Forschungsbereich Geschichte der Augenheilkunde

Mit den Forschungen zur Geschichte ihres Fachgebietes kommt die Augenklinik Tübingen ihrem universitären Anspruch nach, sich ungeachtet der Frage ökonomischen Nutzens auch Themen zu widmen, die über das "reine Tagesgeschäft" hinaus gehen.

Dieses geschieht in dem klaren Bewusstsein, dass Medizin nicht nur natur-, sondern auch geisteswissenschaftliche Grundlagen hat. Vor diesem Hintergrund wird an der Universitäts-Augenklinik Tübingen seit gut 25 Jahren augenheilkundlich-historische Forschung betrieben, wobei zunächst die Verhältnisse auf lokaler Ebene, d.h. in Tübingen, im Mittelpunkt standen.

Kontakt

Leitung
Prof. Dr. Jens Martin Rohrbach

07071 29-84006

07071 29-4762


Schwerpunktthema Augenheilkunde im Nationalsozialismus

Schwerpunktthema Augenheilkunde im Nationalsozialismus

Seit 1998 wird schwerpunktmäßig das Thema "Augenheilkunde im Nationalsozialismus" bearbeitet. Untersucht werden dabei die zahlreichen, ganz verschiedenen Facetten der Augenheilkunde von 1933 bis 1945 im gesamten Deutschen Reich (ohne Österreich). Die bisherigen, maßgeblich auf Durchsicht der Bestände im Bundesarchiv Berlin beruhenden Forschungsergebnisse wurden 2007 in Buchform im Schattauer Verlag Stuttgart veröffentlicht. Weitere Arbeiten zum Thema sind seitdem erschienen. In 2 Beiträgen wurden die Entwicklungen in der Deutschen Augenheilkunde vom ausgehenden Kaiserreich bis zum Nationalsozialismus beleuchtet. 

Die medizinisch-technischen Assistentinnen Frau Claudia Riedinger und Frau Monika Wild sind insbesondere bei der Quellensuche und der Literaturbeschaffung behilflich. Leiter des ophthalmo-historischen Forschungsbereiches ist Prof. Dr. Jens Martin Rohrbach, Oberarzt an der Universitäts-Augenklinik Tübingen.  

Zeichnung von einem Auge im Querschnitt

Mehr zu Geschichte der Augenheilkunde

Mehr zu Geschichte der Augenheilkunde

Die medizinhistorische Forschung wird - so auch in Tübingen - "professionell" von den (zumeist universitären) Instituten für Ethik und Geschichte der Medizin betrieben. In der Augenheilkunde (Ophthalmologie) haben sich aber immer schon auch klinisch tätige ärztliche Mitarbeitende intensiv mit der Historie ihrer Fachdisziplin beschäftigt. Beispielhaft sei hier an die Augenärzte und Medizinhistoriker Wolfgang Münchow (1923-1986), Albert Esser (1885-1972) und vor allem Julius Hirschberg (1843-1925) erinnert.

Vor allem Dank Hirschbergs epochalem, mehrere tausend Buchseiten umfassenden Werks über die "Geschichte der Augenheilkunde" verfügt kaum ein anderes, ja wahrscheinlich überhaupt kein anderes medizinisches Fach über so umfangreiche und detaillierte Informationen zur eigenen Geschichte wie die Ophthalmologie, und das von den frühesten Anfängen (in den frühen Hochkulturen Ägypten, Indien, Mesopotamien, Griechenland und Rom) bis zur Neuzeit. Dabei sei an dieser Stelle angemerkt, dass sich die Augenheilkunde erst in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts als eigenständiges (und universitäres) Fach etablieren konnte. Die Frage "Warum Medizingeschichte?" hat der Kölner Medizinhistoriker und Augenarzt Prof. Dr. Dr. Klaus Bergdolt vor einigen Jahren in einem Aufsatz beantwortet. Dieser Beitrag (Deutsches Ärzteblatt 1998;95:A-812-816) ist auch heute noch hoch aktuell und lesenswert. Der berühmte Glaukomforscher Hans Goldmann (1899-1991), Lehrstuhlinhaber für Augenheilkunde in Bern/ Schweiz von 1935 bis 1968, drückte den Sinn medizinhistorischer Forschung im Jahre 1961 wie folgt aus:

„Geschichte medizinischer Disziplinen wird noch nicht lange betrieben und war wohl zunächst nur aus Freude, von dem zu hören, was früher der leidenden Menschheit, mit der besten Absicht ihr zu helfen, zugemutet wurde, und Stolz über das, was wir nun im 19. und 20. Jahrhundert erreicht haben, gemischt. In letzter Zeit hat immer mehr jene Art von Geschichtsbehandlung auch Einzug in die Medizingeschichte gehalten, die E. Mach für die Physik so musterhaft gehandhabt hat: zu zeigen, wie Begriffe langsam und zunächst vage sich formen, unter unendlicher Mühe zu immer größerer Klarheit verdichtet werden, wie die Erfahrung sie wandelt, wie aber kaum je ein abschließender Stand erreicht wird. Solche Art von Geschichtsbetrachtung führt den Leser, wenn er selbst Forscher ist, dazu zu überprüfen, ob er den richtigen Weg eingeschlagen hat, ob er nicht Aspekte, die einst wichtig erschienen und dann wieder zurücktraten, vernachlässigt hat, und zu erkennen, dass der erreichte Stand der Dinge ein vorläufiges, immer ein vereinfachtes, oft sogar ein verzerrtes Bild der Realität liefert Wissenschaftsgeschichte dieser Art führt zu Toleranz und damit zur fruchtbaren Aufgeschlossenheit fremden Auffassungen gegenüber.“

Publikationen

Ausgewählte Publikationen

  • Rohrbach JM. Albrecht von Graefe (1828-1870) und die Ophthalmopathologie. Klin Monatsbl Augenheilkd 2015; 232:1101-1104.
  • Rohrbach JM, Nessmann A, Leitritz M. „Aus alt mach neu“: Hermann Cohn und das Lichtkonzept zur Myopieprävention 1867-2015. Klin Monatsbl Augenheilkd 2015;232:1312-1317
  • Rohrbach JM. Julius Hirschberg als Reisender durch Welt und Zeit. Klin Monatsbl Augenheilkd 2015;232:1413-1421.
  • Rohrbach JM. Ein bisher wohl unbekannter, originaler Brief Albrecht von Graefes aus dem Jahr 1866. Klin Monatsbl Augenheilkd 2016; 232:87-88
  • Rohrbach JM. Frauen in der Augenheilkunde – ein Rückblick. Klin Monatsbl Augenheilkd 2016;233:1168-1171

Siehe auch

Zertifikate und Verbände