Netzhaut und ERG
Die Netzhaut befindet sich im hinteren Teil des Auges, in dem die Lichtrezeptoren liegen und die ersten Informationen über das Sehen verarbeitet werden. Sie ist, wie das Gehirn, durch die sogenannte Blut-Retina-Schranke vom restlichen Organismus getrennt. Als erste Schicht, die das Licht verarbeitet, sind die Photorezeptoren (Stäbchen und Zapfen) zu nennen. Danach schließt sich die äußere plexiforme Schicht an, in der die Fortsätze der Photorezeptoren synaptisch mit den Horizontal- und Bipolarzellen verschaltet sind, die mit den Zellkörpern der Amakrinenzellen die innere Körnerschicht bilden.
Wieder weiter nach Innen hin schließt sich die innere plexiforme Schicht an, in der die Synapsenkontakte der amakrinen Zellen und die der Bipolarzellen mit den Ganglienzellen zu treffen sind. Aus den Axonen der Ganglienzellen wird die Ganglienzellfaserschicht gebildet, die als Nervus opticus zur Sehrinde ziehen. Die Müllerstützzellen bilden die Lamina limitans externa und die Lamina limitans interna. Die Reiztransduktion in der Netzhaut ist für die Wahrnehmung visueller Reize essentiell und kann zugleich durch Ableitung eines ERGs gemessen werden. Das besondere an den Sinnesrezeptoren der Retina ist, dass Sie im Ruhezustand depolarisiert und im Erregungszustand hyperpolarisiert sind. Bei anderen neuronalen Mechanismen der Reizverarbeitung im Körper ist das Gegenteil der Fall. Diese Hyperpolarisation ist im ERG messbar.
Das ERG wurde erstmalig 1849 von Du-Bois-Raymond am Bulbus eines enukleierten Fischauges abgeleitet. Bereits 1945 wurde das ERG klinisch nutzbar gemacht. Heute ist es der Goldstandard zur Diagnostik bei Netzhautdegenerationserkrankungen oder -dystrophien. Bei einem ERG kann man zwei Wellenkomponenten unterscheiden, eine a-Welle (Hyperpolarisation) und eine b-Welle (Depolarisation). Die a-Welle liefert Informationen über die Funktionalität der Lichtrezeptoren der Netzhaut. Sie ist das durch die Photorezeptoren gebildete Summenpotential, welches als erste Antwort auf einen Lichtreiz in Form eines negativen Ausschlags im ERG erscheint. Auf diesen ersten negativen Ausschlag folgt mit einer kurzen Latenz ein positiver Ausschlag, die b-Welle. Von der b-Welle im ERG zieht man Rückschlüsse auf die Funktion der höheren neuronalen Netzwerke innerhalb der Netzhaut. Das Zusammenspiel mehrerer Zelltypen generiert die b-Welle. Sie ist damit als Indikator für die komplexen, integrierenden Netzwerkfunktionen sehr sensibel.