcularTM Gewebekultur wollen wir Sicherheits- und Aufnahmestudien mit unserem innovativen, auf DNA-Nanopartikeln bestehenden Medikamententräger durchführen und dadurch Tierversuche einsparen.

Publikationen

Ausgewählte Publikationen

  • Schnichels S+, Kiebler T, Hurst J, Maliha AM, Löscher M, Dick HB, Bartz-Schmidt KU, Joachim SC Retinal Organ Cultures as Alternative Research Models. Altern Lab Anim. 2019 Mar;47(1):19-29.
  • Klemm P, Hurst J, Dias Blak M, Herrmann T, Melchinger M, Bartz-Schmidt KU, Zeck G, Schultheiss M, Spitzer MS, Schnichels S+Hypothermia protects retinal ganglion cells against hypoxia-induced cell death in a retina organ culture model. Clin Exp Ophthalmol. 2019 Jun 1. doi: 10.1111/ceo.13565. [Epub ahead of print]
  • Maliha AM, Kühn S, Hurst J, Herms F, Fehr M, Bartz-Schmidt KU, Dick HB, Joachim SC & Schnichels S+Diminished apoptosis in hypoxic porcine retina explant cultures through hypothermia. Scientific Reports 2019 Mar 20;9(1):4898.
  • Mueller S, Krupp C, Schnichels S, Hofmann J, Spitzer M, Bartz-Schmidt KU, Szurman P, Januschowski K. Investigating retinal toxicity of a lutein-based dye in a model of isolated and perfused bovine retina. Graefes Arch Clin Exp Ophthalmol. 2019 Feb 20. [Epub ahead of print]
  • Januschowski K, Schnichels S, Hurst J, Hohenadl C, Reither C, Rickmann A, Pohl L, Bartz-Schmidt KU & Spitzer MS Ex vivo biophysical characterization of a hydrogel-based artificial vitreous substitute. PLoS One. 2019 Jan 7;14(1):e0209217.. eCollection 2019.

Kooperationspartner und Förderung

Kooperation

  • Prof. Dr. med. Stephanie Joachim, Universitäts-Augenklinik, Ruhr-Universität Bochum
  • Prof. Dr. med. Kai Januschowski, Knappschaftsklinikum Saar GmbH, Sulzbach
  • Dr. rer. nat. Günter Zeck, NMI, Reutlingen
  • Dr. med. vet. Natalia Quindt, Schlachthof Gärtingen

Förderung

  • Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)
  • Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz und das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Baden-Württemberg
  • Novartis Pharma GmbH, Deutschland
  • Stiftung zur Förderung der Erforschung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zur Einschränkung von Tierversuchen (SET)

Siehe auch

Zertifikate und Verbände