Autoimmunhepatitis

Autoimmune Hepatitis (AIH)

Bei der Autoimmunen Hepatitis (AIH), einerseltenen chronischen Autoimmunkrankheit der Leber, werden die Leberzellen durch das Immunsystem zerstört. Es kommt zu einer Entzündung der Leber. Etwa ein Drittel der Betroffenen hat zum Zeitpunkt der Diagnosestellung bereits einen fortgeschrittenen Leberschaden (Leberzirrhose) entwickelt.

Die Autoimmunhepatitis ist eine chronische Autoimmunkrankheit der Leber. Das Immunsystem ist das Abwehrsystem des Körpers. Es dient dazu, den Körper vor Krankheitserregern zu schützen. Bei einer Autoimmunerkrankung greift das Immunsystem fälschlicherweise körpereigene Zellen an. Die betroffenen körpereigenen Zellen bei der AIH sind Leberzellen. Die Leberzellen werden durch das Immunsystem zerstört und es kommt zu einer Entzündung der Leber. AIH-Betroffene benötigen eine Therapie, die die Aktivität des Immunsystems unterdrückt. Eine solche Therapie wird als immunsuppressive Therapie bezeichnet. So kann die Entzündung der Leber eingedämmt werden.

Die Ursachen der Erkrankung sind noch nicht vollständig verstanden. Untersuchungen deuten darauf hin, dass bei Betroffenen eine genetische Veranlagung vorliegt und ein zusätzlicher Auslöser (z.B. ein Virusinfekt) letztlich zum Ausbrechen der Krankheit führt. Betroffene haben hierauf jedoch keinen Einfluss. Trotz der genetischen Veranlagung besteht für Verwandte ein sehr geringes Risiko auch an einer AIH zu erkranken.

Das Erscheinungsbild der AIH ist sehr unterschiedlich. Bei einigen Menschen entwickelt sich die Erkrankung sehr langsam und es bestehen keine oder nur milde, unspezifische Beschwerden. Andere Patienten haben einen akuten Krankheitsverlauf, der eine sofortige Krankenhausbehandlung erfordert. Etwa ein Drittel der Betroffenen hat zum Zeitpunkt der Diagnosestellung bereits einen fortgeschrittenen Leberschaden (Leberzirrhose) entwickelt.

Folgende Symptome können auftreten:
  • Abgeschlagenheit, Übelkeit, Bauchschmerzen
  • Gelenkschmerzen (meist an mehreren Gelenken, ohne Rötung oder Schwellung)
  • Hautveränderungen (z.B. eine Rötung der Handinnenflächen)
  • In schweren Fällen: Gelbsucht (Gelbfärbung der Haut oder Augen) und Dunkelfärbung des Urins 

Diagnostik und Therapie am Kompetenzzentrum

Die Diagnose einer AIH kann nicht anhand einer einzelnen Untersuchung gestellt werden, sondern ergibt sich aus den Ergebnissen verschiedener Tests. Hierzu zählen beispielsweise Blutuntersuchungen oder eine Gewebeuntersuchung der Leber.

Um die Entzündung in der Leber zu kontrollieren wird Ihr Arzt Ihnen Medikamente verschreiben, die die Aktivität Ihres Immunsystems hemmen. In den meisten Fällen handelt es sich hierbei um eine Kombination aus einem Kortisonpräparat (z.B. Prednisolon) und einem anderen immunsuppressiven Medikament (z.B. Azathioprin). Während Kortison die Entzündung in der Leber schnell und effektiv unterdrückt, ermöglicht Azathioprin im Verlauf eine Reduktion der Kortisondosis und hilft die Entzündung langfristig zu beherrschen.
Auch das Kortison-ähnliche Medikament Budesonid kann zur Behandlung der AIH eingesetzt werden. Budesonid wird sehr schnell in der Leber verstoffwechselt und hat dadurch weniger Nebenwirkungen. Es darf jedoch nicht bei Patienten angewendet werden, die bereits eine Leberzirrhose entwickelt haben. Ihr Arzt wird die Medikamentendosierungen im Laufe der Zeit immer wieder anpassen, um Nebenwirkungen zu minimieren und einen langfristigen Behandlungserfolg zu erreichen.

AIH-Medikamente sind sehr wirksam, wenn sie richtig eingesetzt werden, sie können jedoch auch Nebenwirkungen wie Übelkeit hervorrufen. Es ist von großer Bedeutung, dass Sie alle Medikamente wie verschrieben einnehmen und mögliche Nebenwirkungen sofort mit Ihrem Arzt besprechen. So können Änderungen der Dosis oder eine Therapieumstellung vorgenommen werden. Es ist sehr wichtig, dass Sie die Dosis der Medikamente nicht ohne Rücksprache mit Ihrem Arzt verändern oder die Therapie selbstständig absetzen. Dies kann zu einer erneuten Aktivierung der Entzündung und zunehmender Narbenbildung in der Leber führen (Leberzirrhose).
Die meisten Menschen mit AIH nehmen die Medikamente lebenslang ein und sind dadurch im Alltag nicht eingeschränkt. Bei wenigen Patienten kommt es jedoch zu einem fortschreitenden Leberschaden, sodass im Verlauf eine Lebertransplantation notwendig wird.
Wenn Sie der Meinung sind psychologische Unterstützung zu benötigen, sprechen Sie bitte Ihren Arzt zu passenden Angeboten an.
Verlaufskontrollen:
Ihre Blutwerte sollten regelmäßig kontrolliert werden (alle 3-6 Monate oder häufiger).
Die Transiente Elastographie (z.B. FibroScan®, sofern verfügbar) kann verwendet werden, um die Steifigkeit Ihrer Leber zu untersuchen und Hinweise über die Schwere des Leberschadens zu erhalten.

Standardbehandlung (oder Erstlinientherapie)

Zur Standardbehandlung der AIH werden zwei verschiedene Arten von Medikamenten eingesetzt: Steroide und Azathioprin. Steroide werden insbesondere zum Zeitpunkt der Diagnosestellung der AIH eingesetzt, weil dann die entzündliche Aktivität der AIH in der Regel stark erhöht ist. Steroide können die Entzündungsreaktion schnell eindämmen. Azathioprin wird längerfristig gegen die AIH eingesetzt. Nach dem Beginn der Behandlung mit Azathioprin kann die anfängliche Steroidbehandlung nach und nach reduziert werden.

Die meisten AIH-Betroffenen werden dauerhaft oder über einen längeren Zeitraum mit dieser Therapie behandelt, die sehr gut vertragen wird. Einige Patientinnen und Patienten sind jedoch von unerwünschten Nebenwirkungen betroffen oder sprechen nicht in ausreichendem Maß auf die Standardbehandlung an (keine verbesserten Leberwerte in den Blutuntersuchungen). Für diese Fälle hat das Europäische Referenznetzwerk für Seltene Lebererkrankungen (ERN RARE-LIVER) aktuell allgemeine Empfehlungen zur Vorgehensweise veröffentlicht (siehe auch Abbildung 1).

Zweitlinientherapie

Für Betroffene, bei denen die Standardbehandlung Nebenwirkungen verursacht, werden alternativ die Medikamente Mercaptopurin und Mycophenolat-Mofetil als Zweitlinientherapie empfohlen. Eine Nebenwirkung bei der Einnahme von Azathioprin kann beispielsweise Übelkeit sein. Die meisten Patienten und Patientinnen vertragen in diesem Fall Mercaptopurin oder Mycophenolat-Mofetil als Alternative zu Azathioprin besser.

Das Therapieziel der AIH ist, dass sich die Leberwerte in den Blutuntersuchungen innerhalb von 6 bis 12 Monaten nach dem Beginn der Standardbehandlung normalisiert haben (sogenannte Remission). Wenn dieses Ziel nicht erreicht wird, versuchen die Ärztinnen und Ärzte zunächst die Standardbehandlung anzupassen. Die Dosierung von Azathioprin wird angepasst und andere Lebererkrankungen, die auch erhöhte Leberwerte verursachen könnten, werden ausgeschlossen. Als weiterführende Untersuchung in dieser Situation ist eventuell eine Leberbiopsie notwendig.

Drittlinientherapie

Wenn sich die Leberwerte weiterhin nicht normalisieren, werden andere Immunsuppressiva wie Tacrolimus oder Infliximab benötigt. Das Europäische Referenznetzwerk für Seltene Lebererkrankungen hat nun ein Behandlungsprotokoll für diese Drittlinientherapie veröffentlicht, weil es bisher keine klaren und einheitlichen Empfehlungen für die Dosierungen dieser Drittlinienmedikamente gab.

Die Veröffentlichung der Empfehlungen zur Zweit- und Drittlinientherapie der AIH wird Ärzte und Ärztinnen in der Situation unterstützen, wenn bei AIH Betroffenen die Standardtherapie nicht wirksam ist oder aufgrund von Nebenwirkungen nicht vertragen wird. Diese neuen Empfehlungen werden weiterhin dazu beitragen, die Behandlung von AIH europaweit zu standardisieren und zu verbessern. Die Standardisierung der Behandlung der AIH wird außerdem dazu beitragen zu verstehen, welche Patientinnen und Patienten von welcher Therapie am meisten profitieren.

Flussdiagramm zur Therapie der Autoimmunhepatitis